Vom Kloster zur Psychatrie

Hinter hohen Mauern versteckt sich der hübsche und historisch bedeutsame Park. Dass er heute zum Gelände einer Psychatrischen Klinik gehört, mag zusätzlich für den Besucher eine Hemmschwelle sein, hier einzutreten, um die Schönheit und Ruhe des Ortes zu genießen.

So bleibt es ein Geheimtipp, den an Werktagen geöffneten Katharinengarten (Kateřinská zahrada) am Rande der Neustadt (umgrenzt von den Straßen Apolinářská im Süden, Ke Karlovu im Osten, Kateřinská im Norden und Viničná im Westen) zu besuchen. Ein ummauertes Areal war das Ganze übrigens immer schon und das hatte nichts mit Psychatrie zu tun. Schon 1355 ließ Kaiser Karl IV. an dieser Stelle ein Augustinerkloster samt Kirche der Heiligen Katharina von Alexandria (kostel sv. Kateřiny Alexandrijské) erbauen. Von diesem gotischen Ursprungsbau, der 1420 während der Hussitenkriege niedergebrannt wurde, ist fast nichts mehr zu sehen; ebenso wenig von späteren Um- und Neubauten, die es etwa in den Jahren 1512, 1678 oder 1703 gab.

Erst im Jahre 1718 begann man im großen Stil mit der Wiederbelebung des Klosters, das nun in hochbarocker Pracht völlig neu gebaut wurde. Bis 1730 wurde ein formaler barocker Garten (mit Heilkräutern) angelegt und unter der Leitung des bedeutenden Architekten Franz Maxmilián Kaňka (wir erwähnten ihn u.a. bereits hier und hier) neue Klostergebäude errichtet. Eines dieser Gebäude, in dem sich heute eine Neurologische Klinik (an der Straßenseite der Kateřinská) befindet, ist noch als besonders schönes Beispiel für den Stil des Architekten erhalten und wird mit einer barocken Statue der namengebenden Heiligen Katharina von Alexandrien über dem Eingang geschmückt.

In den Jahren 1737 bis 1741 wurde dann die Kirche völlig neu gebaut, und zwar von dem bedeutenden Prager Barockarchitekten Kilian Ignaz Dientzenhofer, über den wir u.a. schon hier, hier und hier berichteten. Es handelt sich um einen einschiffigen Kirchenbau, der besonders durch seinen Turm auffällt, der im unteren Teil einen quadratischen Grundriss hat, aber oberhalb oktagonal wird (siehe großes Bild oben). Weil er eine entsprechend schlanke und aus der Ferne orientalisch anmutende Gestalt hat, wird er oft augenzwinkernd als Prager Minarett (Pražský minaret) bezeichnet. Und auf halber Höhe darf natürlich nicht die Heilige Katharina fehlen, die dort als Statue in einer barocken Nische steht (Bild links).

Nicht minder originell ist der Eingangsbereich, ein große konkav gebogener Portikus, der von drei halbkreisförmigen Bogenarkaden unterbrochen wird, und auf dem sich ein Balkon befindet. Kein Zweifel: Bei diesem Bau ist Dientzenhofer recht weit von jenen süddeutschen Barockkonventionen abgewichen, die sonst seine Bauwerke in Prag bestimmten. Es ist eines seiner unbekannteren, aber auch originelleren Werke.

Die Südfassade des rechteckigen Baus wird durch eine halbrunde Kapelle aufgelockert. Nun, das schöne Kloserleben hinter den Mauern endete 1783 abrupt. Im Zuge seiner aufklärerischen Kirchenreformen löste Kaiser Joseph II zahlreiche Klöster in Böhmen auf, darunter auch dieses. Im Jahr darauf wurde hier erst ein Armenhaus eingerichtet, dann im Jahre 1822 eine Anstalt für Geisteskranke. Die beherbergte in der Folge recht prominente Insassen. So starb hier 1874 der junge Komponist Vilém Blodek (der die heute nur noch selten gespielte, aber sehr hübsche Oper Studni – Der Brunnen – schuf) nach vier Jahren in der Anstalt im Alter von 39 Jahren. Und der große Nationalkomponist Bedřich Smetana, dem wir u.a. Die Moldau verdanken, endete hier 1884 in geistiger Umnachtung.

Und 1911 wurde hier kein Geringerer als Jaroslav Hašek der Autor der berühmten Osudy dobrého vojáka Švejka za světové války (Die Erlebnisse des guten Soldaten Schwejk im Weltkrieg) eingeliefert. Passanten hatten ihn festgehalten, als er sich anscheinend über die Geländermauer der Karlsbrücke in die Tiefe stürzen wollte. Die verschiedenen Biographen sind sich nicht einig, ob das (a) ein echter Selbstmordversuch war, ob er (b) aus Verzweiflung über das Scheitern seiner Ehe mit Ehefrau Jarmila einen Selbstordversuch simulieren wollte, was später die berúhmte Simulantenszene im Švejk-Roman inspiriert haben soll, oder ob er (c) sich wieder einmal so mit seinen Kumpanen betrunken hatte, dass er sich nur ungeschickt über die Brückenmauer übergeben wollte. Das scheint immer noch eine rege diskutierte Frage zu sein. Auf jeden Fall wurde Hašek schon nach wenigen Tagen wieder entlassen.

Und wie ging es weiter? 1844 wurde der große Komplex des Instituts für Geisteskranke (die heute Psychatrische Klinik heißt) im klassizistischen Stil neu gebaut, die den Garten zur Südseite (Straße Apolinářská) abschließt (Bild links). Die alten barocken Gebäude an der Kateřinská wurden 1847/48 teilweise klassizistisch modernisiert. Die neuen Gebäude fügten sich dabei harmonisch in die verbleibende barocke Architektur ein.

