Karlach hatte schon früh großes Organisationstalent bewiesen, bevor er 1871 Domherr auf dem Vyšehrad. Er hatte Krankenhäuser bauen lassen, Aufforstungsprogramme und Fluthilfen organisiert Und vieles mehr. Als Domherr und dann ab 1902 als Probst legte er einen dynamischen Veränderungseifer an den Tag, der das Kirchenareal grundlegend verbessern sollte. Er vergrößerte den Nationalfriedhof, ließ an Stelle der kleinen Barockkirche die große neogotische Basilika St. Peter und Paul (1903) vollenden. Er baute eine Druckerei auf und gab wichtige katholische Zeitschriften heraus. Er schaltete sich in die Politik ein und wurde Stadtrat (wo er sich für die Fusion des Vyšehrad mit Prag einsetzte) und sogar Abgeordneter des Landtags. Schon als Domherr war er auch Banker geworden, als Gründer und Vorstand der Heiligen Wenzels Sparkasse (Svatováclavská záložna), einer Kreditgenossenschaft, deren Pleite und Streichung aus dem Handelsregister (1910) sein Image (aber nur für eine kurze Weile) ankratzte. Es kann aber schließlich nicht alles gelingen.
Und auf dem Vyšehrad hinterließ er aber auch noch eine bleibende Spur. In den Jahren 1890-91 ließ er neben Basilika und Nationalfriedhof einen großen Park mit schönem Baumbestand anlegen. Als Karlach 1911 starb, benannte man ihn umgehend in Karlach Park (Karlachovy Sady) um. Er ist allerdings erst seit 1954 für die Öffentlichkeit zugänglich und wird seither von Ausflüglern auf dem Vyšehrad gerne angenommen. Als sich das 100. Jubiläum der Einweihung der von ihm initierten neogotischen Basilika näherte, wollte man ihn hier noch einmal richtig ehren, und zwar mit einem Denkmal.
Dazu beauftragte man den Bildhauer Pavel Malovaný. Der machte sich ans Werk und schon im Juni 2000 konnte Erzbischof Miloslav Kardinal Vlk von Prag den Grundstein segnen. Und rechtzeitig zum Basiliken-Jubiläum wurde dann das Denkmal für Karlach in Anwesenheit des damaligen tschechischen Präsidenten Václav Klaus am 29. Juni 2003 enthüllt. Die Denkmalstatue zeigt Karlach in leicht abstrahierter Form und konzentriert sich auf das wesentliche am Charakter des Probstes. Man sieht Karlach im Priestergewandt und mit Birett auf dem Kopf eilig und recht dynamisch in Richtung jener Basilika streben, der er erbauen ließ – anscheinend mit den Bauplänen in der Hand. Das ist ein fast schon augenzwinkerndes Kompliment an einen Menschen, der unermüdlich viel bewirken wollte und viel bewirkt hat. (DD)
Braust ein Feuerwehrwagen mit Sirene an einem vorbei, dann wird der Ton (der tatsächlich gleich bleibt) beim Herannahen als höher wahrgenommen als nach dem Vorbeifahren. Wiiiiieeeoouuuu! Das ist der sogenannte Doppler-Effekt. Erstmals erforscht hat ihn Christian Andreas Doppler, der heute vor 170 Jahren starb. Und der hatte seit 1835 in Prag gelehrt und gewirkt. Deshalb hat man auch stolz an dem Haus in der U obecního dvora 799/7 eine Gedenktafel zu seinen Ehren angebracht – und damit indirekt auch zu Ehren des damals in Blüte befindlichen Wissenschaftsstandorts Prag.
1835 wurde der gebürtige Salzburger, der sich bereits zuvor einen wissenschaftlichen Ruf erworben hatte, Professor für Arithmetik, Algebra und Geometrie an der Ständischen Realschule in Prag und lehrte kurz darauf im Polytechnischen Institut. 1840 wurde er in die renommierte Königliche Böhmische Gesellschaft der Wissenschaften (der Vorläuferin der heutigen Akademie der Wissenschaften) berufen und dann, zwei Jahre später veröffentliche er das Werk, das ihn berühmt machen sollte: Über das farbige Licht der Doppelsterne und und einiger anderer Gestirne des Himmels. Das ist das Buch, in dem er die Theorie des Doppler-Effekts darlegte. Nun fragt sich der heutige Laie: Da geht es doch gar nicht um hohe und tiefe Töne bei schnell vorbesausenden Fahrzeugen (oder gar Flugzeugen), sondern um Licht bei Sternen. Für uns heute ist der Doppler-Effekte im Sinne eines akustischen Phänomens etwas leicht Erkennbares und wird eigentlich als etwas Normales aus der Alltagswahrnehmung empfunden. Man fragt sich, warum das nicht Dopplers Zugang zu dem nach ihm benannten Effekt war. Aber so schnelle Fortbewegungsmittel gab es 1842 nicht und somit handelte es sich für Doppler und seine Zeitgenossen nicht um eine gewöhnliche Alltagserfahrung. Bei astronomischen Studien hatte Doppler hingegen beobachtet, dass die stellaren Bewegungen die Lichtwellen irgendwie ähnliche Verschiebungen durchmachen (Blau-Rot-Töne). Das wurde bald mit gutem Grund bezweifelt, weil Sterne dafür zu langsam seien, aber die die Erfindung der Dampflok – das erste hinreichend schnelle Fahrzeug – ermöglichte ihm später, den nun zu Recht Doppler-Effekt genannten Effekt zu belegen.
Doppler konnte nun immer noch wissenschaftlich gültige Formeln entwickeln, wie bei hoher Gschwindigkeit die Schallwellen hinter dem sich bewegenden Objekt gedehnt und vor dem Objekt gestaucht werden, was den Tonhöhenunterschied hervorruft. Ob er gewusst hat, was er damit den Autofahrern antat? Denn aufgrund dieser Erkenntnis wurden für die Polizei jene Geräte für die Geschwindigkeitsmessung entwickelt, die dem Fahrer, der gerade so richtig Lust am Fahren bekommen hat, selbige wieder verderben. Wie dem auch sei: Der große Wissenschaftler fand 1848 die um ihn herum tobende Revolution irgendwie beunruhigend und ging wieder nach Österreich zurück, wo er umgehend zum Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften berufen wurde. 1850 wurde er Erster Direktor des Physikalischen Institutes an der Universität Wien, wo er Experimenatlphysik lehrte.Der international anerkannte und mit akademischen Ehren überhäufte Wissenschaftler stand auf dem Höhepunkt seiner Karriere.Dann, 1852, entwickelte er eine starke Lungenkrankheit. Wegen des günstigen Klimas fuhr er mit seiner Frau nach Venedig (damals zum österreichischen Kaiserreich gehörend), was aber am Ende nicht half. Am 17. März 1853 – heute vor 170 Jahren – starb er.
