Ex-Bahnhof unter Flügelrädern

Das stolze Logo der Bahn mit dem geflügelten Rad prangt immer noch auf dem Giebel. Züge fahren hier auch immer noch vorbei, aber keiner hält mehr. Als Bahnhof hat der Bahnhof von Vinohrady seine Zeit hinter sich.

Das geflügelte Rad, das war schon in den Zeiten der Doppelmonarchie das Logo der k.u.k. Eisenbahn. Als 1918 das Habsburgerreich unterging, übernahm es die Bahn der neuen Tschechoslowakischen Republik einfach. Erst in den Zeiten des Kommunismus wurde es durch einen Vorläufer des heutigen Logos der Tschechischen Bahn ersetzt. Das ist aber längst nicht so dekorativ wie das alte kakanische Logo. Und so freut man sich, es hier auf dem ehemaligen Bahnhofsgebäude in der Bělehradská 407/22 sehen zu können.

Aber nun zum Bahnhof selbst: Der Stadtteil Vinohrady (Weinberge), der damals noch gar kein Stadtteil, sondern eine eigene Stadt war, die Královské Vinohrady (Königliche Weinberge) hieß, wurde erst Ende des 19. Jahrhundert erschlossen, geplant und gebaut. Auf seinem Areal befand sich seit 1871 der Prager Hauptbahnhofs (mehr: hier). Der war, im Gegensatz zu früheren Bahnhöfen der Stadt (Beispiel hier) kein Kopf-, sondern ein Durchfahrtsbahnhof. Folglich musste er von zwei Seiten erreichbar sein. Doch im Süden versperrte ein größerer Bergfels bei Vinohrady den Weg. Deshalb wurde der große Eisenbahnunternehmer Adalbert Johann Joseph Lanna, jr. mit dem Bau des 1146 Meter langen Eisenbahntunnels von Vinohrady durch den Fels beauftragt, der die Aufgabe pünktlich zur Eröffnung des Bahnhofs erledigte. Den Aushub benutzte übrigens Lannas Mitunternehmer, der Eisenbahnindustrielle Moritz Gröbe, um darüber eine große Parkanlage mit Villa landschaftlich zu gestalten, die Grébovka (wir berichteten u.a. hier).

Durch den Tunnel: Auf der anderen Seite des Felsens wartete die Verbindung Richtung Südböhmen und Wien. 1868 wurde die k.k. privilegierte Kaiser Franz Josefs-Bahn ins Leben gerufen. Gründer der Bahnlinie war der Großgrundbesitzer und Diplomat Johann Adolf II. Fürst zu Schwarzenberg, der damit eine schnellere Verbindung von Wien nach České Budějovice (Budweis) schuf, von der wiederum eine Nebenlinie nach Prag führte, die sich wiederum 1871 mit der Prager Verbindungsbahn verband, die um diese Zeit für den innerstädtischen Verkehr gebaut worden war, und für die der Tunnel gebaut wurde. Alles war nun Richtung Süden miteinander verbunden.

Währenddessen wuchs Vinohrady. Vor allem im Talbereich des Botič war man doch ein wenig vom Hauptbahnhof entfernt und es bedurfte auch eines regionalen und örtlichen Eisenbahnbetriebs. So wurde 1888 der kleine Bahnhof von Královské Vinohrady errichtet. Das war noch ein einfacher hölzener Fachwerkbau mit einem sogar überdachten Bahnsteig und einer hölzernen Brücke über die Gleise. Immer mehr Verkehr kam auf und diese Lösung empfand man bald als zu klein geraten. 1891 kamen die ersten elektrischen Straßenbahnen, was die Verbindung mit dem Bahnhof zu allen Stadtteilen verbesserte. Mehr Menschen nutzten den Bahnhof. 1912-13 wurde der alte Bahnhof durch einen neuen und größeren ersetzt, der von dem Architekten Josef Heindl entworfen worden war. Es ist im Kern das im späten (geometrischen) Jugendstil gehaltene Gebäude, das man heute hier noch sieht.

Irgendwie verband der Bahnhof jetzt Vinohrady mit dem Rest Böhmens und deshalb sieht man auf der Fassade unterhalb des Bahn-Logos mit dem Flügelrad zwei Wappen – eines von Böhmen mit dem berühmten zweischwänzigen böhmischen Löwen (links), und eines mit dem Wappen von Vinohrady (rechts) mit einem Heiligen Wenzel zwischen zwei Türmen eines Stadttors.

Die Bahnanlage wurde aber am Ende zu groß für den dort gelegenen Bahnhof, der jetzt hätte vergrößert werden müssen. Schon 1872 wurde die Strecke des ersten Tunnels zweispurig. In den Jahren von 1940 wurde 1944 wurde ein zweiter zweigleisiger Tunnel gegraben. Ein dritter wurde auch 1940 begonnen, aber die Bauarbeiten blieben kurz darauf bis in die 1980er Jahre unterbrochen und er wurde erst 1989 eröffnet. Aber schon nach dem Bau von 1944 wurde der Bahnhof geschlossen. Das hatte auch etwa damit zu tun, dass Bahnhöfe, die in Kurven lagen (man sieht es gut bei der Sicht von oben, Bild links), zunehmend als Sicherheitsrisiko gesehen wurden. Dann wurde das Bahnhofsgebäude erst einmal eine zeitlang nicht richtig genutzt und dann, im Jahre 1955, wurde es in ein Verwaltungsgebäude der Bahn umgewandelt.

Damit hatte es mehr Glück als der nächste Bahnhof auf der Strecke, der nur etwas über einen Kilometer entfernte, schon 1872 errichtete Bahnhof Vyšehrad, den man seit seiner Schließung 1960 trotz seines kunsthistorischen Wertes (Jugendstil) allmählich ungenutzt verfallen ließ (über dieses Trauerspiel berichteten wir bereits hier). Immer noch grundsätzlich intakt, aber ein wenig abgenutzt wirkte indes der ehemalige Bahnhof Vinohrady auch in den letzten Jahren – bis man sich 2020/21 zu einer Renovierung aufraffte. Die lässt ihn zumindest auf der Straßenseite in vollem Glanze erstrahlen (auf der Bahnseite haben leider etliche Sprayer ihr schändliches Werk verrichtet). Und das nunmehr attraktive Gebäude mit den Flügelrädern wird seither nicht nur von der Eisenbahnverwaltung, sondern auch von Privatunternehmern genutzt, etwa von einer Augenarztpraxis. (DD)

Kleiner Tunnel, kleines Abenteuer

Bei einer kleinen Wanderung durch das pittoreske Prokop-Tal (Prokopské údolí), über das wir u.a. schon hier berichteten, sollte man rund 800 Meter östlich des kleinen Ortsteils Hlubočepy ein wenig vom Weg abschweifen. Dann kann man ein kleines Abenteuer erleben, indem man einen dunklen und verlassenen Tunnel durchquert.

Der ist 107 Meter lang und ein wenig gekrümmt, weshalb man irgendwann völlig im Dunklen tappt. Denn der Tunnel ist unbeleuchtet. Am Eingang wird man gewarnt, dass man das auf eigene Gefahr tut. Aber letztlich ist es ein ungefährliches Erlebnis. Aber immerhin ein Erlebnis! Aber was ist das für ein geheimnisvoller Tunnel? Um das herauszufinden, müssen wir eine Zeitreise in die Vergangenheit wagen. Heute empfinden wir das Tal als eine malerische Wald- und Felsenlandschaft mit viel Natur. Aber sie ist eigentlich eine Kunstlandschaft, deren Felsen in Wirklichkeit Reste von Steinbrüchen sind, und die früher karg und unbewaldet war.

Hier wurde nämlich Kalkstein abgebaut und meist vor Ort schon gebrannt. Das größte Unternehmen, das hier und im unmittelbar benachbarten Dalejský-Tal (Dalejské údolí) tätig war, war die 1895 gegründete Kalksteinbrennerei Biskup, Kvis und Kotrba (Vápenka Biskup, Kvis a Kotrba). Zunächst wurde von der Firma nahe der Steinbrüche ein Ofen gebaut, nach dem Ersten Weltkrieg dann ein zweiter größerer. Das Unternehmen expandierte, auch weil das Prokop-Tal schon seit 1873 durch eine eingleisige Eisenbahnlinie erschlossen war. Für den zunehmenden Bedarf brauchte man allerdings größere Transportkapazitäten, um den Kalk zum nächsten Bahnhof im nächsten, etwas westlicher gelegenen Stadtteil Řeporyje (wo auch der Firmensitz war) zu bringen und dort aufzuladen.