Ebenfalls in dieser Zeit wurde der Garten radikal umgestaltet. Der formale barocke Garten wich einem klassischen Englischen Landschaftsgarten. Der inzwischen alte und beeindruckend gewachsen Baubestand auf dem 2,95 Hektar großen Park ist sehr artenreich – Eiben, Eichen, Rosskastanien, Gingkos, Silberahorne, Linden und andere Baumarten sorgen dafür, dass sich hier gerade für den Sommer eine schattige Ruheoase gebildet hat. Alles ist schön gepflegt. Den Patienten von Psychatrie und Neurologie (beides Abteilungen des großen Allgemeinen Universitätskrankenhauses am Karlsplatz), werden den Blick auf diesen Garten ebenso beruhigend und ansprechend finden, wie die Kenner unter den Pragbesuchern, die ihren Weg hierhin finden. (DD)

Von der Pestkirche zum Kulturzentrum

Als sie hier erbaut wurde, stand sie weitab von Prags Innenstadt. Dort, wo sich heute der dicht bewohnte Stadtteil Žižkov befindet, gab es weites offenes Land mit nur wenigen Dörfern. Und es gab einen Grund, sie fernab vom Treiben der Stadt halten, denn die Kirche der Heiligkreuzerhöhung (kostel Povýšení sv. Kříže) war die Kapelle eines Pestfriedhofs.

Heute steht sie inmitten von großen Wohnblöcken in der Čajkovského 2422/12 auf einem kleinen, etwas eingepferchten Stück Grünfläche – fast so etwas wie eine Ruheoase in der Großstadt. Als sie auf Betreiben des 1716 in den Adelsstand erhobenen Bürgermeisters der Prager Neustadt, Johann Franz Krusius von Krausenberg, in den Jahren 1717 bis 1719 durch einen heute nicht mehr bekannten Architekten im Stil des Hochbarocks erbaut wurde, war gerade die große Pestseuche von 1713 bis 1716, die rund 20.000 Bewohnern Prag das Leben kostete (zur Erinnerung: Die Gesamtbevölkerung der Stadt betrug Ende des 18. Jahrhunderts rund 75.000), vorbeigegangen – wir berichteten u.a. hier. Die Pesttoten sollten wenigstens in einem halbwegs würdigen Umfeld ihr Massengrab auf einem Friedhof finden, denn die kleinen Kirchhöfe im Stadtgebiet hatten gar nicht das Fassungsvermögen.

Das war nicht das letzte Mal, dass Schreckensereignisse hier Massenbegräbnisse notwendig machten. Im Laufe der Belagerung und Besetzung Prags während des Österreichischen Erbfolgekriegs in den Jahren 1741 und 1742 wurden hier noch einmal 6000 bis 7000 gefallene französische Soldaten in Schachtgräbern beerdigt. Bei Bauarbeiten in der Umgebung der Kirche im Jahre 1957 fand man noch unzählige Skelettreste auf dem Gelände. Verwaltet wurde die Kirche in ihrer Zeit als Pestkirche von der Pfarre der Kirche des Hl. Heinrich und der Hl. Kunigunde (Kostel sv. Jindřicha a sv. Kunhuty) in der Neustadt (wir berichteten über sie hier).

Nach dem Krieg von 1742 gab es wenigstens keine Massenbegräbnisse mehr. Der Angriff der Preußen auf Prag im Siebenjährigen Krieg im Jahre 1757 richtete nur kleinere Schäden an. Inzwischen wuchs Žižkov immer mehr und man benötigte eine eigene Pfarrkirche. 1784 wurde die Begräbniskapelle zur eigenständigen Gemeindekirche umgewandelt. Der Friedhof wurde fortan nicht mehr für Begräbnisse genutzt, nicht zuletzt, weil Kaiser Joseph II. in den frühen 1780ern dekretiert hatte, dass die städtischen Kirchhöfe stillgelegt werden sollten – ein Beitrag zur städtischen Hygiene.

Bis 1842 diente die Kirche nun als Gemeindekirche, dann wurde die Gemeinde umstrukturiert und ihre Pfarrkirche zur nahe gelegenen St. Rochus Kirche (wir berichteten darüber hier) verlegt, die übrigens ursprünglich auch als Pestseuchen-Kapelle inmitten eines Pest-Friedhofs entstanden war (nach der Pest von 1680). Die Kirche der Heiligkreuzerhöhung stand nun leer und wurde irgendwann in ein Lagergebäude umgewandelt. Das Interieur wurde in andere Kirchen geschafft, die Stuckausschmückungen verschwanden im Laufe der zweckentfremdeten Nutzung. So ist heute nur noch das Äußere als im originalen Barockstil erkennbar.

Ab 1887 gab es erste Initiativen, das Gebäude zu sanieren, die aber an Geldmangel scheiterten. Erst 1961 wurden durch die Stadtverwaltung konkrete Aufträge für eine Renovierung und Neugestaltung an die Architekten Jaroslav Koreček und Ivo Bílý vergeben. Mit der Realisierung der Pläne begann man dann 1977. Allerdings sollte das Gebäude nicht mehr kirchlichen Zwecken dienen, sondern zu einem Kulturzentrum umgebaut werden. 1984 war man damit fertig und nun diente das Kirchengebäude als Konzertraum oder Saal für wechselnde Ausstellungen. Zudem hatte man einen neuen funktionalistischen Anbau mit kulturell nutzbaren Räumen und einem kleinen Café angebaut. Atrium heißt das Kulturzentrum nun, das von einem gemeinnützigen Verein namens Za Troku (Für Drei) engagiert betreut wird, der von der Stadtregierung Prag 3 ins Lben gerufen und größtenteils finanziert wird. Als gepflegte Kulturstätte wird sie von den Bewohnern der Umgebung (und darüber hinaus) gerne angenommen. Auf dem Dach des Anbaus kann man übrigens eine Kopie eines der skurrilen Babies (miminka) des exzentrischen Bildhauers David Černý (wir berichteten über ihn unter anderem hierhier, und hier) bewundern, die seit dem Jahr 2000 den nahen Fernsehturm Žižkov (Žižkovská televizní věž) schmücken und zu den Wahrzeichen des Stadtteils gehören. (DD)

Jugendstilkirche, auffrischungsbedürftig

Dafür, dass Prag eine der Hauptstädte des Jugendstils ist, gibt es erstaunlich wenige Kirchengebäude dieser Art. Dass sich ein schönes Bespiel, die Kirche der Heiligen Anna (Kostel sv. Anny) in der ​Tovačovského, 1268/6a (Ecke Jeseniova und Ostromečská) im Stadtteil Žižkov, in einem recht pflegebedürftigen Zustand befindet, stimmt daher nicht gerade froh.

