Hotel mit Geschichte

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Es hieß nicht immer so und es sah früher auch anders aus: Wie dem auch sei, das Grandhotel Evropa rangiert seit langem unter den historisch bedeutendsten Hotels in Prag. Zentral am Wenzelsplatz gelegen, ragt es schon wegen seines prachtvollen Jugendstils aus der Menge der umliegenden Häuser hervor. Der Jugendstilbau war aber nicht seine ursprüngliche Form. 1872 wurde hier zunächst anstelle einer alten Postkutschenstation IMG_0825nach Entwürfen des Architekten Josef Schulz ein Hotel im Neorenaissancestil erbaut. Schon 1903 bis 1905 wurde das Gebäude aber wieder  grundlegend erneuert. Die Architekten Bedřich Bendelmayer, Alois Dryak, Bohumil Hypšman und Jan Letzel fügten eigentlich zwei Gebäude – eines an der Straßenseite und ein anderes zum Hinterhof – zu einem zusammen und gestalteten das Ganze in jenem geometrischen Jugendstil, der das Bauwerk noch heute auszeichnet und berühmt gemacht hat. Das gilt nicht nur für die Fassade, die symmetrisch strukturiert und mit floralen Mustern ausgeschmückt ist, sondern auch für die Statue auf dem Dach – eine Skulptur mit drei weiblichen Figuren und einem Adler, die um eine große IMG_0823Laterne gruppiert sind und Europa symbolisieren sollen.

Bei seiner Neueröffnung 1905 war das Hotel noch nach Stephan, Erzherzog von Österreich, benannt. Das änderte sich als 1924 der Gastronom Karel Šroubek das Hotel erwarb und es konsequenterweise auf den Namen Hotel Šroubek taufte. In der Zeit der Ersten Republik wurde es zu dem mondänen Luxushotel schlechthin. Stars und Prominente aus aller Welt gingen hier ein und aus. Franz Kafka hielt hier Lesungen.

IMG_0826Mit Glanz und Glamour war es natürlich in den Tagen des Kommunismus nach dem Zweiten Weltkrieg vorbei. 1951 wurde das Hotel verstaatlicht und erlebte einen Niedergang. Als es 1989 restituiert wurde, war es schon recht heruntergekommen, der Betrieb lief aber noch eine Weile weiter. Gerne wurde das Hotel in dieser Zeit als Filmkulisse verwendet – etwa für den Film Mission Impossible aus dem Jahr 1996. Im Jahre 2016 wurde das Hotel von der österreichischen Julius-Meinl-Gruppe gekauft, die zurzeit umfangreiche Modernisierungsarbeiten durchführt, die die Unterkunftskapazität und die technischen Standards verbessern und einen Konferenzbereich hinzufügen sollen. Bis 2020 soll es nun wegen des Umbaus geschlossen sein.

IMG_0828In nicht ferner Zukunft wird es also wieder in neuem Glanz erstehen. Seine große Vergangenheit kann man dem Hotel sowieso nicht mehr nehmen. Dazu gehört auch, dass von hier aus der britische Unternehmer und Philanthrop Nicholas Winton 1939 seine Rettungsaktion für über 600 tschechische Kinder jüdischer Herkunft organisierte, denen er mit viel Geschick und Kosten die Flucht nach England ermöglichte und sie damit vor dem sicheren Tod in den Nazi-Konzentrationslagern bewahrte. Von dieser Heldentat erfuhr die Welt erst 1988 durch Zufall, weil er aus Bescheidenheit nie den Ruhm dafür einstreichen wollte. Er sei doch nur „am richtigen Ort zur richtigen Zeit gewesen“, meinte er kurz vor seinem Tod 2015 im stolzen Alter von 106 Jahren. Dieser Ort war eben das Grand Hotel Evropa – ein großes Hotel mit großer Geschichte. (DD)

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