Dazu baute man ein System von kleinen Schmalspureisenbahnen, die Teilweise parallel zur „normalen“ Eisenbahn und teilweise in die Steinbrüche fuhren. An einigen Stellen sieht man noch heute beim Wandern die Reste der alten Bahntrassen (Bild links). Der Tunnel im Prokop-Tal ist ein Relikt dieses Eisenbahnsystems. Es gibt wohl noch etliche andere Tunnel, aber dieser hier ist der einzige, der günstig am Wanderweg zugänglich ist. Der Tunnel ist weder sehr hoch, noch sehr breit. Kein Wunder: Die Gleise der Betriebsbahn von Biskup, Kvis a Kotrba hatten auch nur eine Spurbreite von 60 cm! Immerhin ist der Tunnel so hoch, dass man sich nirgends den Kopf stößt.

Die Geschichte von Biskup, Kvis a Kotrba endet zwei Jahre nach der Machtergreifung der Kommunisten. 1950 wird die Firma in das staatliche (heute erfolgreich privatisierte) Unternehmen Pragocement eingegliedert und somit verstaatlicht. Aber zu dieser Zeit verlor der Kalksteinabbau sowieso immer mehr an Bedeutung. Steinbrüche wurden aufgegeben und die Natur fing mit der Rückeroberung des Gebiets. 1968 wurde der Abbau generell im ganzen Tal eingestellt. Aufforstungen begannen. Die meisten Firmenanlagen – darunter die Gleise der Kleinbahnen – wurden abgebaut. Und schließlich, im Jahre 1978, erklärte man das Ganze zum Naturschutzgebiet. Die Kombination von Natur und den zerklüfteten Steinbruchanlagen hat sich seither als ausgesprochen populär unter Prager Ausflüglern erwiesen, die auf gut ausgebauten Wegen und auf ebenfalls gut ausgebauten Freizeitanlagen (kleine Restaurants, Picknickareale, Spielplätze) Spaß und Erholung finden. Dazu gehört auch der kleine Tunnel, an dessen Wänden sich mittlerweile Sinterablagerungen gebildet haben, der noch einen Schuss Abenteuer hinzufügt. (DD)

Der Beginn der Moldaukaskade

Bei der Ortschaft Vrané an der Moldau (Vrané nad Vltavou), rund 16 Kilometer südlich des Prager Stadtzentrums gelegen, beginnt sie, die sogenannte Moldaukaskade (Vltavská kaskáda). Wir befinden uns bei dem von schöner Felslandschaft umgebenen Stausee Vrané (Vodní nádrž Vrané) mit seinem Stauwehr und Wasserkraftwerk.

Was ist die Moldaukaskade, die Schritt für Schritt zwischen 1930 und 1966 aufgebaut wurde? Es handelt sich um ein System aus neun Stauwerken unterschiedlicher Größe, die sich von vom Stauwehr Vrané (Flusskilometer 71,4) flussaufwärts bis zu den beiden Stauseen Lipno II (dessen Wehr sieht man im kleinen Bild links) und Lipno I (Flusskilometer 329,5) aus dem Jahr 1959 erstreckt, und das gleichermaßen dem Hochwasserschutz, der Energiegewinnung und auch dem Tourismus (Wassersport) dient. Die Kaskade setzte dabei im Kern die zwischen 1896 und 1906 unternommene technische Bändigung der bis dato recht unberechenbaren und für Flößer und Schiffer gefährlichen Moldau nach Süden fort, die den Flusslauf zwischen Prag und der Elbe eindämmte und durch Schleusenwerke beruhigte.

Das Stauwerk Vrané war das erste Projekt der Moldaukaskade. Es wurde in den Jahren 1930 bis 1936 erbaut. Es handelt sich nicht um einen Staudamm im strikt technischen Sinne, sondern um ein Wehr, das den Ab- und Zufluss des Wassers regelt. Dazu gibt es vier 20 Meter breite Wehröffnungen mit Schütztafeln (Bild rechts), die gesenkt und gehoben (bis auf 9,7 Meter Höhe) werden können. Geöffnet können sie ganze 2800 m³ Wasser pro Sekunde ablaufen lassen. Der gestaute See erstreckt sich über 13 Kilometer bis zum nächsten Wehr bei Štěchovice (bei Flusskilometer 84,4), das von 1937 bis 1945 erbaut wurde. Der Rückstau des Wassers reicht auch in den rund vier Kilometer weiter oberhalb von Vrané einfließenden Moldau-Nebenfluss Sázava hinein, und zwar noch rund drei Kilometer.

Natürlich dachte man schon von Anfang an daran, dass primär zur Wasserregulierung dienende Stauwerk auch zur Stromgewinnung zu nutzen. Das kleine Kraftwerk am östlichen Ufer wurde 1935 zunächst einmal für ein Jahr im Probebetrieb, dann aber auf Dauer eingesetzt. Die damaligen Turbinen hatten ein Schluckvermögen von 75 m3 pro Sekunde. Sie wurden 1978 bis 1980 durch neuere Kaplan-Turbinen mit 90 m3 pro Sekunde ersetzt. Heute liefert das Kraftwerk rund 60 Millionen Kilowattstunden pro Jahr an Strom.

Aber so ein Stauwerk hat ja nicht nur den positiven Nebeneffekt, dass sich dort Strom produzieren lässt, sondern er macht den Fluss dahinter auf leichter für die Schifffahrt zugänglich. Da man durch die Wehröffnungen unmöglich durchfahren kann, hat man dafür eben Schleusen eingebaut. Man sieht sie am westlichen Ufer (Bild rechts). Die größere ist 134 Meter lang und 12 Meter breit (genug für kleine Frachtschiffe), die kleinere 84 Meter lang und 12 Meter breit.

Große Frachtschiffe kommen hier aber nicht allzu oft vorbei. Für Kanus oder Kajaks wäre die Betätigung der Schleuse zu aufwendig. Dafür gibt es am Ufer eine kleine Schienenbahn, mit der man die Kleinboote bequem am Wehr vorbei schieben kann. Womit wir beim Freizeitwert des Ganzen sind. An beiden Seiten des Stauseeufers kann man wunderschöne Wandertouren machen. Am Westufer sogar hoch über den Felsen, die hier die Moldau säumen, was atemberaubende Ausblicke auf das Wehr erlaubt (Bild oberhalb links).

Und auch dann, wenn man nicht so hoch hinaus will, kann man sich auf Höhe des Wasserspiegels ebenfalls gut amüsieren. Da es ja Dank der Stauung durch das Wehr keine unberechenbaren Strömungen oder gar gefährliche Untiefen gibt, wimmelt es an schönen Tagen auf dem Wasser nur so von kleinen Hobby-Segelbooten und Motoryachten, auf denen man sich anscheinend risikofrei äußerst gut unterhält.

Zu Fuß oder mit dem Auto kann man den Fluss an dieser Stelle nicht überqueren. Für die Bediensteten gibt es einen kleinen bedachten Überweg hoch über dem Wehr, der aber nur dienstlichen Zwecken dient. Will man das Ganze vom gegenüberliegenden Ufer betrachten, muss man entweder rund sechs Kilometer südlich nach Davle oder rund fünf Kilometer nördlich nach Zbraslav gehen, um eine für Fußgänger geeignete Brücke zu finden. Aber auch ohne Überquerungsmöglichkeiten ist das imposante, im Stil des 1930er-Jahre-Funktionalismus gebaute Stauwehr von Vrané einen Besuch wert. (DD)

Schräge Brücke

Sie ist in jeder Hinsicht eine schräge Brücke, die Eisenbahnbrücke Holešovice (Holešovický železniční most). Denn sie führt nicht in kürzester Linie (dem rechten Winkel) über die Moldau und hat auch noch eine deutliche Steigung.

Wer etwa mit dem Zug von Berlin nach Prag kommt, wird unweigerlich über sie hinweg fahren, denn sie verbindet unter anderem den ersten Prager Zwischenhalt auf der Strecke, den Bahnhof Holešovice, mit dem Hauptbahnhof (wir berichteten hier). Sie ist historisch gesehen die fünfte Eisenbahnbrücke, die in Prag über die Moldau führt. Die erste war das etwas nördlich der Altstadt gelegene Negrelli-Viadukt (1850), gefolgt von der ersten Vyšehrad-Brücke (1872), die 1901 durch eine neue, zweite Brücke ersetzt wurde, die heute noch existiert. Die Nummer vier wurde dann die Braník Brücke (1955), über die wir hier berichteten. Die Eisenbahnbrücken, die nicht über die Moldau führen, sind nicht mitgezählt (ein besonders schönes Beispiel stellten wir hier vor).

Sie ist kein Touristenmagnet und sicher auch eine der weniger bekannten Brücken. Dafür beeindruckt sie durch ihre Maße. Rund 387,5 Meter lang ist sie, wobei der größte Teil davon am Ufer von Holešovice über Land führt. Dabei ist sie in fünf identisch gebaute Segmente aufgeteilt, die auf V-förmigen Pfeilerkonstruktionen ruhen. Alles ist roher Beton und Stahl, so wie es in der Zeit ihrer Errichtung 1975/76 üblich war. Brutalismus nannte man den damals nicht nur in kommunistischen Ländern verbreiteten Stil, der lange Zeit als Scheußlichkeit verpönt war, aber heute immer mehr Anhänger findet. Und man muss auch zugeben, dass die großen Pfeiler der Brücke aus der Nähe betrachtet recht kolossal und überwältigend wirken. Ohne die Sprayereien, die hier leider hinterlassen wurden, würde das Ganze noch eindrücklicher wirken.