Die Kirche wurde 1911 für die örtliche katholische Gemeinde erbaut, und zwar nach den Plänen des Architekten Eduard Sochor (wir stellten ihn schon hier und hier vor), der sich ein wenig auf Sakralbauten (beider Konfessionen!) spezialisiert hatte. Stilistisch handelte es sich bei dem Gebäude um ein Beispiel für eine Ende des 19. Jahrhunderts entstandene, von mystischen Ideen geprägte Sonderform der Beuroner Kunstschule, die Jugendstil mit früheren Sakralkunstrichtungen verband. Das Gebäude wirkt streng geometrisch, wie man es in der Spätphase des Jugendstils liebte und die Fassadenbemalung besteht hauptsächlich aus leicht abstrahierten floralen Motiven. Und, obwohl (insbesondere sichtbar bei den Fenstern) alle architektonischen Elemente im Jugendstil gehalten sind, erweckt das Gebäude mit seinem Schiffen und seinen Türmen den äußeren Eindruck eine mittelalterlichen Landkirche.

Im Jahre 1916 wurde neben der Sakristei nach Plänen des Architekten Antonín Procházka direkt an die Kirche ein Klostergebäude angebaut (Ostromečská 1268/6). Die Mönche des Ordens der Karmeliten, die 1783 durch die Kirchenreformen Kaiser Josephs II. enteignet und vertrieben worden waren, wollten sich nun wieder in Prag ansiedeln. Irgendwie schuf das antireligiöse Klima der Ersten Republik anscheinend keinen guten Nährboden für das Gedeihen der hier von Prior Petr Seul geleiteten Ordensgemeinschaft. Schon 1922 schloss das Kloster schon wieder seine Pforten. Der Plan, das Gebäude dem Dominikanerorden in der Altstadt-Kirche St. Ägidius (Kostel sv. Jiljí), über die wir hier berichteten, scheiterte. Am Ende wurde das Klostergebäude, das bereits sowieso eher wie ein Wohnhaus konstruiert worden war, zum Teil in ein Pfarrhaus umgewandelt und der Rest ohne große Probleme als Wohnungen vermietet.

So ist es noch heute, obwohl die dreischiffige Kirche selbst nun mehr lediglich eine Unter- oder Nebenkirche der Pfarre der ungleich größeren St. Prokop Kirche (Kostel svatého Prokopa) ist, die in der Nähe liegt. Während es in St. Prokop jeden Tag Gottesdienste gibt, findet hier nur der Frühgottesdienst am Sonntag (8 Uhr) statt. Deshalb ist es auch schwer, das Innere zu besichtigen, das interessant sein soll, weil hier Sakralkunst aus älteren aufgelassenen Kirchen (etwa ein Barockaltar der Heiligen Anna) eingebaut wurde. Nun ja, und vielleicht ist die geringe Gottesdienstfrequenz auch ein Indiz für die auch außen doch leider recht sichtbare Vernachlässigung. Der Putz und die teilweise abbröckelnden Malereien bräuchten dringend eine Auffrischung. Die eigentlich recht prachtvolle Kirche wirkt heute ein wenig trübe und vernachlässigt. Was schade ist, bei einem solche feinen Beispiel von Sakralarchitektur des Prager Jugendstils. (DD)

Kapelle im Bollwerk

Der Vyšehrad, die alte Prager Burg im Süden, ist so etwas wie ein geheiligtzetr Ort. Als Sitz des Kollegiatskapitels und durch die große St.-Peter-und-Paul-Basilika (Bazilika sv. Petra a Pavla) zog das Areal geradezu neue Sakralbauten an. Und dazu gehört auch die Kapelle zur Lieben Frau an der Schanze (Kostel Panny Marie Šancovské), in der V Pevnosti 9/3 – ganz nahe an der berühmten romanischen Rotunde des Heiligen Martin (Rotunda sv. Martina).

Ja, die Kapelle ist eindeutig nicht so alt wie die Martins-Rotunde, aber sie steht immerhin dort, wo es schon im späten 13. Jahrhundert eine kleine gotische Kirche gab, die dem heiligen Johannes dem Täufer gewidmet war. Die wurde während der Hussitenkriege zerstört, aber schon im 15. Jahrundert wieder aufgebaut. Ihr Ende nahte 1654, denn nach der Erfahrung der Belagerung Prags durch die Schweden im Jahr 1648 wurde in diesem Jahr bis 1680 der Vyšehrad zu einer modernen Barockfestung mit starken Bollwerken umgebaut. Teile des Innenraums der Kirche blieben teilweise in der Mauer erhalten, der Rest verschwand. Heute gibt es einen (immer verschlossenen ) Eingang hinter der heutigen Kapelle, der theoretisch Zugang böte. Aber immerhin befindet sich daneben eine bronzene Gedenkplakette an die alte Johanneskirche (Bild oberhalb links).

Um 1750 wurde die nunmehr barocke Kapelle der Lieben Frau an der heutigen Stelle erbaut. Dazu entstand 1764 eine Sakristei, die mit der Kapelle durch einen Korridor verbunden war. Beides gibt es aber nicht mehr. Die Marienkapelle sollte als Wallfahrtskapelle fungieren und in ihre Apsis sollte eine schon 1725 entstandene Statue der Heiligen Jungfrau des Schnitzers Simon Thaler aufgestellt werden, die aber schon 1784 in die (damals noch barocke) Peter-und-Pauls-Basilika gebracht wurde, in deren neogotische Nachfolgebau sie heute noch steht. Im gleichen Jahr kamen auch die Kirchenreformen von Kaiser Joseph II., die in einer Säkularisierung (sprich: Enteignung) von Kirchenbesitz mündete. Der Kapelle widerfuhr nun das Schicksal, ein bloßes Lager und Munitionsdepot für die Garnison der Festung zu werden.

