Technisches Meisterwerk. Von Italienern gebaut

Kaum hat man das kleine, an der Sázava, einem Nebenfluß der Moldau, gelegene Dorf Žampach über einen kleinen asphaltierten Forstweg zu Fuß verlassen, wird man von dem Anblick fast erschlagen. Rund 25 Kilometer südlich von Prag findet man dieses einzigartige technische Kulturdenkmal

Keine Frage: Das Žampacher Viadukt (Žampašský viadukt) gehört zu den beindruckenderen der Sehenswürdigkeiten des Ortes. Man ist schier erstaunt, dass eine solch gewaltige Brückenkonstruktion für eine so kleine (30-35 Kilometer lange) lokale Eisenbahnlinie gebaut wurde wie diese es hier ist. Sie verbindet nämlich die unmittelbar südlich von Prag gelegenen Ort Vrané nad Vltavou mit dem östlich von Žampach an der Sázava gelegenen Dorf Čerčany. Es sind keine bedeutenden Weltstädte. Aber der Weg durch die pittoreske Berg- und Flusslandschaft führt bei Žampach eben über das sehr tiefe, schluchtartige Tal des kleinen Kocourský Baches. Dazu brauchte man eine hohe Brücke.

Die Bauarbeiten für die Brücke wurden 1898 begonnen und schon 1900 abgeschlossen. Es war eine der höchsten Steinbogenbrücken mit nur einer Etage in ganz Mitteleuropa. Und um die Superlative vollständig zu machen: Die 180 Meter lange Brücke verläuft in einem leichten Bogen und hat ein Gefälle. Die Krümmung kann man am besten sehen, wenn man den Hang weiter hoch steigt. In der Kategorie einetagiger Eisenbahnviadukte mit Krümmung und Gefälle ist die Brücke jedenfalls Weltrekordhalter, heißt es. Darauf sind die Menschen von Žampach so stolz, dass sie die unter Prager Ausflugstouristen populäre Eisenbahnlinie damals etwas großspurig Posázavský Pacifik nannten, in Anspielung auf die amerikanische Bahngesellschaft Union Pacific, die in den Vereinigten Staaten den großen und Wilden Westen erschloss.

Die Umgebung von Žampach ist sowieso für Geologen eine Fundgrube (früher wurde hier sogar nach Gold gegraben) und so nimmt es nicht Wunder, dass die für die Brücke verwendeten Steine – genauer: Granodiorit – auch aus Steinbrüchen der Umgebung stammen. Rund 5 780 Kubikmeter gebrochene Steine und 600 Kubikmeter Steinquader wurden verbaut.

41,73 Meter ist die Brücke an der höchsten Stelle vom Boden aus hoch. Antiken Vorbildern folgend sind die Bögen regelmäßig strukturiert – immer mit 12 Metern Abstand. Der höchste Pfeiler ist 33 Meter hoch. Und das Ganze ist recht stabil. Seit 1900 fahren Züge über den Viadukt. Heute sind es rund 30 pro Tag. Kein irgendwie Bedeutsamer Schaden ist je aufgetreten. 2012 wurde die Brücke trotzdem renoviert und sieht seither aus, als ob sie gerade erst erbaut worden wäre.

Dabei ist sie schon seit langem ein nationales Kulturdenkmal, genauer gesagt, seit 1958. Bei den Bauarbeiten damals zu Ende des 19. Jahrhunderts hatte man übrigens über 200 Arbeiter aus dem fernen Italien angeheuert. Die Berge um Žampach erreichen, obwohl recht steil und felsig, nicht so ganz wirklich alpine Ausmaße. Aber die Erfahrungen, die die Italiener damals beim Bau von Brücken in den Alpen gewonnen hatten, waren auch hier an dieser Stelle im alten Böhmen sehr von Nutzen. Italien stand in dieser Zeit offenbar für gute Baumeisterarbeit unter schwierigen Bedingungen. (DD)

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