Ja, und dann ist das die Aufwärtsneigung der Brücke, die von Holešovice 45 Grad oder 0,55 Prozent beträgt. Wie man das berechnet, weiß ich auch nicht, aber hier findet man eine Anleitung. Aber auf jeden Fall scheint es relativ steil für eine solche Brücke zu sein. Der Weg aufwärts führt direkt zu einem Tunnel, der sich unter einer über dem Ufer emporragenden Felsformation namens Bílá skála (Weißer Felsen) im gegenüber liegenden Ortsteil Libeň) öffnet. Und mit diesem Tunnel sind wir schon bei der nächsten Sache, die an der Brücke schräge ist.

Die Eisenbahnbrücke ist die einzige in Prag, die den Fluss nicht senkrecht, sondern quert. Der Brückenkopf von Holešovice (linkes Ufer) befindet sich deutlich sichtbar weiter stromabwärts als der rechte Brückenkopf (Ufer von Libeň). Das sollte aber keineswegs eine bloße Spielrei sein, sondern hatte handfeste Gründe.

Man hatte anscheinend beim Bau der Brücke von den Fehlern des Bau der Braník Brücke zwischen 1948 bis 1955 gelernt. Die führt auch in einen gegenüber liegenden Tunnel, der dann eine Kurve im Berg machen sollte, damit die Strecke am Ende wieder parallel zum Ufer des Flusses verlaufen konnte. Weil die Brücke senkrecht auf den Fels zulief, hatte man die Kurve sehr eng gestaltet und am Ende war das Ganze nur ein- statt zweispurig befahrbar und das auch nur mit kleinen Zügen. Eine kostspielige technische Panne, die es nun natürlich zu vermeiden galt Bei einem schräg einfahrenden Tunnel ließ sich das ohne allzu viel Aufwand (der sich beim Graben eines zwangsläufig viel weiteren Bogens ergeben hätte) verhindern. Und so ist der Eisenbahntunnel unter den Bilá Skála (Železniční tunel pod Bílou skálou) mit seinen 331 Metern Länge, der in den Jahren 1967 bis 1974 vob der damals noch staatlichen (seit 1992 privatisierten) Konstruktionsfirma Sudop Praha gebaut wurde, bis heute tadellos und ohne Kapazitätsprobleme für den anfallenden Zugverkehr geeignet.

Auf beiden Ufern kann man jeweils auf einem kleinen Wanderweg unter der Brücke hinweggehen, die sich nur wenige hundert Meter flussaufwärts der Brücke der Barrikaden (Most Barikádníků) von 1980 befindet, und über die wir bereits hier berichteten. Auf dem Ufer von Holešovice stößt man dabei, wie man im Bild rechts sieht, auf überwucherte Relikte der Zeit, als es die Brücke noch nicht gab, dafür aber die Bahn am Ufer entlang Richtung Innenstadt fuhr.

Noch eine Bemerkung zur Technik. Die großen, vorgefertigten Komponenten der Brücke konnten so zusammengefügt werden, dass für die Fertigstellung der Flussverkehr nicht gesperrt werden musste. Ende 1975 konnte man bei der Brücke schon Belastungstests durchführen, die sie perfekt bestand. Der talentierte Architekt, der die Brücke für die damals staatliche Firma Stavby silnic a železnic (Verkehrs- und Eisenbahnbau) entworfen hatte, erlebte es nicht mehr, wie die Brücke im Dezember 1976 für den Verkehr freigegeben wurde. Vilém Možíš starb schon Ende 1975 – bevor die Züge über seine Brücke rollten. (DD)

Elegant und schwungvoll

Möge doch keiner sagen dass man heutzutage keine schönen Brücken mehr bauen könne. Das beweist nicht zuletzt die Neue Troja Brücke (nový Trojský most), die die beiden Prager Stadtteile Holešovice und Troja verbindet. Die sieht zweifellos elegant aus. Aber warum wurde die Brücke mit dem Adjektiv „neu“ versehen.

Nun, es gibt in Sichtweite oberhalb eine Brücke, die in den Jahren 1924 bis 1928 (wir berichteten hier) erbaut wurde, und die den Namen Troja Brücke (Trojský most) trug. Die wurde zwar schon 1947 in Brücke der Barrikaden (Most Barikádníků) umbenannt, weil hier im Mai 1945 schwere Kämpfe im Zuge des Prager Aufstands gegen die Nazis (siehe auch hier und hier) stattfanden, derer man gedenken wollte (wir berichteten hier), aber man wollte wohl jede Verwechslung von vornherein ausschließen. Wie dem auch sei: Die alte Troja Brücke war schon lange dem Verkehr, der hier die Moldau querte, nicht gewachsen und leicht baufällig. Zur Entlastung baute man als Provisorium für den Schienennahverkehr die Troja Straßenbahn-Brücke (Trojský tramvajový most), die 1981 eröffnet wurde. Da die Stahlträgerkonstruktion die Geräusche der Bahnen arg lärmig verstärkte, nannten die genervten Bewohner der Umgebung sie meist „Rámusák“, was soviel wie „Rumpler“ bedeutet. Obwohl sie keine echte Lösung bot, blieb die Brücke bis 2013 in Betrieb. Dann kam das Ende für sie.

Denn schon 2005 hatte der Prager Stadtrat einen Wettbwerb für die Gestaltung einer neuen Brücke ausgeschrieben, die für den Straßenbahnverkehr geeignet und den Massen von Autos gewachsen war. Diesen Wettbewerb gewann ein gemeinsames Projekt der Architekturbüros Mott MacDonald CZ und Roman Koucký architektonická kancelář. Bei dem nun zu realisierenden Entwurf handelte es sich um eine Netzwerkbogenbrücke. Zwei geschwungene Stahlbögen, die am Scheitelpunkt zusammenlaufen, tragen eine Fahrbahn aus Spannbeton. 2662 Meter lang und 36 Meter breit wurde die Brücke. Parallel zu den Bauarbeiten wurde die alte Straßenbahnbrücke abgebaut. Die gesamten Bauarbeiten wurden von der ehemals staatlichen Baugesellschaft Metrostav durchgeführt, die sich auf Infrastrukturprojekte spezialisiert hat. Die avisierten Kosten erhöhten sich dabei von 400 Millionen Kronen auf 720 Millionen Kronen, was später zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Stadt und Metrostav führte. Trotz alledem ging der Bau voran und im Oktober 2014 wurde die Brücke der Öffentlichkeit bzw. dem Verkehr übergeben.

Parallel zum Bau der neuen Brücke wurde die alte „Rámusák“ abgebaut. Damit begann man im Jahr 2010. Kurz darauf wurde die Straßenbahnbrücke nur noch einspurig genutzt, weil für den Abbau Teile des Stahlgerüsts hochgehoben werden mussten. 2013 war die Brücke rückgebaut und zu diesem Zeitpunkt hätte die neue Troja-Brücke auch schon fertiggestellt sein müssen. Wegen der Querelen um die Finanzierung hatte sich aber der Abschluss der Arbeiten bekanntlich auf 2014 verschoben. Die daduch entstandenen Verkehrsprobleme gehören aber mittlerweile der Vergangenheit an. An die erinnert nur noch der kleine Rest der Brückenauffahrt, den man auf der Seite des Ufers von Holešovice nur wenige Meter flussabwärts von der neuen Brücke als eine Art Denkmal bewundern kann, das oben in eine Art Aussichtsplattform verwandelt wurde.

Designkritiker lobten das Design der neuen Brücke als ästhetisch elegant, insbesondere weil das Längen-Höhen-Verhältnis so ungewöhnlich niedrg ist. Das ganze wirkt sehr flach und dadurch irgendwie sehr dynamisch und schwungvoll. Das wird nicht nur durch die Höhe-Länge-Proportionen unterstrichen, sondern auch durch die optisch dazu korrespondierende geschwungene Rippenstruktur der äußeren Umhüllung und vor allem der imposantenTrägerrippen unter der Brücke.

Besonders der Blick durch die tragenden Pfeiler, die ebenfalls mit abgerundeten Formen gestaltet wurden, sind schon für sich einen Besuch der Brücke wert (Bild rechts), die auf dem Troja-Ufer auch in einem hübsch begrünten Areal für Spaziergänge (auch in Richtung Zoo) liegen.