Dass das Werk, das ihn im übertragenen Sinne unsterblich sollte, in Prag entstanden war, ist unbezweifelbar. Und deshalb findet man an etlichen Orten Gedenktafeln. Die oben im großen Bild gezeigte Bronzetafel in der U obecního dvora 799/7 wurde im Jahr 2006 hier angebracht und ist das Werk der bekannten akademischen Bildhauerin Ellen Jilemnická. Unter dem Portraitrelief stehen auf Tschechisch und Deutsch die Worte: “ Von 1843-1847 wohnte in diesem Haus der Mathematiker und Physiker Christian Doppler * 1803 Salzburg † 1853 Venedig.“. Bei dem Haus, in er wohnte und an dem sich die Tafel befindet handelt es sich ein zweistöckiges Wohnhaus mit Mansarde im spätbarocken Stil aus dem Jahr 1779, das 1805 noch einmal vor allem innen ein wenig klassizistisch überarbeitet wurde, und das sich an der Stelle eines früheren mittelalterlichen Gebäudes befindet, von dem es noch Überbleibsel im Keller gibt. Auffallend sind die putzigen Maskaronen (Fratzengesichter) aus der Barockzeit über den Torbögen des Erdgeschosses (bild links).
Die Tafel am Haus wurde für künstlerisch so gelungen erachtet, dass im Jahr darauf am Christian Doppler Gymnasium (Gymnázium Christiana Dopplera) auf der Kleinseite (Zborovská 621/45 in Prag 5) eine neu gegossene Kopie angebracht wurde. Das Gymnasium, das nach vielen historisch begründeten Umbenennungen (zwischen 1953 und 1990 trug es sogar den Namen des Erzkommunisten und ersten Präsidenten der „DDR“ Wilhelm Pieck) 1999 nach Doppler benannt worden war, befindet sich in einem historistischen Gebäude aus dem Jahre 1896. Die Umbenennung geschah auf Initiative von Zdeněk Kluiber, der von 1990 bis 2004 Rektor der Schule war, und der als international renommierter Physikpädagoge das Gymansium stark in eine naturwissenschaftliche Ausrichtung prägte. Einen besseren Namenspartron als Doppler hätte er kaum finden können. Hier im Bild rechts die Außenansicht des Gymnasiums. Die Tafel ist leider drinnen und nicht so einfach zugänglich. Aber man weiß ja, wie sie aussieht, nämlich genau wie die in der U obecního dvora, deren Kopie sie ja ist.
Und dann gibt es noch ein Tafel zu Ehren Dopplers. In der U obecního dvora wohnte er ja erst ab 1843, aber in Prag lebte und wirkte er ja bereits ab 1835. In der Zwischenzeit wohnte er in einem Haus am nördlichen Ende des Karlsplatzes. Das wurde allerdings zu Beginn des 20. Jahrhunderts abgerissen, um dem heutigen Amtsgericht (Městský soud) der Neustadt – direkt an das Rathaus angebaut – Platz zu machen. Aber Doppler wollte man dabei nicht dem Vergessen anheimfallen lassen. Und wurde mit der Fertigstellung des historistischen Gebäudes 1903 auch eine Gedenktafel an der Fassade des Karlovo náměstí 6/20 angebracht, die aus weißem Marmor angefertigt wurde.Der ausführliche Text wurde sogar in vergoldeten Lettern verfasst: „In dem Haus Nr. 4-II, das an dieser Stelle stand, lebte und forschte, bevor er sein weltberühmtes Prinzip (1842) an der Technischen Universität veröffentlichte, auf dem die heutige Astrophysik basiert, der renommierte Gelehrte Kristian Doppler, Professor für Mathematik und praktische Geometrie. Er wurde 1803 in Salzburg geboren. Er starb 1854 in Venedig.“ Der Text ist übrigens ausschließlich in Tschechisch gehalten; sogar der Vorname wurde von Christian zu Kristian und der Geburtsort Salzburg in Solnohrad eintschechisiert. Darauf hat man bei der neuen Tafel in der U obecního dvora 2006 verzichtet.
Wo wir schon einmal beim Namen sind. Das gibt die Gelegenheit zu etlichen Korrekturen und zur Beseitigung von Missverständnissen. Die Schöpferin der Tafel von 2006 hat klugerweise und im Kern auch korrekt Doppler als Christian Doppler bezeichnet und den Mittelnamen (Andreas!) ausgelassen. In etlichen Darstellungen finden wir Doppler nämlich als Christian Johann Doppler. So hat ihn wohl ohne böse Absicht Dopplers deutscher Astronomenkollege Julius Scheiner in seinem bekanntesten Werk Die Photographie der Gestirne von 1897 genannt, was sich irgendwie bis heute festgesetzt hat, aber inkorrekt ist: Christian Andreas Doppler hieß er! Zudem kursiert in manchen Websites (etwa hier und hier), dass Ellen Jilemnickás Tafel von 2006 am Gebäude in der U obecního dvora 798/5 angebracht sei, also dem unmittelbaren Nachbarhaus. Das hat sich dann auf die Mehrheit der entsprechenden Websites übertragen. Es ist also definitiv Haus 799/7. Die Verwirrung wird komplett, weil man an Haus 798/5 eine Tafel zu Ehren des böhmischen Malers Josef Mánes angebracht hat, der in diesem Haus 1820 geboren wurde. Auf der Bronzetafel steht aber, dass er sich aber in 799/7 gebar – also dem Haus, in dem Doppler wohnte. Was falsch ist. Aber wenn erst einmal die falsche Ziffer in Metall gegossen ist, lässt sich das nicht mehr ändern.
Also noch einmal: Mánes wurde in Nr. 798/5 geboren – was immer auch auf der Tafel steht. Doppler lebte in Nr. 799/7 – was immer auch im Internet steht. Und sein Mittelname war Andreas. Jetzt ist alles richtiggestellt. Und man kann sich wieder in Ruhe daran erinnern, dass dies heute der Todestag eines der ganz großen Wissenschaftler ist, die in Prag wirkten. (DD)
Zum heutigen Weltfrauentag präsentieren wir heute eine große Heldin des Alltags: Denn selbst in Berufen, die man heute fast schon als Frauendomäne ansieht, mussten sich Frauen dereinst ihre Stellung mühsam erkämpfen. Dazu benötigten sie besonders viel Talent und Willensstärke. Man kann es heute kaum glauben, dass selbst in einem damals sehr fortschrittlichen Land wie der Ersten Tschechoslowakischen Republik erst 1937 erstmals eine Oberschwester für ein Krankenhaus berufen wurde, die sich als große Pionierin des Pflegewesens erweisen sollte.
