Wallfahrtsort

Am 19. Januar 1969 – vor nunmehr genau 51 Jahren – war der junge Student Jan Palach (früherer Beitrag hier) an den Folgen seiner Selbstverbrennung gestorben, die er drei Tage zuvor auf dem Wenzelsplatz als Fanal gegen die zunehmende Apathie der Menschen nach der brutalen Niederschlagung des Prager Frühlings durch die Truppen des Warschauer Paktes durchgeführt hatte. Die Tat hatte die Menschen in aller Welt berührt und die kommunistischen Machthaber fürchteten zurecht, dass Palach nun zum Märtyrer und zum Symbol jener Freiheit werden würde, die sie den Bürgern gewaltsam vorenthielten.

Selbst vor dem toten Jan Palach schienen sie Angst zu haben. Der war zunächst auf dem großen und zentralen Olšany-Friedhof (früherer Beitrag hier) bestattet worden, und die Behörden glaubten nicht völlig ohne Grund, dass das Grab nun zur Wallfahrtsstätte der freiheitsliebenden Dissidenten und Regimegegner werden würde.

Für das Grab hatte der Bildhauer Olbram Zoubek, der nach dem Ende der Schreckensherrschaft 1989 das Denkmal für die Opfer des Kommunismus auf der Kleinseite gestalten sollte, Zoubek, der übrigens Palach die Totenmaske (hier) abgenommen hatte, schuf eine eindrucksvolle Skulptur für das Grab. Sie zeigt eine Bronzefigur, die an den verbrannten Körpers erinnert, und die auf der flachen Grabplatte liegt. Schon im Juli 1970 demontierten die Machthaber das Grab und ließen die Bronzefigur einschmelzen. 1973 ließen sie Palach gar exhumieren und einäschern. Die Asche beerdigten sie in Všetaty, dem nordböhmischen Wohnort der Eltern Palachs – ein eher abgelegener Ort, der versprach, dass nur wenige „Pilger“ das Grab aufsuchen würden. Um ganz sicher zu gehen, veranlassten sie auch, dass an den Jahrestagen der Selbstverbrennung die Züge aus Prag nicht am dortigen Bahnhof hielten.

1990 – kurz nach der Samtenen Revolution – wurde dieser Spuk und diese Schmach beendet. Palachs Überreste wurden wieder nach Prag an den ursprünglichen Ort zurücküberführt. Die Grabgestaltung von Olbram Zoubek wurde wiederhergestellt. Das Grab, das unweit des Haupteingangs (genauer: einige Meter rechts davon) liegt, ist immer mit Blumen bedeckt. Das, was die Kommunisten verhindern wollten, ist nun doch wahrgeworden – Palachs letzte Ruhestätte ist zu einem kleinen Wallfahrtsort für diejenigen geworden, denen die Freiheit noch etwas bedeutet. (DD)

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