Runde Wendeltreppen, die ebenfalls dem Design geschmackvoll angepasst sind (Bild links), führen vom Uferweg unten auf das Fahrbahn-Level darüber. Oben angekommen sieht man breite Fußgängerwege, zwei Autofahrbahnen in jede Richtung und die Straßenbahngleise zwischen den beiden tragenden Stahlbögen (rechts). Damit schafft es die Brücke, eine Menge Verkehrsaktivitäten aufzunehmen. Weitere Entlastung verschaffte man dem Stadtverkehr dadurch, dass man nur wenige 100 Meter flussabwärts eine rund 3090 Meter lange Unterführung unter der Moldau im Rahmen des (aus drei Tunneln bestehenden) Blanka-Tunnel-Komplexes baute, der eine ungehinderte Stadtumfahrung ermöglicht. Dadurch wurde allerlei Verkehrschaos in Holešovice und der Innenstadt verhindert. Eröffnet wurde der Tunnel aber erst ein Jahr nach der Neuen Troja Brücke im Oktober 2015.

Durch den Tunnel und die Weiternutzung der Barrikadenbrücke ergänzt, leistet die Neue Troja Brücke das, was sie leisten soll, geradezu spielend, nämlich den üppigen Verkehrsfluss in diesem Teil der Stadt zu bewältigen. Dass sie obendrein noch gut designt ist, macht die Sache noch erfreulicher. Das ist auch geradezu offiziös bestätigt worden, denn 2015 bekam sie den prestigeträchtigen European Steel Design Award verliehen, den die European Convention for Constructional Steelwork seit 1997 vergibt. Bei ihrer Bewertung erging sich die Jury in euphorischen Tönen: “ Die Prager Troja-Brücke ist eine beeindruckende Leistung, die die Grenze zwischen Architektur und Ingenieurwesen verwischt… Die Brücke verdeutlicht die Eigenschaften von Stahl durch ihre sichtbare schlanke Struktur und Eleganz… Die Troja-Brücke ist wie eine Skulptur und eine schöne Ergänzung der Stadt Prag.“

Jedenfalls ist die Neue Troja Brücke zu einer weithin sichtbaren Landmarke geworden. Besonders schön erstrahlt ihre Eleganz, wenn man sie von der Anhöhe des nahegelegenen Botanischen Garten (über den wir hier berichteten) aus besichtigt.

In der Planungsphase wollte man der Brücke übrigens einen besonders ehrenvollen Namen geben. Das hätte auch die Verwechslungsgefahr mit der alten Troja Brücke minimiert. Namensgeber sollte der 2011 verstorbene erste demokratisch gewählte Präsident nach dem Fall des Kommunismus 1989 sein, der Dissident und Schriftsteller Václav Havel. Aber 2013 entschied sich der Stadtrat gegen den Namen Václav Havel Brücke (most Václava Havla) und für den konventionelleren Namen Neue Troja Brücke. (DD)

Schleuse und Elektrizitätswerk in Miřejovice

Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhundert wurde die bis dato unberechenbare und wegen ihrer Untiefen fast unbeschiffbare Moldau durch Schleusen reguliert und gebändigt. Schrittweise wurden etliche der Stauwerke bald auch für die Stromerzeugung genutzt. Es entstanden dabei nicht nur kleine technische Meisterwerke, denn meist vernachlässigte man die ästhetische Seite nicht völlig. Ein hübsches Beispiel dafür ist die rund 25 Kilometer nördlich von Prag gelegene, im Spätjugendstil gestaltete Schleuse von Miřejovice (Zdymadlo Miřejovice) mit ihrem recht einzigartigen kubistischen Elekrizitätswerk.

Es war dies nicht der erste Versuch, die Moldau an dieser Stelle zu zähmen. Die Anlage befindet sich direkt bei dem barocken Schloss und Landschaftspark Veltrusy (wir berichteten hier). Die Besitzerfamilie, das Adelsgeschlecht Chotek, ließ hier (auch zum Schutz des Parks) im Jahre 1755 eine Brücke mit einem Holzwehr erbauen. Die wurde jedoch beim großen Hochwasser von 1784 restlos zerstört. Aufgebaut wurden danach weder das Stauwehr noch die Brücke. Stattdessen verkehrte hier eine kleine Fähre, die Veltrusy mit dem gegenüber am westlichen Ufer liegenden Ort Nelahozeves (das erwähnten wir hier), zu dem Miřejovice gehört, verband. Ende des 19. Jahrhunderts war klar, das das nicht so bleiben würde. 1896 wurde die staatliche Commision für die Canalisierung des Moldau- und Elbe-Flusses in Böhmen (Komise pro kanalisování Vltavy a Labe v Čechách) ins Leben gerufen, die ein Gesamtprojekt der Schiffbarmachung und Bändungung des Flusses erarbeite, mit dessen Umsetzung man umgehend begann.

Und so wurde in den Jahren 1900 bis 1903 bei Miřejovice (genauer: Moldau-Kilometer 18) nach den Plänen des Architekten und Ingenieurs František Sander ein neues Schleusenwehr erbaut, das an Größe und technischem Standard seinen Vorgänger bei weite übertraf. Mit der Durchführung wurde die Maschinenfabrik Breitfeld-Daněk beauftragt, die später mit dem heute noch existierenden Maschinenbauer ČKD zusammenging. 288 Meter ist das Wehr breit. Es gibt zwei Schleusenkammern, die größere ist 133,4 Meter lang und 20 Meter breit und die kleinere Kammer ist 73 Meter lang und 11 Meter breit. Der Höhenunterschied des Wasserspiegel beträgt 3,45 Meter. Auch wenn heute meist nur Paddler und Kanuten den Fluss hier passieren und keine Frachtschiffe, ist das Ganze also für etwas größere Schiffe ausgelegt. Zudem dient das Wehr auch der Wasserregulierung.

Der eigentliche Clou war jedoch die Brücke, die über die ganze Länge des Stauwehrs führte. Sie ist ganze 7 Meter breit und war damals für den Fahrzeugverkehr (erst Pferdefuhrwerke, später Autos) geöffnet. Erst 1974 wurde sie in eine reine Fußgänger- und Fahrradbrücke umgewandelt. Kleine Barrieren versperren den Autos nun den Weg. Die Pläne für die Brücke stammten von dem Ingenieur Professor Jan Záhorský, der es später – im Jahre 1920 – sogar zum Parlamentsabgeordneten bringen sollte. Es handelt sich um eine Stahlgitterkonstruktion, die damals modernsten technischen Ansprüchen genügte. Die luftige Gitterstruktur, die die Fahrbahn fast wie ein Dach überspannt,erlaubt dem den Fluss querenden Pasanten eine schöne Aussicht auf die umliegende Landschaft. Eine ähnliche Brücke baute Záhorský später auch in Česká Lípa (die Poklopový most)

Die Brücke ist als Wehr-Brücke nicht freitragend. Vielmehr ruht sie statisch auf fünf großen Türmen, die zugleich auch als Pfeiler dienen. Sie haben zur Fahrbahn hin je 3,5 Meter Breite. Vom Wasserspiegel bis zum Dachgiebel beträgt die Höhe 12 Meter, wobei die beiden äußeren Türme etwas niedriger sind als die drei mittleren.

Sie erfüllen dabei nicht nur eine Trage- und Stützfunktion für die Brücken-Fahrbahn. Innen befinden sich nämlich (und mag der Grund sein, warum überhaupt Türme gebaut wurden) hydrauliche Mechanismen für Zylinder, die die Höhe des Stauwehr in fünf Abschnitten verändern können. Auch das neueste Technik vom Feinsten! Befugte Mitarbeiter (aber wohl nur die) können die Türme von der Fahrbahn aus über ein Gittertörchen betreten, um die Technik in Ordnung zu halten.

Die Türme geben der Anlage trotz aller Modernität (die bei späteren Renovierungen noch verstärkt wurden) ein fast schon an Burganlagen aus dem Mittelalter erinnerndes archaisch-historisierendes Aussehen. Optisch gehört die ganze Anlage dadurch jedenfalls zu den imposantesten unter den Stauwehren und Schleusen an der Moldau.

Was thematisch zu der ästhetischen Dimension des Stauwehrs und der Brücke führt: Die Brückenauffahrten (insbesondere die auf dem östlichen Ufer bei Veltrusy), auf denen vor allem die Stahlbrücke seitlich aufgehängt ist, sind natürlich ganz traditionell aus solidem Stein gebaut.

Während die Brücke selbst nur stählernes Material und Funktionalität für sich sprechen ließ, wurde hier 1903 auf skulpturale Ausgestaltung geachtet. Die zierenden Pfeiler an den Fahrbahnrändern sind im späten Jugendstil gehalten, dem sogenannten geometrischen Jugendstil, der im Gegensatz zu frühern Stilformen auf florale Ornamentik verzichtet. Jedenfalls wird hier mit sehr abstrakten und strengen Formen operiert, die dadurch wiederum mit der technischen Grundidee korrespondieren. Es sieht so aus, als ob hier aus Stein Maschinenteile nachgebildet worden wären.

Ein wenig deutet das vielleicht darauf hin, dass damals der Jugendstil schon aus der Mode zu fallen schien. Schon kurze Zeit später wurde er von dem noch experimentelleren und abstrakteren Kubismus verdrängt, mit dem das Ganze schon gewissen Ähnlichkeiten aufweist.

