
Die Modernität dieser Kirche zeigt sich schon darin, dass sie sich gar nicht als Kirche bezeichnet wird, sondern als bloßes „Haus“. Das ist die Regel bei Gotteshäusern der Tschechoslowakischen (bzw. heute Tschechischen) Hussitischen Kirche (siehe früheren Beitrag hier), die das aktive Gemeindeleben und nicht die Kirchenhierarchie in den Mittelpunkt stellen.

Das gilt auch für das Hus Haus (Husův sbor) in der Dykova 1 in Prag 10, das zugleich Kirche, Kulturzentrum, Kino, Friedhof und soziales Projekt ist. Und der moderne Anspruch wurde hier auch mit ungewohnter Radikalität architektonisch umgesetzt. Gebaut wurde das Gebäude in den Jahren 1932/33. Der Architekt Pavel Janák hatte mit seinem Entwurf seine frühere kubistische Schaffensphase (siehe frühere Beiträge hier und hier) beendet und sich einem kompromisslosen Konstruktivismus verschrieben. Eine funktionalistische Ästhetik, die das Material und seine Formbarkeit in dem Mittelpunkt stellte, prägt das Gebäude. Eine solche Architektur, die damals mit Fortschritt und Freidenkertum verbunden wurde, hatte bis dato so gut wie nie in Gestaltung von Sakralbauten Eingang gefunden (eine Ausnahme in Prag hier).


Das von außen auffäligste Attribut des Gebäudes ist der sehr leicht und offen aus Pfeilern aufgebaute sechsstöckige Turm, dessen ersten drei Stockwerke auf einer metallenen Wendeltreppe erklimmbar sind, und auf dessen Spitze ein 700 Kilogramm schwerer Kelch (das Symbol der hussitischen Kirche) aus Kupfer weithin sichtbar ragt. 35 Meter ist der Turm hoch.

Der Turm steht neben dem quaderförmigen fünfstöckigen Hauptgebäude, in dem sich neben dem Predigtsaal zahlreiche Klub- und Veranstaltungsräumde finden. Eine seitlich angebrachte freie Treppe führt zum Saal. Der Saal für die Gottesdienste ist wie ein Amphitheater aufgebaut, um der Gemeinde die bestmögliche Sicht zu erlauben. Das alles ist geradezu als Gegenentwurf zur kaltholischen Barockarchitektur gedacht. Das verweist auf die Ursprünge der Hussistischen Kirche, die sich als radikalreformistische Srömung in den 1920er Jahren von der Katholischen Kirche abgespaltet hatte.

Eine Besonderheit, die sich häufig in hussitischen Kirchen findet, betritt man vom Erdgeschoss aus. Es ist ein zweistöckiges Kolumbarium (auch Urnenwand genannt; d.h. Aufbewahrungsort für Urnen Verstorbener), dessen Mitte im Untergeschoß von einem Springbrunnen – ein Lebenssymbol, das die christliche Botschaft unterstrechen soll – geschmückt ist.

Im Treppenhaus zum oberen Stock befindet sich ein großes und beeindruckendes Relief des berühmten Art-Déco-Bildhauers Jaroslav Horejc. Es stellt das Jüngste Gericht gemäß Neuem Testament (1. Johannes 3:14) dar: „Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind; denn wir lieben die Brüder. Wer nicht liebt, der bleibt im Tod“. (DD)
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