Kein Zweifel: Jarmila Roušarová war eine Kämpferin für ihre Sache. Leicht wurde es ihr nicht gemacht, denn sie wuchs früh als Waisenkind auf und musste bereits als Minderjährige in einem Kaufhaus arbeiten. Als sie volljährig wurde, beschloss sie 1922 in einer Krankenpflegerschule eine Lehre zu machen, um dann ab 1924 in einer Krankenstation zu arbeiten. Anderen Menschen zu helfen, sah sie als ihre Berufung. Sie arbeitete erst am Allgemeinen Fakultätskrankenhaus in Prag, dann schon im Bulovka-Krankenhaus, wo ihr Talent erkannt wurde, so dass 1928 das Rote Kreuz sie zwecks Förderung zu einem einjährigen Studium an das Beford College in London (Public Health) schickte. Sie avancierte zur Ausbilderin an der Staatlichen Masaryk Schule für Gesundheit und Sozialhilfe (Masarykova státní škola zdravotní a sociální péče), einer hochmodernen Institution, die mit Hilfe der amerikanischen Rockefeller Foundation finanziert, und Gesundheitspflege mit sozialer Betreuung kombinieren sollte – ein Avantgardeprojekt damals! Und Sie wurde bald mit höheren Aufgaben betreut. Sie leistete wesentliche Beiträge zur Gründung von Krankenpflegeschulen in Brünn (1937) und Ostrava (1939). 1937 trat sie in das Prager Fakultäts-Krankenhaus Bulovka (das erwähnten wir bereits hier) ein, das damals mit 1200 Betten zu den größten des Landes war, und wo sie als erste Frau die Position eines diplomierten Oberpflegers bekam, was bei Frauen umgangssprachlich Oberschwester heißt. Das klingt nicht so recht bedeutsam. Der Ausdruck in deutscher Amtssprache ist zwar dröge, aber zutreffend Fachkraft für Leitungsaufgaben in der Pflege. Es handelt sich in der Tat um einen hohen Managementposten. Den hatte Roušarová – und das war ihre große Leistung – zugleich erstmals mit einer klaren Berufsbeschreibung definiert und mit modernen Managementregeln unterlegt. Es war ein kleiner Meilenstein der Professionalisierung des Krankenhauswesens, den man nicht unterschätzen darf!
Während der Nazizeit wurde sie wieder zur Krankenschwester zurückgestuft, aber mit der Rückkehr der Demokratie kamen neue Chance. 1946 wurden in Prag zugleich die Eine Krankenpflegeschule und eine Höhere Krankenpflegeschule gegründet, die als fortschrittlichste Institutionen ihrer Art galten. Roušarová wurde zur Direktorin beider Institutionen und trug dazu bei, dass eine Professionalisierung und Diplomausbildungsgänge im Gesundheitswesen die Regel wurden. Die Kommunisten setzten sie 1950 ab und formal arbeitete sie wieder als bloße Krankenschwester, was sie auch mit Hingabe tat. Aber sie wollte mehr für das Gesundheitswesen leisten und widmete sich bis zu ihrem Tod 1979 nebenbei mit beträchtlicher Anerkennung der wissenschaftlichen Arbeit durch Publikationen zur Reform des Gesundheits- und Pflegewesens. Am Ende konnten selbst die Kommunisten nicht umhin, sie anzuerkennen. 1960 verlieh man ihr den Titel Verdiente Arbeiterin im Gesundheitswesen (zasloužilá pracovnice ve zdravotnictví). Immerhin. Eine Ehrung ist inzwischen hinzugekommen. Seit 2013 gibt im Foyer des Eingangsgebäudes (Bild rechts oberhalb) zum Krankenhauskomplex der Bulovka (Prag-Libeň, Budínova 67/2), wo sie einst Oberschwester wurde, eine Gedenktafel mit einem Portraitrelief, unter dem die Inschrift (in deutscher Übersetzung) steht: „Jarmila Roušarová, diplomierte Krankenschwester, 1900 – 1979, im November 1925 begann sie im Krankenhaus zu arbeiten und leistete später als erste zivile Oberschwester einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der Krankenpflege. “ (DD)
Die Tschechen pflegen eine hohe Bierkultur. Und deshalb ehren sie auch ihre Brauer. Und wenn nicht Franz Andreas Paupie (in Tschechisch František Ondřej Poupě geannt), wen dann? Und so findet man in der Prager Altsatdt am Haus in der Martinská 360/2 (Ecke Na Perštýně) auf Höhe des ersten Stocks denn auch in der Tat eine große Gedenktafel, die ihm zugewidmet ist.
Eigentlich war er hier nur ganz kurz wohnhaft, nämlich von 1793 bis 1794. Nachdem er einige praktische Erfahrungen als Brauer (etwa als Leiter der Brauerei von Joseph Niklas Graf von Windischgrätz in Štěkeň) gesammelt hatte, vertiefte er sich vor allem auch in die wissenschaftliche Seite des Brauen, die bisher eher vernachlässigt worden war. Als Resultat vollendete er hier in der Martinská das Buch, das Böhmen (heute Tschechien) später zu dem Bierland schlechthin machte: Die Kunst des Bierbrauens. Die bis dato gründlichste Abhandlung zum Thema publizierte er auf eigene Kosten. Heute ein Klassiker des Genres, war es damals ein Verlustgeschäft. Mittellos musste er aus Prag von dannen ziehen und dabei seine zentral gelegene Wohnung direkt neben der schönen Martinskirche wieder aufgeben.
Er heuerte nun als Brauer bei der recht großen Brauerei von Maria Anna Reichsgräfin von Clam Martinic in Slaný an. Hier setzte er seine wissenschaftlichen Ideen zur Braukunst systematisch um und experimentierte mit Präszisionsgeräten wie Thermometer und Bierwaage, was die Qualität des Bieres so nachhaltig steigerte, dass er 1798 mit Leichtigkeit einen Wettbewerb um den Posten des Stadtbrauers in der mährischen Großstadt Brno (Brünn) gewann. Dort hatte er bis zu seinem Tode 1805 ein sicheres Auskommen und konnte weiterforschen. 1801 veröffentlichte er das Buch Versuch einer Grundlehre der Bierbrauerei in katechischer Form, das im gleichen Jahr auch in Tschechisch unter dem Titel Počátkové základního naučení o vaření piva erschien – und zu einer Art Bibel der tschechischen Braukunst wurde. Kaum ein fachkundiger Tscheche bezweifelt heute, dass er es war, der überhaupt erst Qualitätsstandards in die heimische Braukunst eingeführt hat. Die Entwicklung einer echten Bierindustrie wäre ohne ihn undenkbar gewesen. Er gehört in das Pantheon großer Tschechen!