Der hatte dann seinen großen Auftritt als in den Jahren 1928 bis 1930 einige Meter unterhalb auf dem westlichen Ufer (als bei Miřejovice) ein Wasserkraftwerk für Stromgewinnung erbaut wurde. Architektonisch und in der Ausführung war für das Gebäude die Baufirma Kapsa und Müller zuständig. Insbesondere Mitgründer Lumír Kapsa hatte an etlichen kubistischen Gebäuden mitgewirkt, wetwa bei der Masaryk-Brücke (Masarykův most) in Pilsen. Und als er das Elektrizitätswerk hier in Miřejovice baute, war gerade der sogenannte Rondokubismus en vogue, eine originär tschechische Variante des Kubismus, die den eigentlich abstrakten, auf geometrischen Formen basierenden Stil so umformte, dass sich eine pseudo-flokloristische oder -klassische Formensprache ergab (Beispiele stellten wir bereits u.a. hier, hier und hier vor). Man betrachtete das damals eine eine Art modernen und zugleich traditionalistischen Nationalstil für die Tschechoslowakei.

Und so sieht man es auch hier. Ob die an Burgenarchitektur erinnernden „Schießscharte“ oder die klassizistisch anmutenden Halbbogenfenster am Bauwerk selbst oder die schwungvoll gestalteten Beleuchtungen draußen – alles ist sehr konsequent rondokubistisch designt. Obwohl durchaus modern, käme man auf den ersten Blick nicht darauf, dahinterein funktionales Gebäude wie ein Elektrizitätswerk zu erwarten.

Und das ist es ja natürlich auch: Das eigentliche Kraftwerk in dem rechteckigen Gebäude wurde durch die Firma von František Křižík entworfen. Der war Pionier der Elektrifizierung im Lande und ein Erfindergeist von solchen Ausmaßen, dass man ihn als den „tschechischen Thomas Edison“ in Erinnerung hat. Das Kraftwerk ist mit fünf sogeannnten Francis-Turbinen ausgerüstet. Die Wasserrinne, die die die Turbinen betreibt, ist rund 700 Meter lang. Die Gesamtleistung betrug satte 3,57 Megawatt. Allerdings befinden sich nicht mehr nur die alten Originalausrüstungen (was angesichts der Bedeutung von Křižík natürlich reizvoll wäre), denn das Kraftwerk wurde immer wieder renoviert, insbesondere Anfang der 1990er Jahre nach dem Ende des Kommunismus. Immerhin kann man noch auf einem Vorplatz einen Teil einer alten Turbine bewundern.

Nach Abschluss der Renovierung 1992 begann man über eine Privatisierung der als Kleines Wasser-Elektrizitätswerk (Malá vodní elektrárna, MVE) eingestufte Anlage nachzudenken. Seit dem Jahr 2006 gehört das Elektrizitätswerk dem Stromkonzern Energo-Pro, der zahlreiche kleine und große Wasserkraftwerke an der Moldau betreibt, etwa das bei der weiter flussaufwärts befindlichen Talsperre Slapy.

Mit Hilfe von EU-Fördergeldern renovierte die Firma in den Jahren 2009 bis 2012 die Anlagen noch einmal (mittlerweile produziert sie 4,8 Megawatt) gründlich und besserte sie auch technisch auf. Es leistet dadurch einen wichtigen Beitrag für die Stromversorgung des Prag umgebenden Mittelböhmischen Kreises (Středočeský kraj).

Und obendrein ist das Gebäude auch äußerlich in allerbestem Zustand und sieht wie gelackt aus. Das rondokubistische Design kommt nun voll zum Tragen. Insbesondere der Eckturm, der harmonisch zum Design der Türme am Stauwehr passt, sieht todschick aus. Das wird auch dem Status als ein schützenswertes Denkmal gerecht, den Schleuse und Elektrizitätswerk schon seit 1958 (also kommunistischen Zeiten) innehaben, und der 2010 noch einmal bekräftigt und verstärkt wurde. Die Anlage gehört zuden kleinen Attraktionen der Umgebung (von denen natürlich das nahegelegene Schloss Veltrusy das kulturhistorische bedeutendste ist), die von Ausflüglern bewundert werden kann und auch wird. Dazu trägt auch der gut ausgebaute, grenzübergreifende Moldau- und Elbe-Radweg bei, der hier vorbeiführt.

Im Jahre 1984 hatte übrigens der schon 1960 gegründete Kanuverein der nahen kleinen Stadt Kralupy Grund zum Jubeln. Damals wurde im östlichen Ablaufkanal eine 600 Meter lange Slalomstrecke für Kanuten aufgebaut, die vom Verein betreut wird, aber auch für andere Nutzer offen ist. Zwischen 9 und 12 Kubikmeter pro Sekunde fliesst hier das Wasser, was hinreichend für ein schönes und spannendes Wassersporterlebnis ist. In der Tat beschränkt sich der Flussverkehr in diesem Abschnitt der Moldau trotz der großen Schleuse hauptsächlich auf Kanuten und Paddler. Die bekommen hier allerdings viel geboten. (DD)

Der Moldaukanal

Dass man von Prag nach Hamburg mit dem Boot auf schiffbaren Gewässern reisen kann, verdankt man einem langen Prozess der Bändigung der Moldau (Vltava). Der Moldaukanal zwischen den Ortschaften Vraňany und Hořín ist ein bemerkenswerter Teil dieses Prozesses.

Während die Elbe aufgrund ihrer Größe und Tiefe noch weit oberhalb der Mündung der Moldau leicht schiffbar oder leicht schiffbar zu machen war, zeichnete sich die Moldau durch zu geringe Tiefe, unberechenbare Strömungen und felsige Untiefen aus. Nur kleine Boote und vor allem Flöße (wir berichteten hier und hier) konnten hier einigermaßen verkehren. Über Jahrhunderte hatte man versucht, durch Wegschaffen von Felsen oder kleinen Staustufen das Problem zu lösen, aber ohne durchschlagenden Erfolg. Schließlich, im Jahre 1896 wurde Nägel mit Köpfen gemacht und die staatliche Commision für die Canalisierung des Moldau- und Elbe-Flusses in Böhmen (Komise pro kanalisování Vltavy a Labe v Čechách) gegründet. Durch eine groß angelegte Kanalisierung und etliche Staustufen und Schleusen sollte der wilde Fluss bezwungen werden. Und das gelang mit bemerkenswerter Geschwindigkeit, denn im Jahre 1906 war der Fluss im Kern so gebändigt, wie er es bis heute ist.

Besondere Probleme bereitete dabei der letzte Flussabschnitt bevor die Moldau gegenüber von Mělník in die Elbe mündete. Um den unübersichtlichen und flachen Flusslauf schiffbar zu machen, beschloss man den Bau eines (westlich) parallelen Kanals. Mit den Entwürfen dazu beauftragte man den Architekten und Ingenieur František Sander, dessen Pläne in den Jahren 1902 bis 1905 umgesetzt wurden. Auf Flusskilometer 11,4 (beim Ort Vraňany) wurde nun der Fluss „geteilt“, das heißt er wurde zunächst einmal durch die neue Schleuse von Vraňany (Zdymadlo Vraňany) hochgestaut. Das ist eigentlich keine Schleuse in dem Sinne, dass es eine durch Schleusentore verschließbare Schleusenkammer gibt. Seit einem Umbau in der Jahrtausendwende existiert die anfänglich vorhandene Kleinschleuse am rechten Ufer nicht mehr. Vielmehr ist die östliche Seite des Flusses nur hochgestaut, was an am westlichen Ufer die Ableitung in den neu damals gegrabenen Kanal ermöglicht. Der liegt nun höher als der östlich weiterfließende Fluss, der sich zunächst über das Stauwehr ergiesst (Bild oberhalb rechts). Auf dem kleinen Bild oberhalb links sieht man die kleine Trennmauer, die den Fluss links in den Kanal und rechts über das Wehr leitet.

Die beiden getrennten „Flussarme“ kommen auch nicht mehr zusammen, sondern fließen nur wenige Dutzend Meter getrennt voneinander in die Elbe, womit die Moldau im Prinzip zwei Mündungen hat. Der Kanal funktioniert natürlich nur, wenn am anderen Ende flußabwärts auch eine Staustufe ist, die das in Vraňany hochgestaute Wasserniveau hält. Dem ist auch so. Nach rund 10 Kilometern und nur wenige Meter vor der Kanalmündung entfernt (wo man das Schloss von Melnik an der Elbe schon sehen kann), wird der Kanal durch die Schleuse Hořín (bild links) auf- bzw. zurückgestaut, die tatsächlich eine Schleuse mit Schleusenkammern, Schleusentoren und allem Drum und Dran ist, und über die wir hier bereits berichteten.

