Renaissance mit Hammer und Sichel (gut versteckt)

Das Hammer- und Sichelsymbol täuscht. Es handelt sich keineswegs um ein Gebäude aus der Zeit des Stalinismus. Oben in den Königsgärten neben der Prager Burg befindet sich der berühmte Ballsaal (Míčovna). Neben dem ebenfalls in den Gärten gelegenen Lustschlösschen der Königin Anna (Letohrádek královny Anny, siehe auch hier) gehört er zu den bedeutendsten Gebäuden der böhmischen Renaissance überhaupt.

Nun ja, die Gärten wurden ja auch 1534 – zur Blütezeit der Renaissance – von Kaiser Ferdinand I. angelegt und daher erstaunt die hohe Konzentration dieser Architektur an diesem Orte wenig. Das Gebäude wurde von den Architekten Bonifaz Wohlmut (siehe u.a. auch früheren Beitrag hier) und Ulrico Aostallis 1567 bis 1569 für Kaiser Maximilian II. erbaut. 68 Meter lang ist der Ballsaal, die Front mit ionischen Halbsäulen und Sgraffiti (bis in 14 Meter Höhe!) prächtig ausgeschmückt.

Drinnen fanden nicht, wie man meinen könnte, Tanzbälle statt, sondern Ballspiele, genauer ein Ringspiel, das anscheinend so ein Zwischending von Tennis und Baseball war. Damit war es 1723 allerdings vorbei, denn in diesem Jahr verwandelte man den Ballsaal in einen Pferdestall. In den 1780er Jahren dekretierte Kaiser Joseph II., dass der Pferdestall nunmehr in eine Kaserne für seine Soldaten umgebaut werden müsse. Das blieb das Gebäude auch bis zum Mai 1945 als es während des Prager Aufstandes (früherer Beitrag hier) von Geschossen getroffen wurde und bis auf die Außenmauer zerstört wurde.

Auch die ab 1948 regierenden Kommunisten sahen ein, dass es einen Bedarf an Wiederaufbau gab, und ab 1952 renovierte der in der Zwischenkriegszeit durch seine avantgardistischen Gebäude bekannt gewordene Architekt  Pavel Janák  (siehe u.a. diesen früheren Beitrag) das Ballhaus. Innen wurde das entkernte Gebäude modernisiert, während die äußere Fassade erhalten blieb. Lediglich die bis dato offenen Bögen zwischen den Halbsäulen wurden verglast, was drinnen Innenräume schuf, die sich glänzend für Empfänge und Ausstellungen eignen. Dass die Verglasungen nicht original sind, bemerkt der Beobachter kaum.

In den Jahren 1971 bis 1973 restaurierten dann in aufwendigster Arbeit die beiden Bildhauer Miroslav Kolář und Dušan Kříčka die Sgraffiti. Sie hielten sich präzise an den originalen Stil und die originalen Vorlagen. Die zeigen Allegorien auf die Naturelemente, Wissenschaften und vor allem die Tugenden (oberhalb rechts die Tugend der Prudentia, d.h. der Klugheit).

Direkt gegenüber der von den von den Kommunisten so oft wie fälschlich für sich reklamierten Tugend der Gerechtgkeit direkt unter dem Dachsims malten bzw. kratzten sie die oben gezeigte pseudoallegorische Figur mit dem in eine Machinenzahnrad eingerahmtes Sowjetsymbol von Hammer und Sichel. Man fragt sich unwillkürlich, ob die beiden Künstler hier Politagitation betrieben oder sich einen augenzwinkernden Scherz mit Ironie erlaubt hatten. Man muss das Symbol auf jeden Fall suchen, bis man es versteckt findet – eine Aufgabe für den Kenner! Es ist in jedem Fall eine solche Kuriosität, das niemand auf die Idee käme, es zu entfernen.

Vor dem Gebäude steht sehr dekorativ die barocke Statue einer Allegorie auf die „Nacht“. Sie ist ein Werk des Bildhauers  Matthias Bernhard Braun, der sie 1734 schuf. Zurecht würde der Kunstkenner einwerfen, dass zu solchen Darstellungen der Nacht es eigentlich immer eine korrespondierende Allegorie auf den Tag geben müsse. Die gab es ursprünglich auch, aber sie wurde schon 1757 bei der Belagerung Prag während des Siebenjährigen Kriegs von den Preußen durch Artilleriebeschuss zerstört. Im Gegensatz zu den Sgraffiti hat man sie jedoch nicht wieder restauriert – weder mit Hammer und Sichel noch ohne dieselben… (DD)

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