Auf der Gedenkplatte sieht man ein Relief mit einem Seitenportrait Paupies. Darunter steht: „Hier befand sich das Haus, in dem F.O.Poupě, der berühmte tschechische Bierbrauer, lebte. 1753 -1806“. Daraus schließt man zurecht, dass das Haus, an dem die Plakette angebracht ist, nicht mehr das ursprüngliche Haus ist, in dem er 1793/94 gewohnt hatte. Das recht luxuriös daherkommende vierstöckige Miets- und Geschaftshaus mit seinen hübschen Balkonen, das man heute sieht, wurde von dm Architekten Otakar Bureš (siehe auch hier) im historistischen Stil des Neobarock erst zwischen 1905 und 1906 erbaut. Da war Paupie ja schon 100 Jahre tot….
Aber der Architekt baute doch noch eine Erinnerung an das vorher hier stehende Haus ein. Über dem Eingang kann man den alten Namen des Haus in Stuck lesen: U Tří zlatých koulí (Zu den Drei Goldenen Kugeln). So hatte es im Jahre 1684 der damals neue Besitzer Samuel Rafael Globic genannt. Der nutzte die Kugelsymbolik als Hausschild (das erklären wir hier), um auf sein Gewerbe aufmerksam zu machen. Er war nämlich einer der bedeutenden Geodät (Geometer) seiner Zeit und seine äußerst präzisen Stadtpläne dienten oft als Rechtsgundlage für Gerichtsprozesse um Grundeigentum. Und so erinnert der neue Schriftzug mit den drei Kugeln darunter, dass in dem (damals wohl barocken) Vorgängerhaus noch ein zweiter bedeutender Bewohner lebte, der allerdings nichts mit der Braukunst zu tun hatte. (DD)
Als er am 8. Oktober 1909 in Pokupsko, einem Ort in der Nähe seiner Heimatstadt Zagreb, ein dort stattfindendes Erdbeben untersuchte, erforschte der kroatische Geophysiker, Seismologe und Meteorologe Andrija Mohorovičić systematisch die Grenzfläche von Erdkruste und Erdmantel und wie Diskontinuitäten der jeweiligen Laufgeschwindigkeiten die Erdbebenwellen beeinflussen. Man spricht in dem Zusammenhang von Mohorovičić-Diskontinuität, unter Seismologen auch liebevoll Moho genannt.
Seine Entdeckungen stellte er der Öffentlichkeit 1910 vor. Im weiteren Verlauf seines Lebens entwickelte er enorme Verbesserungen bei der Konstruktion von Seismographen zur Messung (und ggf. Vorwarnung) von Erdbeben. Dass er Architekten half, erdbebensichere Häuser zu konstruieren, sorgte endgültig dafür, dass er sich alle Ehren als Wohltäter der Menschheit verdient hatte. So wie etwa diese schöne Gedenkplatte an einem Pfeiler beim Klementinum in Prag. Aber warum Prag, wo es aufgrund der tektonischen Verhältnisse eigentlich nie zu Erdbeben kommt? Nun, das Klementinum war ursprünglich eine im 16. Jahrhundert gegründete Bildungseinrichtung der Jesuiten, aber zu Mohorovičićs Zeiten schon Teil der Universität. Und genau hier hatte Mohorovičić in den Jahren 1875 bis 1878 sein Studium in Sachen Mathematik und Physik durchlaufen und abgeschlossen. Kein Geringerer als Ernst Mach (wir berichteten hier) gehörte hier zu seinen Lehrern. Zurück in Kroatien gründete er schon 1887 ein eigenes meteorologisches Observatorium und brachte es 1891 zum Professor. Der Seismologie widmete er sich ab 1900 intensiv.
Dass er bei ihnen seine ersten akademischen Weihen erhielt, mussten die Prager irgendwann feiern. Der 100. Jahrestag seiner bedeutendenden Forschung zu Erdkruste und -mantel war der willkommene Anlass. Das konnte man mit einer kleinen tschechisch-kroatischen Freundschaftsgeste verbinden. Vielleicht machte das die Sache administrativ schwieriger. Auf jeden Fall schaffte es man zum korrekten Datum 2010 nicht. Machte aber nichts, denn am 22. September 2011 wurde genauso frohgemut vor der Spiegelkapelle des Klementinums eine Gedenktafel für den großen Forscher enthüllt, Dazu erschienen nicht nur Wissenschaftskoryphäen aus beiden Ländern. Auch der kroatische Parlamentspräsident Luka Bebić fand den Weg nach Prag und hielt einige salbungsvolle Worte über den großen Sohn seines Landes.
Die Gedenkplatte wurde von dem bekannten tschechischen Bildhauer Martin Zet geschaffen. Auf der Bronzetafel steht in Tschechisch und Kroatisch der Text: „Der kroatische Geophysiker, der 1910 die Schnittstelle zwischen Erdkruste und oberem Erdmantel entdeckte, studierte von 1875 bis 1878 am Klementinum der Karlsuniversität in Prag. Andrija Mohorovičić 1857-1936.“ Dazwischen befindet sich eine Portraitbüste des Wissenschaftlers. Das obere linke Viertel ist versenkt und mit hellerer Metalllegierung gestaltet. Dadurch sieht der Kopf aus, als ob er als Anschauungsmaterial für die wissenschaftliche Entdeckung der Erdschichten diene, so wie in einem Lehrbuch. Das ist irgendwie eine witzige Idee. Humorlose Anhänger des großen Mohorovičić hätten darauf humorlos reagieren können. Haben sie aber nicht. Vielleicht haben die alle einen Sinn für Humor, was für sie spräche. Und so hat der große Seismologe nun für einen trockenen Wissenschaftler ein besonders originelles Denkmal gesetzt bekommen. (DD)
Als am 14. Februar 1945 – heute vor 78 Jahren – in Prag die Sirenen heulten, blieben die meisten Bewohner gelassen. Es hatte hier kaum Luftangriffe gegeben, wohl aber recht viele Fehlalarme. Die meisten Menschen meinten, sie müssten nicht in einen Luftschutzkeller flüchten. Doch diesmal war der Alarm echt. Und die Katastrophe nahm ihren Lauf.