Der Kanal ist zwischen 2,5 und 3 Meter tief und die Breite variiert zwischen 18 und 36 Meter. An vier Stellen gibt es keilförmige Ausbuchtungen, die Schiffen das Ausweichen oder Umdrehen ermöglichen. Ganz große Ozeanschiffe können den Kanal natürlich nicht nutzen, aber wie das Bild rechts zeigt, das einige Meter flussaufwärts von Vraňany aufgenommen wurde, reicht es für normale Flussfrachtschiffe durchaus. Allerdings dürften kleinere Ausflugsboote, die zwischen Prag und Melnik verkehren, sowie kleine Yachten, Motorboote, Kajaks und Kanus die Mehrheit des Wasserverkehrs bestimmen. Der Kanal und der Fluss oberhalb werden gerne und viel von Wassersportlern genutzt. Im Verlauf wird der Kanal übrigens von 8 Brücken überquert. Insbesondere die Brücke der Bahnstrecke Vraňany zur kleinen Ortschaft Lužec nad Vltavou (die Dank des Kanals übrigens eine Insellage zwischen den beiden Flussarmen einnimmt) erlaubte bisher nur Schiffen mit bis zu 4,5 Metern Höhe die Durchfahrt. Seit 2021 gibt es eine Hubbrücke, die Schiffe bis zu 7,5 Metern durchlässt. Das, die bereits erfolgte Vergrößerung der Schleuse Hořín und die geplante Vertiefung des Kanals wird den Moldaukanal in Bälde noch attraktiver für den Schiffsverkehr machen.

Nun ist es aber nicht so, dass der eigentliche Moldauverlauf (also nicht der Kanal) weiterhin der wilde Fluss ist, der er vor 1905 war. Auch er wurde begradigt und beruhigt. An manchen Stellen kann man noch den alten, wesentlich verschnörkelteren Verlauf des Flusses erkennen, weil noch abgeschlossene Teichlandschaften davon zeugen, etwa bei dem kleinen Örtchen Vrbno (über das wir hier berichteten), wie man auch dem Bild links erkennen kann. Wie schon Lužec nad Vltavou liegt auch Vrbno auf der Insel zwischen Fluss und Kanal. Da der Kanal über das umliegende Landniveau dort hochgestaut ist, hängt die Sicherheit der Orte sehr von der Sicherheit des Deichs des Kanals ab. Da hat es schon gehapert. Beim großen Moldauhochwasser von 2002 brach der Deich in der Nähe von Vrbno, was den sowieso schon großen Schaden, den die Flut anrichtete, ins Unermessliche anstiegen ließ. Um das Unglück vollkommen werden zu lassen, brach der Deich nach anscheinend unzureichenden Reparaturen beim (geringfügig kleineren) Hochwasser von 2013 abermals. Vielen Orten der Insel sieht man die Folgen immer noch an.

Man kann nur hoffen, dass die Anlage nun so befestigt ist, dass derartige Dinge sich nicht wiederholen. Was jedenfalls immer perfekt den Herausforderungen des Wassers standhielt, sind die beiden Stauwerke bzw. Schleusen. Während die Schleuse von Hořín als geschütztes Denkmal immer noch das prachtvolle jugendstilige Erscheinungsbild gewahrt hat, dass ihr der Architekt Sander 1905 gegeben hat, sieht man der Staustufe in Vraňany nicht mehr auf den ersten Blick an, dass sie gleichen Alters ist. Man sieht noch das alte Haus des Schleusenwärters und einige kleine Nutzgebäude am Wegesrand, die den ursprünglichen sehr historistischen Charakter der Ursprungsanlage erhalten. Aber weil hier keine aufwendige Schleusentechnik im Spiel war, war die ursprüngliche Technikausstattung bescheidener dimensioniert.

Und deshalb wird sie optisch von der größer angelegten modernen Technik überlagert, so dass das Ganze zunächst einmal recht neu wirkt. Außerdem wurde das veraltete Stauwerk zwischen 1973 und 1984 vollständig umgebaut und modernisiert. Nichts erinnert an das alte Wehr. Und dann sind da die Wasserkraftwerke, die man im Lauf der Zeit hinzugefügt hat. In Hořín zwang schon die denkmalgeschütze Optik zu eine Minimalnutzung und -ausstattung. Das kaum wahrnehmbare Kraftwerk leistet schlappe 30 Kilowatt. Die Anlagen in Vraňany haben da eine ganz andere Dimension. Sie wurden 2006 gebaut und leisten satte 2750 Kilowatt (oder auch 2,75 Megawatt) an Strom. Deshalb wirkt das Stauwerk auch so modern und industriell.

Ach ja, und historisch gesehen sollte der Moldaukanal Teil eines noch gigantischeren Schiffbarmachungs-Projekts werden. Seit dem 14. Jahrhundert, dem Zeitalter Karls IV., gab es immer wieder sporadisch Pläne, nicht nur Elbe und Moldau schiffstüchtig zu verbinden, sondern auch die Donau einzubeziehen. mehrfach wurden die Pläne im aufgeklärten 18. Jahrhundert wieder aufgenommen. 1878 wurde erst mal ein technisch durchdachtes Konzept entwickelt, nachdem der Wiener Reichstag fünf Jahre zuvor dem Projekt zugestimmt hatte. Wären die Pläne verwirklicht worden, wäre der heutige Moldau Kanal mit einem zusätzlichen 222 Kilometer langen Kanal verbunden gewesen, der mit 62 Schleusen ausgestattet über Budweis führend, die Donau im niederösterreichischen Korneuburg getroffen hätte. Konkrete Vermessungen und Landerwerbsprojekte wurden bereits angefangen. Aber bevor die Bauarbeiten begannen, kamen Zweifel auf, die der Kanal mit dem hier bereits bestehenden Eisenbahnsystem preislich konkurrieren könnte. 1907 gab man die Sache nach langem Zögern auf. Spätere Wiederbelebungsversuche nach dem Ersten Weltkrieg und während des Dritten Reichs kamen nie über das Anfangsstadium hinaus.

Und so blieb der Donau-Moldau-Elbe-Kanal völlig unvollendet. Völlig unvollendet? Nein, ein kleiner Abschnitt zwischen Vraňany und Hořín wurde eben doch realisiert und besteht immer noch: Der Moldaukanal. In seiner bescheideneren Dimension hat er seinen Nutzen bereits historisch bewiesen. (DD).

Wenig frequentiert, aber ästhetisch ansprechend

Die Metrostation Radlická wurde am 26. Oktober 1988 eröffnet. Sie liegt an der Metrolinie B (gelb) im Südwesten Prags. Die von der Architektin Hana Labounková entworfene Station (Baubeginn 1984) hat etliche Besonderheiten aufzuweisen.

Da ist zunächst einmal der Name. Sie gehört nämlich zu den wenigen vor 1989 gebauten Metrostationen, die imer noch ihren ursprünglichen Namen tragen. Viele andere Stationen insbesondere im südlichen Verlauf der Linie B trugen nämlich zuerst nicht den lokalen Ortsnamen, sondern waren dem sozialistischen Brudervolk (wie die Station Anděl, die ursprünglich „Moskva – Praha“ hieß) oder kommunistischen Parteigranden (etwa bei der Metrostation Roztyly, die zunächst nach dem stalinistischen Bürgermeister Václav Vacek benannt war) gewidmet. Das war bei der Radlická nicht der Fall. Rein geographisch nach dem sie umgebenden kleinen Ortsteil Radlice (in Prag 5) benannt, blieb den Nutzern das Erlernen eines neuen Namens nach der Samtenen Revolution erspart. Radlická blieb Radlická – bis heute.

Vielleicht hatten die kommunistischen Machthaber in ihrer historischen Endphase die Station nicht mehr als wichtig genug empfunden, um sie als ideologische Bannerträgerin zu nutzen. Sie ist nämlich die am wenigsten frequentierteste Station im Prager Metro-System. In der morgentlichen Rush Hour steigen im Durchschnitt nur rund 2400 Menschen hier ein und aus. Der Grund ist wohl, dass es in der Umgebung es recht wenig große Wohnzentren und -blöcke gibt. Sieht man die Station von außen, würde man das alles kaum glauben. Denn die Anlage und der Vorplatz sind außergewöhnlich großzügig gestaltet. Der Eingangsbereich wurde an einen Hang gebaut und der Vorplatz liegt etwas vertieft, so dass fast der Eindruck eines großen rechteckigen Amphitheaters ensteht. Betritt man dann drinnen die Lobby, stellt man fest, dass sie relativ klein ist. Es gibt auch nur eine Lobby, während es bei anderen Stationen zwei (d.h. eine an jedem Ende) gibt.

