Sprachlehrer der Tschechen

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Bei der Suche nach der nationalen Identität fängt man am besten mit der Sprache an. Deshalb ist auch einer der ganz Großen der tschechischen Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts kein Staatsmann oder Barrikadenkämpfer, sondern ein Sprachwissenschaftler: IMG_1460Josef Jungmann (1773-1847). Unzählige Plätze, und Straßen im ganzen Land sind nach ihm benannt. Sein prominentestes Denkmal steht an einem der belebtesten und kulturreichsten Plätzen in Prag.

Zugegeben: Er hatte auch einige eher historisch-politische Texte geschrieben, in denen er einen liberalen romatischen Nationalismus verfocht, der für eine größere Eigenständigkeit der IMG_1445Tschechen im Habsburgerreich stand. Sein großes Anliegen war, das durch die deutsche Amtssprache überlagerte und fast im Schwinden begriffene und zur „Bauernsprache“ degradierten Tschechisch zu popularisieren und in eine moderne Schriftsprache zu verwandeln. Dieses Anliegen teilte er mit seinem Lehrer Josef Dobrovský, wobei er noch konsequenter war und viele seiner Abhandlungen gar nicht erst in der „offiziellen“ wissenschaftlichen Universitätssprache – Deutsch – schrieb, sondern meist gleich in Tschechisch. Fünf Bände umfasste sein bedeutendstes Werk, das Tschechisch-Deutsche Wörterbuch, das in den Jahren 1834–39 erschien. Die darin betriebene Systematisierung des tschechischen Sprache griff im wesentlichen auf den Sprachduktus der Zeit der Hussiten IMG_1468und der Reformation (und deren Texte) zurück, die im damaligen Geschichtsbild als die Geburtsära der tschechischen Nation galten – ein wenig so wie das Deutsche auf Luther und seine Zeit zurückgeht. Im Kern ist die heutige tschechische Sprache das Werk Jungmanns.

Womit wir zu seinem Denkmal kommen, das passenderweise am Jungmann-Platz neben der Kirche St. Maria Schnee (früherer Beitrag hier) liegt und in den (ebenfalls passenderweise) die Jungmann-Straße mündet. Das Denkmal wurde 1878 errichtet und eingeweiht. IMG_1444Die imposante Statue ist ein Werk des Bildhauers Ludvík Šimek (1837–1886), der Sockel wiederum wurde von dem Neorenaissance-Architekten Antonín Viktor Barvitius (1823–1901) gestaltet. Ganz in der Nähe, in der heutigen Jungmannova 749/32, hatte Jungmann die letzten Jahre bis zu seinem Tod gelebt.

Eine kleine Ironie der Geschichte: Das Denkmal Jungmanns, der so gegen die sprachliche (und politische) Dominanz der habsburgischen Österreicher ankämpfte, steht vor einem schönen gelben klassizistischen Gebäude (gut sichtbar mit der österreichischen Flagge im großen Bild oben), in dem sich heute ausgechnet das Österreichische Kulturzentrum befindet. (DD)

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