1866 endete allerdings auch die Festung als Festung im eigentlichen Sinne. Das Gelände wurde zivil. 1882 beschloss das Kollegiatskapitel der Basilika, die Kapelle durch Kauf in den Schoss der Kirche zurückzubringen. Der sehr energische Domherr Mikuláš Karlach (wir berichteten über ihn) trug dabei die Kosten. Und so konnten schon im Jahr 1883 die Architekten Antonín Baum und Bedřich Münzberger (dem wir unter anderem die große Palacký Brücke über die Moldau verdanken) die Kapelle im neobarocken Stil wieder herrichten. Da sie der Jungfrau Maria gewidmet blieb, prangte nun ein vergoldetes „Ave Maria“ über dem Eingang. Allerdings wurde die ursprüngliche Marienstatue nicht wieder zurückgebracht. Drinnen findet man heute lediglich eine sogenannte Lourdesgrotte. Diese Art von Marienkultstätte ist in dieser „standardisierten“ Form weltweit verbreitet und geht auf das Erscheinen der Jungfrau Maria in einer Grotte nahe des südfranzösischen Ortes Lourdes zurück, von der 1858 Bernadette Soubirous (später zur Heiligen Bernadette befördert) berichtete. Die Marienstatue geht auf den Bildhauer Joseph-Hugues Fabisch, der das Original 1864 nach den Beschreibungen Bernadettes anfertigte.

Die Lourdesgrotte weist das Gebäude weiterhin ganz klassisch als Wallfahrtsort aus. Aber es gibt auch noch richtige Besonderheiten. Etwa die achteckige Laterne (Turm) auf dem Dach mit einem vergoldeten Patriarchenkreuz über einer Krone. Darunter sieht man einen Adler mit Zepter und den zweischwänzigen böhmischen Löwen (wir berichteten hier) mit einem Schwert. Überhaupt ist die Kapelle aufgrund seiner Lage innerhalb der alten Festungsanlage ein originelles Stück Architekur. Ursprünglich hieß sie ürbingens meist Kaple Panny Marie v hradbách (Kapelle zur Lieben Frau am Bollwerk). Als die Festung 1866 aufgehoben wurde und nun Ausflügler auf den Mauern lustwandelten (schöne Aussicht!), bürgerte sich statt Bollwerk der Begriff šance (Schanze) ein, der der Kapelle den heute gängigen Namen gab. Das Wort kann auch „Zufall“ (Chance) bedeuten, woraus man wohl früher gerne ein Wortspiel machte. (DD)

„Kapelle“ mit Überraschungseffekt

Der Karlach Park (Karlachovy Sady) auf dem Vyšehrad ist so etwas wie geweihter Boden. Direkt neben der Basilika St. Peter und Paul gelegen, befindet er sich auf dem Gelände des Kollegiatskapitels. Nähert man sich dort dem kleinen neogotischen Gebäude in der Mitte des Parks, ist man natürlich fest davon überzeugt, dass es sich um eine kleine Kapelle handelt, die den vorbeikommenden Wanderer zum Gebet anhält.

Der Wanderer dürfte, wenn er denn näherkommt, überrascht sein, dass er in diesem Fall eine kleine Wasserpumpe anbeten würde. Man hat sich hier einen kleinen architektonischen Scherz erlaubt. Das Gebäude hat tatsächlich die äußerliche Form einer gotischen Kapelle mit Spitzbögen. Aber drinnen befindet sich eben kein Heiligenbild, sondern ein technisches Gerät. Das steht da mit gutem Grund. Denn der Vyšehrad befindet sich auf der hochgelegenen Pankrác-Ebene, die lange Zeit wegen ihres Wassermangels als schwieriges Siedlungsterrain galt. Aus diesem Grund verschwand wahrscheinlich im frühen 15. Jahrhundert das nahegelegene Dort Krušina.

Zugegeben, als das Kollegiatskapitel im Jahr 1889 die Anlegung des Parkes initierte, der dann 1890-91 fertiggestellt war, gab es schon in Prag so etwas wie eine moderne Wasserversorgung mit neuen Pumpen und Wassertürmen (worüber wir u.a. hier und hier berichteten). Die Umgebung war nun bewohnbarer und verstädterte in der Folge teilweise dramatisch. Aber man kann sich trotzdem vorstellen, dass ein tiefer Brunnen bei der Bewässerung des rund einen Hektar großen Parks, der 1911 nach dem Probst des Vyšehrader Kapitels Mikuláš Karlach benannt wurde und erst seit 1954 für die Öffentlichkeit zugänglich ist, recht nützlich war. Heute wird die Pumpe, die man damals so originell in der Pseudokapelle unterbrachte, generell nicht mehr zu diesem Zweck genutzt. Dort ist sie für den Besucher immerhin noch für einen kleinen Überraschungseffekt gut. (DD)

Brutalistisches Gebetshaus in Eigeninitiative

Direkt neben dem berühmten Malvazinky Friedhof (wo Karel Gott beerdigt ist) in der Peroutkova 2482/57 im Stadtteil Smíchov (Prag 5) liegt dieses auffällige Gotteshaus der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten (Církev adventistů sedmého dne, CASD).

Recht wuchtig wirkt die Architekur im Stile des Brutalismus, der in den 70er und 80er Jahren in Ost und West en vogue war, und für den es in Prag zahlreiche herausragende Beispiele gibt (einige präsentierten wir u.a. hier. hier und hier). Der Schöpfern dieser Bauwerke ging es darum, durch klare Konstruktionen mit rohen Beton und Stahl zu einem authentischen kulturellen Statement zu formen. Gerade in Tschechien wird er oft fälschlich mit der Zeit des Kommunismus verbunden, aber natürlich gab es ihn auch auf der guten Seite des Eisernen Vorhangs.

Erstaunlich ist daher eher die Tatsache, dass man überhaupt solch ein großes Gotteshaus in den Zeiten des staatsbefohlenen Atheismus gebaut hat. Denn das Gebäude wurde in den Jahren 1982 bis 1985 nach den Plänen des Architekten Václav Tříska gebaut. An der Stelle befand sich vorher die Begräbniskapelle des Neuen Jüdische Friedhof in Smíchov (Starý židovský hřbitov na Smíchově). Der Friedhof wurde aber schon seit Jahrzehnten nicht mehr aktiv für Beerdigungen genutzt, weshalb man die Kapelle für überflüssig hielt.Der Friedhof wurde 1990 für die Öffentlichkeit geschlossen, steht aber unter Denkmalschutz. Die Kirche hat extra eine Empore neben der Mauer bauen lassen, die eine Besichtigung von außen ermöglicht.