Und die Katastrophe war ungeplant. Die Bombardierung von Prag durch amerikanische Bomber war eigentlich eine Serie von Pannen mit schrecklichen Folgen für die Stadt. Was war geschehen? Am Abend zuvor hatte die Bombardierung von Dresden begonnen. Die 62 Bomber vom Typ B17 der Eighth Air Force, die früh am Morgen gestartet waren, sollten an diesem Angriff teilnehmen. Schon kurz nach dem Start in den England kam die Staffel wegen widriger Wetterbedingungen vom Kurs ab und flog zu weit südöstlich. Kaum in den deutschen Luftraum eingedrungen, fiel das Radar des Hauptflugzeugs aus. Als man aus 9 Kilometer Höhe endlich eine größere Stadt erblickte, war man sich nicht sicher, ob man sich wirklich über Dresden befand oder möglicherweise über Pilsen, das aber als Ersatzziel geplant war, falls der Sprit nicht bis Dresden reichte. Spätere Untersuchungen ergaben, dass die Bombercrews nicht ahnten, dass sie sich über Prag befanden.
Der Angriff dauerte nur von 12.25 Uhr und 12.27 Uhr. Die Bilanz: 701 Tote, 1400 Verletzte, 68 völlig zerstörte Häuser, unzählige mehr schwer beschädigt. Auch wichtige Kulturstätten wurden in Mitleidenschaft gezogen. Schwer beschädigt wurde das gotische Emmaus-Kloster (auch hier). Und besonders grotesk: Die große Synagoge von Vinohrady, die von den Nazi noch nicht zerstört worden war, wurde ebenfalls zur Ruine bombardiert (siehe hier). Auch wurde die Erinnerung danach immer wieder schmerzlich zurückgeholt. Noch 1971 fand man bei Bauarbeiten 23 Leichen von Vermissten, die bei dem Bombenangriff in einem Keller verschüttet wurden und dort wohl erstickt waren.
Dem Angriff folgten lange Propaganda-Schlachten. Zuerst schlachteten die Nazis den Fall aus, um die besetzten Tschechen gegen ihre mutmaßlichen Befreier aufzuwiegeln. Kommunisten nutzten später den Bombenangriff aus, um den Klassenfeind im Westen zu diffamieren. Die Amerikaner hätten mit Absicht einen Terrorangriff lanciert. Dieser Meinung schließen sich die meisten Historiker natürlich nicht an. Für die amerikansiche Strategie hätte es keinen Sinn ergeben, ein von Nazis geschundenes Volk, das man als Verbündeten sah, zu terrorisieren. Zudem wurden keine strategisch relevanten Ziele bombardiert. Die waren Ziel der wenigen – fast nur in Außenbezirken stattfindenden – tatsächlich geplanten Luftangriffe auf Prag gewesen, die es gab. Etwa der Angriff auf ein Kraftwerk in Holešovice im November 1944 oder der Großangriff auf (kriegswichtige) Maschinenwerke in Kbelý im März 1945.
Aber das spendet keinen Trost. Vielleicht macht die Tatsache, dass das Ganze auf einem Navigationsfehler und techniuschen Pannen beruhte, die Sache für die Hinterbliebenen noch tragischer und sinnloser. Jedenfalls wird der Opfer immer wieder gedacht. Im Februar 2015 wurde durch den Rat von Prag 2 am Karlsplatz (Karlovo náměstí 500/37) die Denkmal für die Opfer der Bombardierung Prags (Památce obětí leteckého bombardování Prahy) eingeweiht, die wir oben sehen. Gestaltet wurde sie von dem Bildhauer Petr Císařovský. Die Gedenkplakette ist bewusst sehr schlicht gehalten. Es handelt sich um eine Stahlplatte, auf der sich 701 Kreuze befinden – die Zahl der Opfer des Angriffs. Darüber befinden sich Zeilen des von den Nazis 1945 ermordeten Schriftstellers und Malers Josef Čapek (wir berichteten hier): „Není zlých pravd, ale jsou zlé skutečnosti“ (Es gibt keine schlechten Wahrheiten, aber es gibt schlechte Wirklichkeiten). (DD)
Nachdem er hoch oben in den Schweizer Bergen jene militärische Leistung vollbracht hatte, die ihm eine größere Fußnote in der Geschichtsschreibung sicherte, ruhte er sich etwas über einen Monat in Prag von den Strapazen aus: Alexander Wassiljewitsch Suworow.
Der russische Feldmarschall und Generalissimus kämpfte 1799 im Zweiten Koalitionskrieg mit seinen Truppen in Italien gegen Napoleon. Die verbündeten Österreicher und Briten wünschten jedoch, dass sich der militärische Druck auf die französischen Truppen nach Österreich verlagern solle, weshalb Suworow mit seinen (im Gebirgskampf ungeübten) Truppen durch die Schweiz (damals unter Kontrolle Napoleons) ins Habsburgerland ziehen sollte. Suworow schaffte am 24. September nach Gewaltmärschen die Eroberung des Gotthardspasses. Kurz darauf wurde er im Muotatal von französischen Truppen eingekreist, schaffte es trotz der Erschöpfung seiner Truppen, sich wieder freizukämpfen und erreichte mit unzähligen Gefangenen Österreich. Das war eine grandiose militärische Leistung, obwohl sie militärisch von geringem Nutzen war, denn in Österreich war das Hauptgeschehen schon vorbei. Dass Suworow zu spät kam, hatten sich die Ösis teilweise selbst zuzuschreiben, da sie den verbündeten Generalissismus mit falschem Kartenmaterial (mit eingezeichneten Wegen, die es nicht gab) und nicht der versprochenen Menge Lasttieren versorgt hatten.
Wie dem auch sei: Erschöpft zog sich Suworow danach mit seinen Truppen im Dezember 1799 nach Böhmen zurück. Ein Generalissimus und Kriegsheld übernachtete hier natürlich nicht in einer Kasernenbaracke. Vielmehr war er zu Gast in einem echten Palais in der heutigen Narodní 37/38 in der Neustadt. Heute wird das Gebäude Porges und Portheim-Palast (palác Porgesů z Portheimu) genannt – nach der Unternehmerfamilie Porges von Portheim, die es 1869 erwarb. Oben an der Fassade sieht man noch die hübsch aufbereiteten Initialen EPR, die für Eduard und Rosa Portheim stehen – die Käufer. Zu Suworows Zeiten hieß es aber noch Desfours Palast (Desfourský Palac), denn das frühklassizistische Gebäude wurde ursprünglich 1762 bis 1776 in den Jahren anstelle dreier mittelalterlicher Häuser für Maximillian Joachim Karl Graf Desfours durch den Architekten Johann Ignaz Palliardi erbaut.
