Klein, aber bedeutsam

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Er ist der einzige seiner Art, der übrig geblieben ist, der kubistische Kiosk in der Nähe des Hauptbahnhofs an der Bolzanova. Früher gab es wohl mehrere davon. Der Kubismus ist als Architekturstil eine tschechische Besonderheit. In den 1920er Jahren, also der IMG_3535Gründerzeit der Ersten Republik, versuchte man ihn daher als eine Art Nationalstil zu popularisieren (wozu sich ein Kiosk gut eignete). Ein wenig im Widerspruch zum eher funktionalistischen Grundgedanken des Kubismus versuchte man dabei, die typischen geometrisch-rationalen Formelemente zu einem eher traditionalistischen Erscheinungsbild zu arrangieren, das auf böhmische Folklorestile zurückgriff. Diese tschechische Sonderausprägung des Kubismus nennt man Rondokubismus.

Der kleine Kiosk am nördlichen Rande des Vrchlického sady (Vrchlický park) erinnert am ehesten noch den heute im Zoo untergebrachten ehemaligen Flughafengebäuden (siehe früheren Beitrag hier), die ebenfalls aus IMG_3537Holz konstruiert worden waren. Angeblich wurde er von dem Architekten Pavel Janák entworfen, aber ganz genau weiß man das anscheinend nicht, weil die Originalaufzeichnungen verloren gingen. Die geometrischen Formen der Giebel und der Malereien in rot/weiß sind ganz typisch für den Kubismus dieser Zeit.

Obwohl eine leichte Holzkonstruktion, überlebte der Kiosk weitgehend unbeschadet den Krieg und den Kommunismus. In kommunistischer Zeit wurde er immerhin 1958 als Kulturdenkmal IMG_3536registriert und 1981 sogar unter Denkmalschutz gestellt, eine Ehre, die nicht vielen Kiosken zuteil wird. Gut Instand gesetzt wurde er aber nicht. Auch nach der Samtenen Revolution von 1989 ging es zunächst beständig abwärts mit ihm. Eine Wechselstube zog ein und es wurden sogar Breschen in die Wand geschlagen, um Geldautomaten Platz zu verschaffen. 2008 zog die Stadtverwaltung die Notbremse, nahm ein wenig Geld in die Hand und renovierte das Gebäude gründlich. Der Kiosk, der dort zunächst wieder betrieben wurde, hielt sich nicht, so dass heute wieder eine Wechselstube mit (etwas feinfühliger installierten) Geldautomaten zwischen den schmucken Holzwänden residiert. Ansonsten ist es aber wieder ganz in seiner alten kubistischen Pracht auferstanden. So steht es auch heute noch da – als Beweis, dass man kein großer Palast sein muss, um kulturhistorisch bedeutsam zu sein. (DD)

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