Die karge Betonstruktur passt vielleicht zum Inhalt. Denn das ist keine Kirche (kostel), sondern dem Selbstverständnis der Siebten-Tags-Adventisten gemäß ein Gebetshaus (modlitebna). Dieses Selbstverständnis erteilt jedwedem ornamentalen Prunk eine Absage. Da die freikirchlichen Adventisten an eine baldige Wiederkunft Christi glauben, wäre so etwas ein unangemessenes und unzeitiges Indiz von Verweltlichung. Wie viele evangelischen Gemeinden verbinden auch die Adventisten ihr Gebetshaus mit dem Anspruch, gleichzeitg kulturelles und soziales Zentrum zu sein. Deshalb wurde ein etwas stilfremdes (im Bild links oberhalb auf der rechten Seite zu sehen) Nebengebäude gebaut, in dem es Pfarramt, Säle und Unterkünfte gibt.

Dafür, dass die Gemeinde sehr aktiv ist, spricht, dass das Gebetshaus – dem ja jede staatliche Unterstützung unter dem Kommunismus versagt war – mit viel Eigeninitiative errichtet wurde. In ihrer Freizeit halfen die Mitglieder damals bei den Bauarbeiten kräftig mit. Sonst wäre ein Gebetshaus dieses Ausmaßes wohl hier nicht entstanden. Zumindest der gesamte Vorplatzbereich ist architektonisch wohl gelungen, was selbst zugeben muss, der sonst mit brutalistischer Architektur wenig anfangen kann. Die weite Treppe und die kantig gefaltete Front, in die geschickt ein kreuzförmiges Fenster integriert wurde, sind durchaus formschön und originell. (DD)

Dominikaner Hof – vorerst keine Brauerei

Als er erbaut wurde, lag das Areal des Dominikaner Hofs (Dominikánský dvůr) im heutigen Stadtteil Braník (Prag 4) definitiv außerhalb Prags – quasi auf dem Lande. Heute ist der 1922 zu Prag eingemeindete Stadtteil, der etwas südlich des Vyšehrad liegt, ein dicht bebautes und eher gesichtslos modernes Viertel. Der alte Hof der Ordensleute in der Jiskrova 44/6, Ecke Branická, wirkt nunmehr wie ein – leider auch noch recht heruntergekommenes – Relikt aus ferner Zeit.

Ein Teil des heutigen Braník gehörte ab Mitte des 16. Jahrhunderts der Prager Altstadt, die es als landwirtschaftliches Gebiet nutzte. Ein anderer Teil wurde durch Kaiser Ferdinand II. 1620 an den Dominikanerorden des altstädtischen Kloster der Kirche St. Ägidius (Kostel sv. Jiljí), die wir bereits hier beschrieben haben, geschenkt. Ferdinand II. war der große Sieger der Schlacht  am Weißen Berg (wir berichteten hier) gewesen, in der die Böhmen ein letztes Mal versucht hatten, ihre Glaubensfreiheit und ihre Unabhängigkeit gegenüber den Habsburgern zu bewahren – vergeblich! Nach der Niederlage setzte eine Rekatholisierung ein, die gleichermaßen auf brutaler Unterdrückung des Protestantismus und auf eine Privilegierung der Kirche setzte, der nun viele Besitztümer zugeteilt wurden. Und dazu gehörte das Stück Land in Braník.

Ab 1625 bauten die Dominikaner auf den Grund einer älteren (daher nicht erhaltenen) Gutsfestung ein Gebäude, das zugleich Wirtschaftsbetrieb war,aber auch als die Vermögensverwaltung des Klosters in der Altstadt und als Residenz genutzt wurde. Im Jahr darauf richtete man – wie es bei Klöstern damals öfters der Fall war – eine Brauerei ein. Die Lage außerhalb der Stadt oder, um es genauer zu sagen, außerhalb der schützenden Stadtmauern erwie sich bald als nachteilig. Als die Schweden 1648 ein letztes Mal versuchten, Prag zu erobern, richteten sie hier große Verwüstungen an, die zunächst notdürftig behoben wurden. Aber je weiter die Zeit fortschritt, hielt man das nicht für genug. 1761 wurde Gebäude im Stil des Hochbarock völlig umgebaut. Der von vier Gebäuden (von den das von der Straße aus nicht sichbare südliche inzwischen nicht mehr existiert) umrahmte Innenhof wurde um einen großen Glockenturm ergänzt. Der wiederum war Teil der Kreuzkapelle, die innen mit prunkvollen Stuckornamenten verziert waren, von denen wohl immerhin ein Teil bis heute überlebt hat. Die Stuckaturen sind nicht für die Öffentlichkeit zugänglich, aber immerhin zeugt noch das große Relief des gekreuzigten Jesus Christus (vor dem ein Mönch kniet) von der einstigen Pracht des Gebäude. Etwas unschön ist es schon, dass es z.Z. von einer durchsichtigen Plastikfolie umhüllt ist, aber das dient wohl dem Erhalt und der Konservierung.

Ein weiteres Relikt aus der Dominikanerzeit kann man mit guten Augen auf der Spitze des Turms erkennen. Als Wetterfahne kann man nämlich einen Hund erkennen, der eine Fackel im Maul trägt. Den findet man auch auf dem Wappen der Dominikaner. Ursprünglich soll es sich um einen Wortwitz gehandelt haben, weil die lateinische Bezeichnung Dominicanes für den Orden sehr wie domini canes klingt, was soviel „Hunde Gottes“ bedeutet. Irgendwann hat man sich das als Lob angesteckt, weil sich die Dominikaner das eine Art Wachhunde für die Reinheit der katholischen Lehre sahen, wozu passt, dass sie 1216 die berüchtigte Inquisition gründeten und betrieben. Auf jeden Fall zeigt der Hund Gottes auch heute noch den Bürgern von Braník die Windrichtung.