Als Suworow hier sich von den Schweizer Strapazen erholte, war er allerdings schon Gast von Jakob Wimmer (den wir bereits hier erwähnten), der den Palast schon 1795 erworben hatte (damals redete man auch vom Wimmerův dům). Der war ein reicher Grundbesitzer, Unternehmer und Mäzen. Aber er hatte auch einmal den militärischen Rang eines Obersts bekleidet. Suworow und er dürften sich verstanden haben. Am 28 Januar 1800, also heute vor 222 Jahren, reiste Suworow ab – zurück ins heimische St. Petersburg, wo er schon im Mai des selben Jahres verstarb. Der Nachwelt blieb er als der Mann, der hoch in den Bergen tapfer der napoleonischen Bedrohung Europas entgegenstand. Es wurden ihm viele Denkmäler gesetzt, nicht zuletzt das berühmte Suworowkreuz am Gotthardpass bei Andermatt.
Und da er nun einmal auch einen Monat in Prag verbrachte, gedachte man auch hier seiner. So kann der Passant an der Außenfassade des Porges und Portheim-Palastes heute eine kleine Gedenktafel sehen, die 2001 von dem Bildhauer Pavel Filip gestaltet wurde. „In diesem Haus hielt sich vom 20. Dezember 1799 bis zum 28. Januar 1800 der berühmte Kriegsherr Alexander Wassiljewitsch Suworow auf“, heißt es da auf Tschechich und Russisch. Die Tafel ist nicht besonders erhebend oder beeindruckend. eher arg schlicht. Dahinter steht ein wohl Politikum, das die Gemüter eine kurze zeitlang bewegte. Ab 1947 hatte sich nämlich auf der Fassade eine durchaus stattliche Denkmalsbüste befunden – ein Werk des Bildhauers Lubomír Boček. Die gibt es immer noch, aber sie wurde 2001 bei Renovierungsarbeiten in den Hinterhof verbannt, was zu bösen Kommentaren in der russischen Presse führte. Außen wurde darob die Tafel als „Ersatz“ angebracht.
Man kann aber den Hof betreten und sich dann fragen, warum der alte Generalissimus jetzt ein Schattendasein fristen muss. Vielleicht war man bis 1947 (ein Jahr bevor die Machtübernahme der Kommunisten mit Hilfe der Sowjets alle Illusionen zerstörte) in der Tschechoslowakei, die bis dato nie mit Russland in Konflikt geraten war, noch nicht sonderlich gegen die Russen eingenommen. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings von 1968 und der Okkupation durch die Sowjets gab es da wohl einen Stimmungsumschwung. Vielleicht erinnerte man sich, dass Suworow, bevor er Europa vor Napoleon verteidigte, aber auch Freiheitsbewegungen in anderen Ländern niedergeschlagen hatte – etwa den Kościuszko-Aufstand in Polen 1794.
Wie dem auch sei, Suworow ist nun in einem versteckten Winkel des Hofs untergebracht. Der politische Ärger von 2001 wurde ganz typisch tschechisch ausgesessen und ist mittlerweile vergessen. Und Suworow wirkt auch hier immer noch ganz und gar wie der Held, der die Alpen bezwang. (DD)
Plötzlich und unerwartet steht man vor ihr, der Kirche des Heiligen Pankraz (Kostel svatého Pankráce), die zufälligerweise (?) auch noch im Prager Stadtteil Pancrác steht. Der ist nämlich ziemlich modern überbaut, sodass man überrascht ist, wenn man ein so ganz besonders geschichtsträchtiges Bauwerk sieht.
Eine Kirche an dieser Stelle wurde erstmals 1205 in einer Urkunde erwähnt, in der es heißt, das „ein Ritter namens Asinus“ hier eine Kirche „an einem Ort namens Krušina“ gespendet habe. Krušina war ein kleines Dorf, das aber schon im Hochmittelalter (möglicherweise wegen des chronischen Wassermangels in der Umgebung) zu existieren aufhörte. Das, was da überliefert wurde, konnte in den 1970er Jahren bestätigt werden. Da baute man nämlich die Metrolinie C (rot) und stieß 1976 direkt bei der heutigen Kirche und darunter auf Überreste eines mittelalterlichen Bauwerks, das sich als Fundament einer romanischen Kirche in Rotundenform erwies, die tatsächlich aus der Zeit des Ritters Asinus stammte, der möglicherweise unter seinem Namen litt, denn Asinus ist das lateinische Wort für Esel. Jetzt wurde das Areal sorgfältig von Archäologen untersucht, bevor man mit dem Metrobau weitermachte, der 1978 vollendet wurde. Die Kirche hatte wohl, wie damals üblich, einen eigenen Kirchhof, denn man fand bei den Ausgrabungen auch rund 40 mittelalterliche Gräber.
1420 war ein Schicksaljahr für die alte Kirche. Die Hussitenkriege begannen. Im Herbst tobte hier eine Serie von Gefechten, die als Schlacht bei Vyšehrad in die Geschichte einging, und in der die Hussiten erfolgreich die Kaiser Sigismund folgenden katholischen Invasoren zurückschlugen. Dabei wurde die Kirche, die im 14. Jahrhundert im gotischen Stil (u.a. wurde ein Längsschiff zugefügt) überarbeitet worden war, schwer beschädigt. Wie und warum das geschah, dafür fand man nun bei den Ausgrabungen auch archäologische Indizien. Man fand nämlich etwas nordöstlich der Kirche Reste eines Grabens, der möglicherweile ein Teil der hussitischen Befestigung war und im Kriegsgeschehen eine Rolle spielte. Die Hussiten hatten hier wohl ihre Artillerie aufgebaut.
Die Kirche wurde schnell repariert, aber 1618 kam der nächste Glaubenskrieg, der gleich dreissig Jahre dauerte. In der Endphase 1648 versuchten noch einmal die Schweden Prag einzunehmen. Wieder tobten im Umfeld der Kirche Gefechte, die so heftig waren, dass die Kirche zerstört wurde. Nur Stücke der Grundmauern blieben, in denen immer noch einige Kanonenkugeln aus dem Krieg steckten. Zumindest eine davon kann heute man noch als eine Art schwedisches „Souvenir von 1648“ an der Außenwand der Apsis bewundern (Bild links). Der Jesuitenorden ließ die Kirche schon ab 1650 wieder aufbauen, wobei nun der barocke Stil zum Tragen kam, der die Kirche bis heute auszeichnet.
