Vater der Nation – finster blickend

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Er gilt den Tschechen als der „Vater der Nation“: František Palacký (1798-1876). Der Historiker und Staatsmann hatte 1848, während der Revolution sein historisches Monumentalwerk „Geschichte des tschechischen Volkes in Böhmen und Mähren“ veröffentlicht, in dem er die kulturelle Eigenheit und den Selbstbestimmungswillen der Tschechen in den Mittelpunkt stellte. Um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen, lehnte er eine Mitgliedschaft in der Paulskirchenversammlung ab, mit der Begründung, er teile deren liberale Ziele, müsse aber dem deutschen Nationalismus eine Absage erteilen, der den Tschechen mehr Autonomie versage. img_3497Politisch blieb er gemäßigt und versuchte als Abgeordneter des Österreichischen Herrenhauses und des böhmischen Landtags lange Zeit, ganz pragmatisch die österreichischen Habsburger zu Zugeständnissen in Sachen größerer Selbstverwaltung zu bringen. Das funktionierte nicht, weil die Habsburger schlichtweg stur blieben und ihren böhmischen Untertanen wenig Freiheit gönnten. Nach 1867 radikalisierte sich darob seine Position und er begann mit eher panslawistisch ausgerichteten Kräften zusammenzuarbeiten. Für die Tschechoslowakische Republik, die 1918 gegründet wurde, blieb er so etwas wie der ideologische Säulenheilige der Unabhängigkeit. Seine Verehrung in Tschechien als liberalem Nationalisten hält bis heute an.

img_34961912 errichtete man ihm auf einem nach ihm benannten Platz ein pompöses Denkmal. Das Ganze ist überladen mit allegorischen Darstellungen über die siegende Heimat, die Kraft der Geschichte, die nationale Religion (Hussitentum), also die Dinge, die Palacký am Herzen lagen. Der Künstler des satte 9 Meter hohen Denkmals, der Bildhauer Stanislav Sucharda, schwelgte geradezu in tiefgründigem Symbolismus. Auf jeden Fall gibt es viel zu entdecken, wenn man sich das Denkmal näher anschaut.

Und hier sitzt der gute Palacký nun mit ernstem, wenn nicht gar etwas finsterem Blick – so als ob ihm inmitten all der symbolischen Fabelwesen etwas unwohl wäre. Immerhin kann er sich damit trösten, dass er eine schöne Aussicht auf die Moldau genießen darf. (DD)

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