Die Dominkaner von St. Ägidius gehörten zu den wenigen Klostergemeinschaften Böhmen, die nicht im Zuge der Kirchenreformen Kaiser Josephs II. Anfang der 1780er Jahre aufgelöst wurden – möglicherweise, weil sie mit dem Hof in Braník und der damit verbundenen Landwirtschaft (alte Karten zeigen noch im späten 19. Jahrhundert ein großen Ackerfeld im Südwesten) als ökonomisch nutzbringend eingestuft wurde (der Kaiser verbot nur „unnütz“ meditative Orden). 1899 verkaufte der Orden Hof und Gelände an einen Brauerverein. Mit der Eröffnung der nahelegenen riesigen Brauerei Braník (pivovar Braník), über die wir bereits hier berichteten, wurd das Ganze aber obsolet, weshalb 1907 das Brauen eingestellt wurde. Es folgte eine Zeit ständiger Besitzer- und Zweckwechsel. Im Südflügel befand sich von 1919 bis zum Abriss 1969 ein Kino, das Eden, wo man in den frühen und mittleren 1960er wohl gerne Winnetou-Filme anschaute, die in der Tschechoslowakei außerordnetlich populär waren. In den anderen Gebäudeteilen gab es einen ständigen Wechsel von Geschäften und Werkstätten. Dem Gebäude kam die unsachgemäße Nutzung, die unsachgemäße bauliche Änderungen mit sich brachte, nicht. Viel historische Substanz wurde zerstört und allmählicher Verfall setzte ein. In den 1950er Jahren wollte man das Ganze sogar abreißen, was nur dadurch verhindert wurde, dass der Staat es 1958 unter Denkmalschutz stellte.

Den schleichenden Verfall, den so viele historische Gebäude unter dem Kommunismus durchleiden mussten, hielt das nicht auf. Nach dem Fall des Kommunismus suchte man nach Möglichkeiten, das Gebäude zu retten und gleichzeitig nutzbar zu machen. 2014 unterzeichnete die Stadtregierung von Prag 4 einen Vertrag mit der Mikrobrauerei Zemský pivovar (Landbrauerei), dass hier eine (in Anknüpfung an die alte Tradition) Brauerei mit Braugaststätte entstehen solle. Die Brauereibetreiber insistieren, dass sie tatsächlich Investitionen in Höhe von Millionen Kronen getätigt hätten, was sie 2017 in einem Ratshearing belegt hätten. Die Stadt behauptete hingegen, dass die Betreiber ihren Vertragsverpflichtungen nicht nachgekommen seinen. Die Betreiber sagten wiederum, dass die Bürokratie der Denkmalschutzbehörden sie an schnellerem Vorgehen gehindert. Eine neue Stadtregierung löste 2019 den Vertrag einseitig auf. Stattdessen plant man nun die Einrichtung einer Waldorfschule für alternative Pädagogik, was möglicherweise den ideologischen Präferenzen der Ratsmehrheit entspricht. Inzwischen haben erste sichtbare Reparaturen am Dach begonnen. Das ist natürlich an sich eine gute Nachricht. Nur schade, dass das Thema Brauerei damit vorerst vom Tisch ist… (DD)

Kapelle mit biedermeierlichen Bildern

Bei Spaziergängen in die Umgebung von Prag stößt man immer wieder auf unzählige kleine Kapellen, wie sie halt in den katholischen Habsburgerlanden dereinst traditioneller Ausdruck von Volksfrömmigkeit waren. Ein künstlerisch etwas herausragendes Beispiel ist die die Kapelle unserer lieben Maria in Zbraslav (Kaplička Panny Marie Zbraslavské).

Es handelt sich um eine kleine Nischenkapelle, die – wie der Name sagt – im südlichen Stadttteil Zbraslav steht, genauer gesagt, in dessen kleinen Ortsteil Baně. Sie liegt etwas abgelegen im Wald (und wird deshalb auch manchmal Waldkapelle genannt) und ist nach wenigen hundert Metern von der Haltestelle Baně (Buslinien 129, 242, 318) über einen kleinen Fußweg den Na Beránku (Zum Lamm) genannten Hügel hinauf erreichbar. Architektonisch ist sie zunächst einmal keine große Besonderheit. Es handelt sich um einen einfachen klassizistischen Bau mit dorischen Pilastern und Dreiecksgiebel. Hübsch, aber so etwas gibt es recht häufig.

Aber hinter der formstrengen Architektur verbirgt sich schöne Malerei. Die Kapelle wurde 1840 hier gebaut, als Klassizismus groß in Mode war. Im Jahre 1871 wurde sie noch einmal kräftig renoviert und in Stand gesetzt. Beide Daten finden sich auf der Treppenstufe vor der Kapelle, wo – damals war im Habsburgerreich Zweisprachigkeit politisch angesagt – in Tschechisch und Deutsch steht: „Uvěř, zde jest stánek milosti! – Glaube, hier ist eine Gnadenstætte“ und dahinter die beiden Jahreszahlen.

Im Innenraum der Kapelle fügte ein unbekannter Künstler farbige und ausgesprochen zierliche Fresken hinzu. Und die sind es, die die Kapelle tatsächlich zu einer Besonderheit machen. Zentral in der Hinterwand der Nische (Bild links) sieht man die der Kapelle den Namen gebende Jungfrau Maria mit dem Jesuskind über Wolken (in denen sich ein strahlendes Kreuz befindet) im Himmel schwebend. Das ist feinster Biedermeierstil, der in jeder Hinsicht zum Entstehungsdatum der Kapelle von 1840 passt. Das sieht man so bei Kapellen in der Gegend dann doch eher selten. Vor allem nicht in der handwerklichen Qualität wie sie hier geboten wird.

An den Seitenwänden ist die Jungfrau Maria jeweils von Darstellungen von sie anbetenden Engelsgestalten eingerahmt. Einer der Engel musiziert mit einem Streichinstrument zur Anpreisung der Jungfrau Maria. Daneben schwebt ein kirchliches Gebäude in den Wolken, das recht eindeutig das nahegelegene Kloster von Zbraslav (heute ein Schloss, über das wir hier berichtet haben) darstellen soll.