Womit wir bei den Maßen der Station Radlická sind. Es fängt schon damit an, dass sie eine vergleichsweise geringe Tiefe hat. Lediglich 11,5 Meter geht es zum Bahnsteig hinunter. Die Metrostation Vinohrady mit ihrer rekordverdächtigen Rolltreppe liegt zum Beispiel ganze 53 Meter tief unter der Erde, also beinahe das fünffache! Deshalb wurde sie sich nicht wie ein unterirdischer Tunnel gebaut, sondern im „Tagebau“ ausgegraben. Eine Rolltreppe gibt es auch nicht, aber immerhin einen Lift. Die Gesamtlänge der Station beträgt 251 Meter, wovon etwas über 100 Meter den 10,16 Meter breiten Bahnsteig ausmachen, der Rest wird für verschiedene technische Einrichtungen verwendet. Der Bau wurde von der 1971 gegründeten, damals staatlichen (aber seit 1992 privatisierten) Bau- und Infrastrukturfirma Metroprojekt durchgeführt.

Und dann ist da noch die ästhetische Dimension, die man bei manchen Stationen in der Phase zu Ende des Kommunismus mal gerne beiseite ließ, was aber hier nicht der Fall war. Die ungewöhnliche Hügellage inspirierte wohl zu einer ihr angepassten Gestaltung. Die Station setzt sich durchaus von anderen der Zeit ab.

Außen handelt es sich ein Werk des sozialistischen Brutalismus. Besonders die großen Treppen zeugen von dem stil-typischen Formwillen in rohem Beton. Zusätzlich wurden farblich kontrastierende Keramik-Kacheln angebracht, die ein wenig auf den ersten Blick wie Ziegel wirken. Das nimmt dem ganzen ein wenig die Wuchtigkeit und lässt es weniger brutalistisch erscheinen als es (technisch gesehen) ist.

Auf dem Vorplatz findet sich eine stilistisch einwandfrei dazu passende abstrakte Skulptur in Granit und Bronze. Der Name der Skulptur lautet Beziehung von Technik und Natur (Plastika Vztah přírody a techniky) darstellen, wobei eine Art Zwiebel aus Bronze den Aspekt der Natur symbolisiert, während die sie umrahmenden kantigen Granitblöcke die Technik repräsentieren. Die Natur scheint sich dabei von den Fesseln der Technik zu befreien. Die Plastik ist das Werk des vielseitige Malers und Bildhauers Zdeněk Hošek, der nicht nur abstrakte Sujets beherrschte, sondern auch realistische Statuen anfertigte, wie etwa sein Denkmal des berühmten Komponisten Antonín Dvořák (1982) in dessen Geburtsort Nelahozeves – sein vermutlich bekanntestes Werk.

Drumherum befinden sich halbkreisförmig angeordnete Sitzbänke. Wer bei gutem Wetter sich hier hinsetzt, bekommt wegen der Lage in einer Senke und der leichten Begrünung oberhalb wenig von der etwas einfaltslosen Architektur der Umgebung mit, sondern könnte meinen, man befinde sich in einer bebauten Insel im der Natur. Was nicht ganz falsch ist, den von hier aus kann man, sobald man die unmittelbare Umgebung verlassen hat, tatsächlich schöne Wanderungen durch die bergige Landschaft machen (um etwa das hier zu sehen). Es handelt sich um einen touristischen Geheimtipp.

Gehen wir hinein. Auffallend ist die meist in Türkistönen gehaltene Verkachelung, wobei die Kacheln stark glänzen. Das lässt zum Beispiel die sehr kleine Lobby etwas größer und luftiger aussehen. Wie überhaupt in der Station Radlická gerne mit Lichteffekten gearbeitet wurde. Ästhetisch verstärkt wird der Effekt durch ein dreifarbiges Kachel-Mosaik (Bild rechts), das über dem Treppenaufgang installiert ist. Gestaltet wurde dieses Mosaik von dem Designer und Bildhauer Alexius Appl, der schon an der skulpturalen Gestaltung der ebenfalls zur Linier B gehörenden Metrostation Palmovka (1987) mitgewirkt hat. Farblich ist das Mosaik mit der Bekachelung der Lobby abgestimmt. Sicher, man darf hier keine künstlerische Sensation erwarten, aber insgesamt ist die Station recht ansprechend gestaltet. Das gilt auch für den Bahnsteig unterhalb. Dort reflektiert sich eine geschickte gelbfarbene Beleuchtung – man sieht sie im großen Bild oben – in den ebenfalls türkisen Kacheln. Die zwischen den Leuchtkörpern befindlichen Lamellen bieten einen optsichen Kontrats dazu. Sie sind allerdings nicht nur ein passend gestalteter Teil der künstlerischen Gestaltung, sondern dient auf in ausgeklügelter Weise der Lärmreduzierung.

Ach ja, seit Beginn des Jahrtausends wurden in der Umgebung zahlreiche Bürogebäude gebaut, darunter die regionale Filiale der Bank ČSOB im Jahr 2006. Seit 2008 ist die Station auch an die Linien 7 und 21 der Prager Straßenbahn angeschlossen. Es tut sich etwas. Vielleicht wird sie irgendwann ihren Status als am wenigsten frequentierte Metrostation hinter sich lassen. (DD)

Jugendstilschleuse

Nur noch wenige hundert Meter und die Moldau löst sich in der Elbe auf. Man sieht hier die Schleuse von Hořín (Zdymadlo Hořín), die sich schon in Sichtweite des Zusammenflusses der beiden Flüsse befindet. Und man kann nur sagen, dass dieser Abschluss architektonisch hübsch gelungen ist.

Mit dem Schleusenbau begann man erst systematisch Ende des 19. Jahrhunderts. Zuvor war die Moldau an vielen Stellen zu flach für regulären Schiffsverkehr. Es reichte allenfalls für Flößerei (wir berichteten hier und hier). Zudem gab es unzählige Untiefen, die die Sache gefährlich machten. 1896 wurde deshalb die staatliche Commision für die Canalisierung des Moldau- und Elbe-Flusses in Böhmen (Komise pro kanalisování Vltavy a Labe v Čechách) ins Leben gerufen, die ein Gesamtprojekt für die wirtschaftliche Nutzbarkeit vorlegte, das die Kanalisierung und den Aufbau von Schleusen und Stauwerken vorsah. Und das wurde umgehend umgesetzt. Bis 1906 wurde der Fluss gebändigt, so dass im Prinzip eine Schiffsverbindung zwischen Prag und dem Seehafen von Hamburg (via Elbe) entstand. Im Zuge dieses Projektes wurde in den Jahren 1902 bis 1905 die Schleuse von Hořín, einem kleinen Ort am Ufer gegenüber von Mělník, erbaut.

Der Architekt, der die Schleuse entworfen hatte, war František Sander, ein Spezialist für technische Bauten, der schon 1903 die 10 Kilometer entfernte Schleuse von Miřejovice gebaut hatte – die dritte Schleuse von der Mündung aus gesehen. Dazwischen liegt nur noch die rund sieben Kilometer oberhalb liegende Schleuse Vraňany.

Es handelt sich bei der Schleuse von Hořín um ein wunderschönes, etwas historisierend daherkommendes Stück Jugendstil – wie er damals modern war. Grobe Rustizierungen zieren Bögen und die Pilaster im Zyklopenmauerstil, die wie Stützsäulen aussehen sollen. Fast wie der Eingang eines Mausoleums sieht der zentrale Treppengang zum Fluss (ebenfalls nicht öffentlich). In der Mitte zwischen den beiden Schleusenbögen befindet sich ein antikisierender Kontrollturm mit Walmdach auf denen eine Aussichtsplattform (nicht öffentlich) mit Fahnenmast ist. Formschöne Laternen zieren die beiden das Ensemble umrahmenden Pfeiler am Geländer. Die äußere Fassade ist mit Medaillons geschmückt; in der Mitte ist eine rechteckige steinerne Plakette, auf der in großen Lettern das Einweihungsjahr 1905 vermerkt ist. Das Ganze wirkt archaisch und wuchtig. Und es macht schon etwas her. Bei einem Schönheitswettbewerb unter den Moldauschleusen könnte die Schleuse von wohl ganz Hořín definitiv eine Favoritenrolle übernehmen.

Hinter den beiden Schleusenbögen befinden sich die Schleusenbecken. Das größere ist 137 Meter lang und 20 Meter breit;. Man sieht esim Bild links. Im Hintergrund kann man das Schloss über Stadt Mělnik sehen, das schon auf dem anderen Ufer der Elbe liegt. Das kleinere Schleusenbecken ist 73 Meter lang und 11 Meter breit. Die Tiefe betrug ursprünglich 4,50 Meter, was die Schiffsgröße der passierenden Boote (heute hauptsächlich Ausflugsboote aus Prag und Kanus und Paddelboote) arg begrenzte. Der dadurch eingeschränkte Nutzen war ein Problem, dessen Lösung man sich 2019 annahm, indem man die Schleuse sperrte und einer grundlegenden Erneuerung unterzog. Seit dem Abschluss der Bauarbeiten im Mai 2021 können hier auch Schiffe mit 7 Metern Tiefgang passieren.