Schon im 16. Jahrhundert wurde der separate Glockenturm (auch Kampanile genannt) gebaut, der die Kirche optisch zu einer Besonderheit macht. Die Dachkonstruktion wurde um 1700 barockisiert. Im Turm (Bild rechts) wurde eine der ältesten Glocken Prag aufgehängt, ein 350 Kilogramm schweres Meisterwerk des berühmten Glockengießers Bartholomäus von Prag (Bartoloměj Pražský) aus dem Jahre 1505. Im Jahre 1724 wurde die Kirche dem großen Jesuitenkolleg im Klementinum in der Altstadt zugeschlagen. Für eine gewisse Zeit schien nun ein wenig Ruhe in das Kirchenleben hier eingetreten zu sein. Aber eben nur für eine gewisse Zeit….
Denn schon 1757 okkupierten die Preußen unter Friedrich II. im Laufe der Belagerung Prags im Siebenjährigen Krieg die strategisch günstige Anhöhe, auf der die Kirche steht. Die Preußen schafften es nicht, Prag einzunehmen, aber dafür plünderten sie die Kirche aus. Dann, im Jahr 1773 löste die aufgeklärte Kaiserin Maria Theresia (in Übereinstimmung mit einem päpstlichen Beschluss) den Jesuitenorden auf und enteignete ihn. Die Kirche wurde recht rüde säkularisiert und diente teilweise als Schießpulverlager der Armee. Die Zweckentfremdung, die ihre Spuren im Gebäude hinterließ, dauerte bis 1818. Jetzt erst hatte die Leidensgeschichte der Kirche ein Ende.
In den 1860er Jahren wurde der Innenraum der durch die recht grausamen Geschichtsläufe völlig entleerten Kirche im historistischen Stil wieder neu ausgestattet, während man außen eine Renovierung durchführte. Die Kirche fungiert seit Beginn des 20. Jahrhunderts als römisch-katholische Gemeindekirche, allerdings nur als „Zweigstelle“ der Kirche des Heiligen Wenzel (Kostel svatého Václava) – wir berichteten bereits hier – im weiter unten gelegenen Nusle (Prag 4), unter deren Verwaltung sie steht. Der ehemalige Kirchhof wurde 1866 aufgelöst. Aber an der Kirchenwand kann man noch Relikte von Grabdenkmälern aus dem 19. Jahrhundert erkennen.
Durch den Wegfall des Kirchhofs wurde vor dem Kirchengebäude viel Platz geschaffen für eine kleine Grünanlage. Zu dieser Grünanlage gehört auch ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs aus Pankrác. Das Denkmal wurde im Jahre 1921 aufgestellt und wurde durch den Bildhauer Jan Gabriel gestaltet, der im Stadtteil Holešovice eine Steinmetzwerkstatt betrieb. Auf einem vierkantigen Steinsockel, auf dem auf allen vier Seiten die Namen der (recht vielen!) Gefallenen stehen, thront ein bronzener Adler, der wiederum auf einer Weltkugel sitzt. (DD)
Unter den deutschsprachigen Schriftstellern und Dichtern, die in Prag wirkten, gehört neben Franz Kafka sicherlich Rainer Maria Rilke zu den bedeutendsten. Mit seinen Neuen Gedichten (1907/08), den Duineser Elegien (1922) und zahlreichen andere Werken schuf er eine neue, impressionistische Dichtung, die weit über den engen Bereich der Lyrik das Kulturleben des 20. Jahrhunderts inspirierte, etwa in der Musik (Leonard Bernstein, Paul Hindemith u.v.a. )
Seit dem Juni 2015 gibt es in Prag ein Denkmal für den Dichter, und zwar auf dem Řezáčovo náměstí (Řezáč Platz) im Stadtteil Holešovice. Treibende Kraft war dabei die Europäische R.M. Rilke Stiftung (die ihren Sitz in Tschechien hat) und die dafür den Bildhauer Stanislav Kolíbal gewann. Es handelt sich um einen schlichten mannshohen Steinquader, der mit einem Portrait und Inschriften versehen ist. Es ist kein Zufall, dass dieses Rilke-Denkmal dem ebenfalls quaderförmigen Rilke-Denkmal in Berlin-Wilmersdorf von 2007 zumindest recht vage ähnelt. Das wurde nämlich auch von der Rilke-Stiftung gespendet. Realisiert hat es der tschechische Bildhauer und Architekt Miroslav Vochta.
Aber zurück zum Prager Denkmal: Auf der östlichen dem Platz zugewandten Seite des Quaders findet man ein in rot gehaltenes Bildportrait Rilkes nebst einer kurzen Vita des Dichters in Deutsch und Tschechisch (siehe großes Bild oben). Auf den drei anderen Seiten finden sich aufgeteilt die Schlusszeilen des letzten Verses aus der Neunte Elegie der Duineser Elgien – ebenfalls in Deutsch und Tschechisch:
„Siehe, ich lebe. Woraus? Weder Kindheit noch Zukunft werden weniger….. Überzähliges Dasein entspringt mir im Herzen.“
Ursprünglich war als wesentlich prominenterer Standort für das Prager Rilke-Denkmal ein Platz auf dem nahen Letná Park (Letenské sady) vorgesehen, wogegen sich aber etliche national-empörte Anwohner wehrten, weil Rilke ja kein tschechischer, sondern ein deutsch-sprachiger Dichter gewesen sei. Dass Rilke bis zu seinem Tod in einem Schweizer Sanatorium 1926 loyaler tschechoslowakischer Bürger gewesen war, zählte wohl anscheinend nicht. Auch in diesem Land gibt es immer noch viele historische Geisterdebatten.
Am anscheinend liberaleren Řezáčovo náměstí (die Erklärung dafür findet sich hier) fand man einen neuen Standort, wobei man allerdings mit der Idee scheiterte, den Platz gleich auch in Rilke-Platz umzubenennen. Die Ressentiments, die noch aus der Zwischenkriegszeit zu stammen scheinen, waren so stark, dass man vergaß, dass man schon lange mit dem heutigen Namen des Platzes unzufrieden ist, und dass es etliche Anläufe im Stadttrat gab, ihn umzubenennen, wozu die Aufstellung des Rilke-Monuments in der Tat eine gute Gelegenheit gewesen wäre.