Die Engelsgestalt auf der Seitenwand gegenüber trägt ein Blumengebinde in den Händen. Die Fresken wirken ausgesprochen frisch (wie der Name ja besagt). Das liegt daran, dass sie von kompetenter Hand in den Jahren von 2000 bis 2003 restauriert wurden. Die Restaurierung verdankt man dem 2006 verstorbenen Maler und Restaurateur Vladimír Růžička, der nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 lange Zeit im Exil in Deutschland gewirkt hatte, bevor nach dem Ende des Kommunismus wiederkehrte. Er war der Sohn der in Tschechien bekannten Bildhauerin Věra Růžičková-Bejrová. Hier zeigt sich, was gute Restaurationskunst zu leisten vermag. (DD)

Die Spende des Ritters Asinus

Plötzlich und unerwartet steht man vor ihr, der Kirche des Heiligen Pankraz (Kostel svatého Pankráce), die zufälligerweise (?) auch noch im Prager Stadtteil Pancrác steht. Der ist nämlich ziemlich modern überbaut, sodass man überrascht ist, wenn man ein so ganz besonders geschichtsträchtiges Bauwerk sieht.

Eine Kirche an dieser Stelle wurde erstmals 1205 in einer Urkunde erwähnt, in der es heißt, das „ein Ritter namens Asinus“ hier eine Kirche „an einem Ort namens Krušina“ gespendet habe. Krušina war ein kleines Dorf, das aber schon im Hochmittelalter (möglicherweise wegen des chronischen Wassermangels in der Umgebung) zu existieren aufhörte. Das, was da überliefert wurde, konnte in den 1970er Jahren bestätigt werden. Da baute man nämlich die Metrolinie C (rot) und stieß 1976 direkt bei der heutigen Kirche und darunter auf Überreste eines mittelalterlichen Bauwerks, das sich als Fundament einer romanischen Kirche in Rotundenform erwies, die tatsächlich aus der Zeit des Ritters Asinus stammte, der möglicherweise unter seinem Namen litt, denn Asinus ist das lateinische Wort für Esel. Jetzt wurde das Areal sorgfältig von Archäologen untersucht, bevor man mit dem Metrobau weitermachte, der 1978 vollendet wurde. Die Kirche hatte wohl, wie damals üblich, einen eigenen Kirchhof, denn man fand bei den Ausgrabungen auch rund 40 mittelalterliche Gräber.

1420 war ein Schicksaljahr für die alte Kirche. Die Hussitenkriege begannen. Im Herbst tobte hier eine Serie von Gefechten, die als Schlacht bei Vyšehrad in die Geschichte einging, und in der die Hussiten erfolgreich die Kaiser Sigismund folgenden katholischen Invasoren zurückschlugen. Dabei wurde die Kirche, die im 14. Jahrhundert im gotischen Stil (u.a. wurde ein Längsschiff zugefügt) überarbeitet worden war, schwer beschädigt. Wie und warum das geschah, dafür fand man nun bei den Ausgrabungen auch archäologische Indizien. Man fand nämlich etwas nordöstlich der Kirche Reste eines Grabens, der möglicherweile ein Teil der hussitischen Befestigung war und im Kriegsgeschehen eine Rolle spielte. Die Hussiten hatten hier wohl ihre Artillerie aufgebaut.

Die Kirche wurde schnell repariert, aber 1618 kam der nächste Glaubenskrieg, der gleich dreissig Jahre dauerte. In der Endphase 1648 versuchten noch einmal die Schweden Prag einzunehmen. Wieder tobten im Umfeld der Kirche Gefechte, die so heftig waren, dass die Kirche zerstört wurde. Nur Stücke der Grundmauern blieben, in denen immer noch einige Kanonenkugeln aus dem Krieg steckten. Zumindest eine davon kann heute man noch als eine Art schwedisches „Souvenir von 1648“ an der Außenwand der Apsis bewundern (Bild links). Der Jesuitenorden ließ die Kirche schon ab 1650 wieder aufbauen, wobei nun der barocke Stil zum Tragen kam, der die Kirche bis heute auszeichnet.

Schon im 16. Jahrhundert wurde der separate Glockenturm (auch Kampanile genannt) gebaut, der die Kirche optisch zu einer Besonderheit macht. Die Dachkonstruktion wurde um 1700 barockisiert. Im Turm (Bild rechts) wurde eine der ältesten Glocken Prag aufgehängt, ein 350 Kilogramm schweres Meisterwerk des berühmten Glockengießers Bartholomäus von Prag (Bartoloměj Pražský) aus dem Jahre 1505. Im Jahre 1724 wurde die Kirche dem großen Jesuitenkolleg im Klementinum in der Altstadt zugeschlagen. Für eine gewisse Zeit schien nun ein wenig Ruhe in das Kirchenleben hier eingetreten zu sein. Aber eben nur für eine gewisse Zeit….

Denn schon 1757 okkupierten die Preußen unter Friedrich II. im Laufe der Belagerung Prags im Siebenjährigen Krieg die strategisch günstige Anhöhe, auf der die Kirche steht. Die Preußen schafften es nicht, Prag einzunehmen, aber dafür plünderten sie die Kirche aus. Dann, im Jahr 1773 löste die aufgeklärte Kaiserin Maria Theresia (in Übereinstimmung mit einem päpstlichen Beschluss) den Jesuitenorden auf und enteignete ihn. Die Kirche wurde recht rüde säkularisiert und diente teilweise als Schießpulverlager der Armee. Die Zweckentfremdung, die ihre Spuren im Gebäude hinterließ, dauerte bis 1818. Jetzt erst hatte die Leidensgeschichte der Kirche ein Ende.

In den 1860er Jahren wurde der Innenraum der durch die recht grausamen Geschichtsläufe völlig entleerten Kirche im historistischen Stil wieder neu ausgestattet, während man außen eine Renovierung durchführte. Die Kirche fungiert seit Beginn des 20. Jahrhunderts als römisch-katholische Gemeindekirche, allerdings nur als „Zweigstelle“ der Kirche des Heiligen Wenzel (Kostel svatého Václava) – wir berichteten bereits hier – im weiter unten gelegenen Nusle (Prag 4), unter deren Verwaltung sie steht. Der ehemalige Kirchhof wurde 1866 aufgelöst. Aber an der Kirchenwand kann man noch Relikte von Grabdenkmälern aus dem 19. Jahrhundert erkennen.

