Nepomuk im Kubistenbogen

IMG_9304

Eigentlich hatte man ja ein schön historisierendes Gebäude vorgesehen, dass sich in stilistischer Harmonie zur barocken Dreifaltigkeitskirche nebenan befindet. Irgendwann IMG_9309im Jahre 1912 überzeugte aber der avantgardistische Jugendstilarchitekt Emil Králíček  die Besitzer des Baugrundstücks, dass es Zeit für einen radikalen Bruch sei. Die Pfarrei, so heißt es, sei nicht begeistert gewesen, dass Králiček nunmehr seine modernistischen Ambitionen quasi vor der Haus- bzw. Kirchentür auslebte. Der Architekt war gerade dabei, den Jugendstil (der ja vielleicht noch barock-kompatibel gewesen wäre) sausen zu lassen, und IMG_9305sich dem aufkommenden Kubismus zu widmen, der mit seiner kantigen und ausgesprochen geometrischen Formensprache geradezu ein ikonoklastisches Kontrastprogramm erster Güte zu den gewundenen Linien der Barockästhetik bot.

IMG_9308Keine Frage, mit dem Diamant Haus (Dům Diamant), in der Spálená 82/4 (Neustadt), gelang dem Architekten tatsächlich ein bemerkenswertes und innovatives Gebäude, das kubistische Kunstgeschichte schrieb.

IMG_9311Die modernen Skulpturen und die hexagonalen (eben diamantenen) Formelemente fallen dem Betrachter in der engen Straße zunächst nicht auf, aber ziehen einen dann doch in den Bann – vor allem wegen ihres Kontrastes zur nachbarlichen Kirche. Den hat IMG_9310Králiček (übrigens der Konstrukteur der einzigen kubistischen Straßenlaterne Prags, siehe früheren Beitrag hier) immerhin dort, wo beide Gebäude dicht aufeinander stoßen, geschickt abgefedert. Die barocke Statue des heiligen Nepomuk, die noch zur Kirche gehört, aber genau zwischen Kirche und Haus steht, wurde in einem kubistischen Bogen mit Gitterverzierungen gestellt, der – wie das große Bild oben zeigt – erstaunlich geschmackvoll zum guten alten Nepomuk passt. Jedenfalls ist das Ganze ein auffälliger Hingucker. (DD)

PS: Nachtrag 27. Dezember 2017: Wenige Tage nachdem ich ihn photographiert hatte, wurde der Nepomuk zwecks Generalüberholung abgebaut. Der Bogen ist jetzt unausgefüllt. Das wird sich, so steht zu hoffen, aber bald wieder ändern.

Hinterlasse einen Kommentar