Die damalige Schleusen-Technik aus der Zeit der Eröffnung lässt sich wenigstens teilweise erschließen. Auf dem östlichen (rechten) Ufer neben der Schleuse befindet sich eine kleine Ausstellung oder auch Open-Air-Museum mit den alten Hebezuvorrichtungen und Teilen eines kleinen Kraftwerks, das früh dort installiert wurde. Aber die Technik hat natürlich inzwischen Fortschritte gemacht und die alte war irgendwann nicht mehr hinreichend. Da das Schleusenwerk seit 1958 ein Kulturdenkmal ist und der Status im Denkmalschutz 1985 sogar noch einmal erhöht wurde, musste man bei einer allfälligen Modernisierung der Technik genau darauf achten, dass das Gesamtbild dieses technischen Denkmals nicht in irgendeiner Weise beschädigt wurde. Das hat man in der Tat souverän gemeistert.

Man hat es nämlich vermocht, moderne Technik in großem Maße in den „Körper“ der Schleuse einzubauen, ohne dass man es von außen zunächst sieht. Eine normale Straße mit passendem Kopfsteinpflaster führt in Normalzeiten über den Damm. Nur wenn die Schleuse geöffnet wird, sieht man, wie der ganze Fahrweg plötzlich hydraulich gehoben wird. Man bekommt dann einen Blick ins moderne Innenleben. Dann senkt sie sich wieder (Bilderfolge oberhalb) und man kann hinübergehen (hier Lady Edith und meine Frau) oder -fahren (einspurig). Dann sieht alles wieder so aus, als ob das 21. Jahrhundert niemals seinen Einzug gehalten hätte.

Zu der erneuerten Technik gehört übrigens schon seit dem Jahr 1996 auch das kleine Elekrizitätswerk der Schleuse. Das ist mit einer einzigen Francis Turbine ausgerüstet. Die erbringt 30 Kilowatt Strom. Das sind recht wenig, wenn man das etwa mit der Leistung des oberhalb gelegenen Kleinkraftwerks der Schleuse Miřejovice vergleicht, die 48 Mega-Watt beträgt. Aber Kleinvieh macht ja bekanntlich auch Mist. Die ursprüngliche Turbine (ebenfalls eine Francis Turbine) wurde übrigens ins Technische Museum von Brno (Brünn) in Mähren gebracht, wo sie von den Besuchern bewundert werden kann. (DD)

Gebändigte Moldau

Um Prag mit einer der großen europäischen Wasserstraßen, der Elbe, zu verbinden, hatte man 1896 erfolgreich damit begonnen, den Unterlauf der Moldau nach Norden systematisch zu begradigen und Stauwehre mit Schleusen zu bauen, die das flache Gewässer schiffbar machten (wir berichteten hier). Beim Oberlauf in Richtung Süden bzw. Mündung dauerte es etwas länger und man kam auch bald an die Grenze des für größere Schiffe Machbaren. Das letzte Schleusenwehr dieser Art befindet sich noch innerhalb des Prager Stadtgebiets: Die Schleuse Modřany (Zdymadlo Modřany).

Gebaut wurde die Anlage erst in den Jahren 1979 bis 1987 auf Flusskilometer 66,75. Der Damm verbindet die Stadtteile Modřany (Prag 12) auf dem rechten Ufer mit Velká Chuchle (Prag 5) auf der linken Seite, und zwar über eine Breite von 87 Metern. Die Höhe der verstellbaren Stahlwandelemente beträgt mindestens 3.30 Meter. An der rechten Uferseite von Modřany führen zwei Schleusenkammern vorbei, die 90 bzw. 85 Meter lang, 12 Meter breit und 7 Meter hoch sind, durch die 2007 insgesamt 2633 passierten. Alles ist modern und zusätzlich installierte man am linken Ufer ein kleines Kraftwerk (bild links im Vordergrund), das sich heute im Besitz der 1994 gegründeten Energiefirma Energo-Pro befindet. Drei Kaplan-Turbinen erbingen eine eine Gesamtleistung von 1,62 Megawatt. Durch den Bau des Stauwehrs wurde nun endlich das letzte Kapitel in der Geschichte der Bändigung des Oberlaufs der Moldau geschrieben.

Die Idee, den Fluss zu zähmen, war nämlich nicht neu. Die Moldau südlich von Prag war dereinst voller Untiefen, Stromschnellen und vor allem zu wenig tief für einen Schiffsverkehr mit einigermaßen großen Booten. Den Flussverkehr bestimmten die Flößer (wir berichteten u.a. hier und hier). Deren Arbeit war lebensgefährlich und insgesamt schränkte dies die wirtschaftliche Nutzung des Flusses beträchtlich ein. Schon im späten 17. Jahrhundert versuchte man immer wieder, einige Felsklippen -und -untiefen zu entfernen. 1725 berief die königliche Regierung eine Kommission zur Flussregulierungen ein, die von dem Maler, Architekten und Ingenieur Johann Ferdinand Schor geleitet wurde, und die den Bau von Stauwerken mit Schleusen vorschlug, um den Fluss gleichzeit zu beriuhigen und zu vertiefen. In Modřany, wo die Strömung besonders reißend war, fing man 1729 an. Durch die Stauung sollte der Betrieb von durch Pferde gezogene Treidelboote möglich werden. Leider zerstörte schon das ungewöhnlich heftige Frühjahrseis des Jahres 1730 die Anlage. Nichts, aber auch rein gar nichts blieb von ihr der Nachwelt erhalten.

Mitte des 19. Jahrhunderts ging man nochmals systematischer ran. In den Jahren 1850 bis 1862 wurden unter der Federführung des Industriellen und Eisenbahnmagnaten Karl Adalbert, Freiherr von Lanna (über dessen Stadtpalast in Prag wir bereits hier berichteten) zwischen Prag und Štěchovice Vertiefungs- und Begradigungsmaßnahmen durchgeführt, die die Lage deutlich verbesserten. Aber gerade bei Modřany kam es Ende des Jahrhunderts immer noch ab und an zu Schiffshavarien wegen der (teilweise saisonalen) Stromschnellen dort. Erst in der Zeit der Ersten Republik nach 1918 und danach gab es weitere Verbesserungen. Flussaufwärts wurde außerhalb Prags große Staudämme mit Großkraftwerken gebaut – zuerst in Vrané nad Vltavou (1930-35), dann bei Štěchovice (1937-45) und bei Slapy (1949-55), denen weiter südlich noch weitere sechs folgten. Die dienten nicht nur der Wasser- und Stromversorgung, sondern auch der Flussbereinigung. Der saisonale Wasserstrom konnte einigermaßen gebändigt werden. Ein Grundproblem blieb aber bestehen, nämlich dass bei Modřany das Wasser zu flach war und ein gewisses Risiko blieb.

Und das war der Grund, warum die vielen kleinen Stauwehre, die sich seit Beginn des 20. Jahrhundert (oder, wie im Fall des Wehr bei der Karlsbrücke, schon wesentlich länger) innerhalb von Prag befanden, ab 1979 durch das Wehr in Modřany ergänzt wurde. Die manchmal nur 70 Zentimeter betragende Navigationstiefe südliche des Wehrs auf rund 3,5 Meter erhöht werden. Für größeren Frachtverkehr wird das Ganze nicht mehr wirklich genutzt. Der Bau von Eisenbahnlinien und Straßen machte dies schon um 1900 weitgehend unrentabel. Aber für kleinere Touristenboote und Ausflügler in Paddelbooten oder kleinen Yachten ist der Wasserweg immer noch ungeheuer attraktiv. Die Prager Dampfschiffgesellschaft (Pražská paroplavební společnost) bietet in der Sommersaison Panoramafahrten an, die von der Altstadt Prags durch die Schleuse Modřany bis hin zum Großstaudamm Slapy (ca. 25 Kilometer südlich) führen, wo es keine Möglichkeit für Schiffe gibt, den riesigen Damm zu passieren. Ach ja: Und nur rund 300 Meter oberhalb der Schleuse von Modřany operiert seit 2009 eine kleine Fähre (Nr. P6), die beide Ufer verbindet.

Es gibt natürlich Sicherheitsbestimmungen, ab welcher Fließgeschwindigkeit noch Boote noch die Schleuse passieren dürfen. Das ist wichtig und richtig, denn die Moldau kann die Menschen ab und zu an ihre Vergangeheit als recht wilder Fluss erinnern. Beim großen Hochwasser von 2002 wurde der unter Teil von Modřany dramatisch überschwemmt und musste evakuiert werden. Das Stauwehr maß am 14. August die höchste je gemessene Fließmenge an Wasser, nämlich ganze 5160 Kubikmeter pro Sekunde. Die Schäden am Wehr hielten sich allerdings in Grenzen und waren in einigen Monaten reparariert. Präventive Maßnahmen, die seither eingeleitet wurden, mussten sich weniger um die Schleusentechnik drehen, sondern eher um die Uferbebauung der Umgebung. Bei Modřany ließen sich insbesondere ehemalige Industrieanlagen gut rückbauen, so dass hier ein Netz von Wander- und Radwegen im Grünen entstand, sodass ein Spaziergang, der einem am Stauwehr von Modřany vorbei führt, durchaus angenehm ist. (DD)