Durch den Wegfall des Kirchhofs wurde vor dem Kirchengebäude viel Platz geschaffen für eine kleine Grünanlage. Zu dieser Grünanlage gehört auch ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs aus Pankrác. Das Denkmal wurde im Jahre 1921 aufgestellt und wurde durch den Bildhauer Jan Gabriel gestaltet, der im Stadtteil Holešovice eine Steinmetzwerkstatt betrieb. Auf einem vierkantigen Steinsockel, auf dem auf allen vier Seiten die Namen der (recht vielen!) Gefallenen stehen, thront ein bronzener Adler, der wiederum auf einer Weltkugel sitzt. (DD)

Außen schlicht, innen prächtig

Wie groß und prachtvoll die St.-Clemens-Kathdrale (Katedrála sv. Klimenta) an der Karlova 190/1 in der Altstadt ist, erschließt sich nicht unmittelbar, wenn man an der Straßenseite an ihr vorbeigeht.

Die Fassade zu dieser Seite erkennt man auf den ersten Blick nämlich kaum als Kirchenfassade. Die charakteristischen Fenster sind hoch gelegen und daher in der sehr engen Straße kaum wahrzunehmen. Der Eingangsbereich suggeriert einen Kirchenbau, grenzt aber so an die nebenan liegende Salvatorkirche, dass man ihn kaum eigenständig wahrnimmt. Die Schlichtheit der Straßenfassade mag ihren Grund darin haben, dass sie zugleich die Außenmauer eines riesigen, um große Innenhöfe gruppierten Gebäudekomplexes ist. Es handelt sich um das berühmte Klementinum, das 1556 gegründete Jesuiten-Kolleg, das im 17. und 18. Jahrhundert so ausgebaut wurde, dass es seither neben der Burg der größte Baukomplex in ganz Prag ist. Als katholische Bildungs- und Forschungseinrichtung übernahm das Klementinum 1654 sogar mehr oder minder die große Karlsuniversität (unser Bericht hier). Hier gab es eine der größten Bibliotheken in Prag und eine große Sternwarte.

Im Klementinum, dass ja als Jesuiten-Kolleg ein wichtiger Bestandteil der Rekatholiserungsstrategie der Habsburger nach dem Dreissigjährigen Krieg war, wurden auch gleich vier Kirchen eingerichtet, nämlich die Kirche zum Allerheiligsten Salvator (Kostel Nejsvětějšího Salvátora), über die wir schon hier berichteten, die Spiegelkapelle (Zrcadlová kaple; über die wir hier schrieben), die die Kapelle Mariä Himmelfahrt (Kaple Nanebevzetí Panny Marie) und eben die St. Clemens-Kathedrale an der Außenseite des Komplexes an der Karlova, nur wenige Meter von der Karlsbrücke entfernt. Die schlichte einschiffige Struktur des Gebäudes ist vom Innenhof des Klementinums besser zu erkennen, als von der Straße draußen, wie man im Bild rechts sieht. Für eine hochbarocke Kirche wirkt sie immer noch recht schlicht und streng. Mit Ausnahme der korinthischen Pilaster sieht man keine verzierenden Elemente auf der Fassade. Das entsprach wohl dem sehr nüchternen und wissenschaftlichen Geist der jesuitischen Forscher hier.

Nichts destoweniger handelt es sich um einen barocken Prachtbau. Er wurde in den Jahren 1711 bis 1715 nach den Plänen des berühmten Architekten Franz Maxmilián Kaňka durch den Baumeister Giovanni Antonio Lurago erbaut. Dereinst hatte sich hier eine 1227 geweihte Klosterkirche des Dominikanerordens befunden, die allerdings 1420 während der Hussitenkriege zerstört und danach nicht wieder aufgebaut worden war. Die im Zuge der Gegenreformation geplante Gründung des Klementinums bot die Gelegenheit zu einem Neubau. Der äußerlich schmuckeste Teil des Äußeren ist der Eingang mit seiner geschwungenen Fasade und den Torbögen.

Man ist also optisch wenig vorbereitet auf das Innere der Kirche, das sich nämlich in Sachen Prachtentfaltung vor keiner anderen Barockkirche in Prag verstecken muss. Der Chorraum mit seinem langen Schiff verfügt alleine über sechs Seitenaltäre. Die dazugehörigen Skulpturen sind hauptsächlich das Werk des berühmten Bildhauers Matthias Bernhard Braun, dem wir u.a. die Statue der Heiligen Ludmilla auf der Karlsbrücke verdanken. Und dann ist da der große Hauptaltar, dem 1772 das Altarbild des Malers Joseph Kramolín (mit einer Darstellung des Heiligen Klemens) hinzugefügt wurde. Nicht zu vergessen: Die Decke zieren Fresken des Maler Johann Hiebel mit Szenen aus dem Leben des Heiligen Klemens. Es gibt noch unzählige Gründe mehr für einen Besuch der St.-Clemens-Kathedrale…

Den Jesuiten gehört sie allerdings nicht mehr. Die wurden nämlich unter Kaiserin Maria Theresia (gemäß einem Beschluss des Papstes) 1773 aufgelöst, wodurch das Klementinum als Teil der Universität zur säkularen Forschungsstätte wurde. Die Jesuiten wurden 1814 wieder erlaubt, aber das Klementinum bekamen sie nicht wieder. Die drei Kirchen wurden darob „normale“ Gemeindekirchen. Die St.-Clemens-Kathedrale dient seit 1931 als Gebäude der Griechisch-Katholischen Kirche als Gotteshaus – mit einer Unterbrechung von 1950 bis 1969, als sie der Orthodoxen Kirche zugeschlagen worden war. Zumindest von außen merkt man es der Kirche nicht an. Auf dem gusseisernen Torgitter sieht man dort immer noch das mit drei Querbalken versehene Papstkreuz, das von Orden wie eben den Jesuiten verwendet wird, die dem Papst direkt gegenüber verantwortlich sind. Das darf man nicht mit dem zweibalkigen Patriarchenkreuz verwechseln oder – was in diesem Fall leicht passieren könnte – dem orthodoxen Kreuz, das auch die Griechisch-Katholische Kirche verwendet, das zwar dreibalkig ist, bei dem aber der (kürzere) untere Balken geneigt ist. Optisch sind die Jesuiten hier also noch präsent, obwohl sie real seit 1773 verschwunden sind.

Und noch ein Tipp: Wie die beiden anderen Kirchen im Klementinum verfügt auch die St.-Clemens-Kathedrale über eine ausgezeichnete Akkustik, sodass sich ein Besuch eines der vielen Konzerte dort empfiehlt. (DD)