Denn der heutige Namensgeber Václav Řezáč war ein kommunistischer Schrifsteller und Journalist, der zunächst im der Partei nahestehenden Syndikat Tschechischer Schriftsteller (Syndikát českých spisovatelů) „Abweichler“ von der stalinistischen reinen Lehre denunzierte und später – nach der Machtergreifung der Kommunisten im Jahre 1948 – den Ausschluss von Nicht-Kommunisten aus den großen, nunmehr gleichgeschalteten Schriftstellerverbänden betrieben hatte. Nicht gerade ein echter Sympathieträger. Er ist am Ende mehr wegen seiner Beteiligung an „Säuberungen“ im Gedächtnis haften geblieben als wegen seiner schriftstellerischen Qualitäten. Obwohl er wohl in den 1920 Jahren kurz für Mussolini schwärmte (was man nicht verschweigen darf), scheint der im Kern unpolitische Rilke doch ein ganzes Stück weniger bedenklich zu sein. Und literarisch bedeutsamer sowieso.
Wer jetzt darob Kulturpessimist wird und meint, die Tschechen wären nicht in der Lage, ihre großen deutschsprachigen Dichter zu preisen, der kann sich vor der Fassade des Gebäudes in der Na Příkopě 856/16 (Neustadt) wieder beruhigen und eines besseren belehren lassen. Dort hängt nämlich schon seit 2011 eine Denkmalstafel mit einer Büste des Dichters – geschaffen von der Bildhauerin Vlasta Prachatická. In dem Gebäude befand sich die vom Orden der Piaristen betriebene Volksschule in der Neustadt, die zur Kirche zum Heiligen Kreuz (Kostel Svatého Kříže) gehörte (wir berichteten), die Rilke ab 1881 bis 1886 besuchte.
Überhaupt: Die deutschsprachige Vergangenheit wird in letzter Zeit mit doch immer mehr gewürdigt und der Widerstand allmählich schwindet dahin. Vor 20 Jahren wären eine solche Ehrungen für Rilke völlig undenkbar gewesen. Das ist – trotz allen Murrens – nicht mehr so. Die Diskussion wird entspannter. Die Zeit heilt die Narben. Langsam, aber sicher. (DD)
Kein Zweifel, dass die Tschechen sie liebevoll in Erinnerung haben, wie kaum eine andere Persönlichkeit ihrer Geschichte: Milada Horáková war eine aufrechte Demokratin und Frauenrechtlerin, die Opfer zweier totalitärer Diktaturen wurde. Sie ist für die Tschechen die große Symbolfigur, die Märtyrerin der Freiheit schlechthin.
Kurz nach ihrem 100. Geburtstag wurde ihr auch an ihrem Geburtshaus im Stadtteil Vinohrady ein Denkmal gesetzt – eines von vielen, die es in Prag gibt (wir berichteten bereits u.a. hier, hier, hier und hier). Hier in der heutigen Rumunská 18/22, Ecke Bělehradská, wurde sie am 25. Dezember 1901 – heute vor 101 Jahren – als Milada Králová geboren. Nach der Gründung der Ersten Republik gehörte sie zu den ersten Frauen, die Jura studierten, und 1926 promovierte. Früh engagierte sich für Frauenrechte und gehörte 1923 zu den führenden Gründungsmitgliedern des Nationalen Frauenrats (Ženská národní rada), der Sammelbewegung aller Frauenbewegungen im Lande. Damit war es zu Ende, als 1939 Hitlers Wehrmacht einmarschierte. 1940 wurde sie wegen ihrer Widerstandstätigkeit verhaftet, ins Konzentrationslager gesperrt und entging nur knapp einem Todesurteil.
Als sie 1945 befreit wurde und zurückkehrte, glaubte sie an eine demokratische Zukunft der Tschechoslowakei und ließ sich sogar ins Parlament wählen. Dann kam der kalte Putsch der Kommunisten unter „Stalins ergebenen Lehrling“ Klement Gottwald. Sie machte aus ihrer Gegnerschaft zu den Kommunisten keinen Hehl und engagierte sich – gewaltfrei, wohlgemerkt – im geheimen Widerstand. Das flog auf und Gottwald sah eine neue Gelegenheit, sich spektakulär politischer Gegner zu entledigen. Ein Schauprozess mit grotesken Beschuldigungen wurde vom 31. Mai bis zum 8. Juni 1950 Horáková und 12 Mitangeklagten gemacht, in dem das Urteil bereits feststand. Als einzige Angeklagte weigerte sie sich, sich für Einstehen für demokratische Ideale zu entschuldigen, um die Richter gndig zu stimmen. Als das Todesurteil kam, reichte sie bei Präsident Gottwald als einzige kein Gnadengesuch ein, nicht nur, weil sie wusste, dass Gottwald keine Gnade walten lassen würde, sondern dass man einem Unmenschen wie ihn nicht unterwürfig entgegentreten durfte. Internationale Appelle nutzten nichts. Am 27. Juni 1950 wurde sie am Galgen hingerichtet.
Am 10. Januar 2022, also einige Tage nach dem 100. Jahrestages ihrer Geburt (die ja auf einen Weihnachtstag fiel), wurde am Geburtshaus eine künstlerisch gestaltete Gedenkplatte angebracht. Bei der Enthüllung waren die Bürgermeisterin des Stadtteils, Alexandra Udženija, und ihre Vorgängerin und heutige Verteidigungsministerin Jana Černochová zugegegen. Filip Novák der Direktor des örtlichen Milada Horaková Gymnasiums und Vize-Vorsitzender des Dr. Milada Horaková Klubs (Klub dr. Milady Horákové), der sich Andenken Milada Horakovás und der Opfer des Kommunismus widmet, und die Historikerin und Schriftstellerin Zora Dvořáková, hielten Redebeiträge zur Würdigung Horakovás.
Das Denkmal wurde von Graphikerin Jana Šindelová und dem Architekten und Künstler Michal Motyčka gestaltet. Es handelt sich um eine gerundete längliche Platte aus Cortenstahl. In der unteren Hälfte befindet sich die eingravierte Inschrift, die auf Deutsch übersetzt besagt: „In diesem Haus wurde am 25.12.1901 die Mitbegründerin der tschechoslowakischen Frauenbewegung, die Juristin und Politikerin Dr. jur.Milada Horáková, geborene Králová, geboren, seit 1940 wegen antinazistischen Widerstands inhaftiert, 1949 wegen antikommunistischen Widerstands vor Gericht gestellt, zum Tode verurteilt und am 27. Juni 1950 ohne Begräbnis hingerichtet.“ In der oberen Hälfte ist eine konkave Spiegellinse eingelassen, die ein auf den Kopf gestelltes Spiegelbild der Umgebung liefert. Diese Linse symbolisiere, so ließen die Künstler verlauten „eine Art Weltenpunkt zum Innehalten“. Und innehalten sollte jeder, der an diesem sehr angemessenen und würdigen Denkmal für die große Märtyrerin der Freiheit vorbeigeht. (DD)