Meisterwerk der Moderne

Schon das Eingangsportal des Gebäudes vermittelt den Eindruck, dass hier die Architekten etwas neues und unkonventionelles erschaffen wollten. Und in der Tat steht das Gebäude der Allgemeinen Rentenanstalt (Všeobecný penzijní ústav) am Rašínovo nábřeží (Rašín Ufer) 390/42 am Ufer der Moldau in der Neustadt am Anfang der „Moderne“ der Prager Architektur.

Zwischen 1905 und 1910 wurde der hiesige Teil des Ufers, das bisher ein eher verarmtes Viertel war, indem hauptsächlich Flößer und Fischer wohnten (wir berichteten hier und hier) gentrifiziert, wie man es heute ausdrücken würde. An der Stelle sollte nun ein monumentals Verwaltungsgebäude für die Rentenanstalt entstehen. Da es damals bei der Ausschreibung für die Vergabe von öffentlichen Bauauträgen oft zu Rivalitäten zwischen Tschechen und Deutsch-Böhmen kann, vergab die Rentenanstalt in salomonischer Weise den Planungsauftrag an zwei Architekten: Den Deutsch-Böhmen Josef Zasche (wir erwähnten in u.a. hier und hier) und den allgemein als „Vater der Moderne“ apostrophierten Tschechen Jan Kotěra (wir berichteten über ihn u.a. hier, hier, hier und hier). Die beiden hatten auch schon öfters zusammengearbeitet und waren sogar gemeinsam zur Schule gegangen.

Zwischen 1913 und 1914 fanden die Bauarbeiten des fünfstöckigen Gebäudes statt. Zasche kümmerte sich um Struktur und Grundrissteile, Kotěra wiederum die Fassade. Die bei einem Gebäude der Größenordnung nicht langweilig erscheinen zu lassen, ist ein Kunst. Kotěra schaffte dies souverän – durch geometrisch durchdachtes Netz aus Säulen, Balkone mit kubistischen Metallgeländern, mehrgeschossigen Erkern, einem regelmäßigen Raster aus Fensteröffnungen unterschiedlicher Größe und Tiefe, die besonders den Rizalt betonen. Zu dem gehört auch der extrem wuchtige Eingangsbereich, dessen massive Struktur mit grob angedeuteten kubistischen Elementen aufgelockert wird.

Die beiden Seiteneingänge den linken sieht man hier im Bild) sind ebenfalls angedeutet kubistisch, aber mit weniger Dekorationen, um deren massive Wirkung zu verstärken.

Die Rentenanstalt blieb in diesem Gebäude bis 1951, danach zog sie in funktionalistische  Dům Radost (wir berichteten hier) im Stadtteil Žižkov. Heute befindet sich hier das dem Finanzministerium untergeordnete Amt für staatliche Vertretung in Vermögensangelegenheiten (Úřad pro zastupování státu ve věcech majetkových). Dass dieses Gebäude, das von manchen Architekturkritikern als eines der bedeutendsten Bauwerke Prag zwischen 1910 und 1920 bezeichnet wird, seit 1958 unter Denkmalsschutz steht, versteht sich von selbst. (DD)

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