Legionäre im Museum

Die Tschechoslowakischen Legionen im Ersten Weltkrieg, die oft auch nur Tschechische Legionen genannt wurden, weil die Tschechen klar die Szenerie dominierten (frühere Beiträge u.a. hier und hier), sind bis heute so etwas wie der Gründungsmythos der Tschechischen Republik. Unzählige Denkmäler wurden ihnen in Prag errichtet, Straßen und Plätze und sogar eine Moldaubrücke nach ihnen benannt, Theaterstücke über sie aufgeführt und unzählige Bücher über sie publiziert. Man muss sich schon wundern, dass erst jetzt, 2019, ein Museum der Tschechoslowakischen Legionen (Muzeum československých legií) eröffnet wurde.

Es befindet sich ein wenig unauffällig gelegen in der Sokolská 486/33 in der Neustadt. Um es mehr auffallen zu lassen, haben die Betreiber die Fenster der Vorderfront mit dramatischen Bildern im Stile von Action-Comics gestaltet. Geht man hinein, wandelt man durch Sandsäcke und Stacheldraht in die Kellerräume. Man ist schon auf den Grabenkrieg eingestimmt. Damit ist klar, dass der Schwerpunkt des doch recht kleinen Museums nicht auf einer vollständigen Materialsammlung, sondern auf der Didaktik liegt. Ausdrücklich werden Schulklassen beworben.

Was da einem didaktisch nähergebracht wird, ist allerdings interessant. Im Ersten Weltkrieg war ein Bewohner Tschechiens, Mährens oder der Slowakei noch Untertan der Habsburgermonarchie. Folglich wurde erwartet, dass er für die k.u.k. Armee kämpfte. Aber inzwischen war der Wunsch nach nationaler Selbstbestimmung so groß, das dies vielen Soldaten schwer fiel. Geschickt rekrutierten die Entente-Mächte Exiltschechen, Kriegsgefangene oder Überläufer, denen versprochen wurde, dass ihr Kampf zum Ende der habsburgischen Bevormundung führen würde. In Frankreich, Italien und Russland entstanden nach und nach autonome tschechoslowakische Einheiten, die irgendwann zu Legionen wurden und sich an den Kämpfen beteiligten – und dabei gegen ihre früheren „Herren“ kämpften.

In Russland, wo die Kämpfe besonders hart waren, unterzeichneten 1918 die durch die Oktoberrevoltion an die Macht gekommenen Bolschwiki einen Separatfrieden mit den Deutschen, womit die dortige Legion quasi im Vasallenland des Feindes eingeschlossen wurde. Sie bekämpften nun die Bolschewiki, um den Wiedereintritt Russlands in den Krieg zu erzwingen, und als das nach der Niederlage der Weissen Armee nicht mehr viel Sinn ergab, kämpften sie sich den Weg durch ganz Sibirien frei, wo sie zum Teil erst 1920 in Wladiwostok von Alliierten Schiffen evakuiert wurden.

Im Kern war die Legion in Russland – da sie ja nicht mehr dem Zaren unterstellt war – die erste souveräne Institution der neuen Tschechoslowakischen Republik und wurde als solche auch von en Entente-Mächten anerkannt. Und sie hatte ungeheuere militärische Leistungen gegen numerisch überlegene Feinde erbracht. Das schuf ihren Mythos, den auch die feindlich gesonnene Geschichtsschreibung der Kommunisten nach 1948 langfristig nicht verdrängen konnte.

Und nun zu dem Museum, das an diese Ereignisse erinnern will. Das ist klein, aber fein. Es entspricht der multimedia-orientierten Didaktik, die heute „state of the art“ ist. Es wird eine enorme Menge an Photo- und Filmmaterial präsentiert, das man so bisher kaum gesehen hat. Fast alles ist in Tschechisch beschriftet oder kommentiert, aber es gibt einen gut gemachten und ausführlichen Einführungsfilm im kleinen Kinosaal und eine ebenso gut gemachte Einführungsbroschüre in Englisch. Mangelnde Tschechischkenntnisse sind kein Grund, nicht hinzugehen!

Und natürlich gibt es auch eine Sammlung mit Originalstücken. Uniformen, Waffen, Ausrüstung, Auszeichnungen, Dokumente, Tagebücher und vieles mehr, was anschaulicher als jedes Video die harten Zeiten des Ersten Weltkriegs und der Wirren danach verdeutlichen kann. Auch eine Reihe von künstlerischen Arbeiten von entsprechend talentierten Legionären – darunter ein rückblickender Zyklus zur Geschichte der Kämpfe in Russland, sind zu besichtigen (Beispiel Bild rechts). Am beeindruckendsten fand ich persönlich das recht notdürftig produzierte Paar gefütterter Filzstiefel, das wohl dereinst ein Legionär in Russland getragen hat, und das mehr als deutlich veranschaulicht, welche grauenvolle Strapazen sich wohl für den einzelnen Soldaten hinter dem langen Marsch durch das eisige Sibirien verbargen (großes Bild oben).

Da Museum ist noch im Aufbau begriffen, aber schon jetzt kann man sagen, dass der Besuch enorm bildet und gründlich über ein wichtiges Kapitel der Geschichte informiert, das außerhalb Tschechiens kaum je wahrgenommen wird. (DD)

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