
Um Prag mit einer der großen europäischen Wasserstraßen, der Elbe, zu verbinden, hatte man 1896 erfolgreich damit begonnen, den Unterlauf der Moldau nach Norden systematisch zu begradigen und Stauwehre mit Schleusen zu bauen, die das flache Gewässer schiffbar machten (wir berichteten hier). Beim Oberlauf in Richtung Süden bzw. Mündung dauerte es etwas länger und man kam auch bald an die Grenze des für größere Schiffe Machbaren. Das letzte Schleusenwehr dieser Art befindet sich noch innerhalb des Prager Stadtgebiets: Die Schleuse Modřany (Zdymadlo Modřany).

Gebaut wurde die Anlage erst in den Jahren 1979 bis 1987 auf Flusskilometer 66,75. Der Damm verbindet die Stadtteile Modřany (Prag 12) auf dem rechten Ufer mit Velká Chuchle (Prag 5) auf der linken Seite, und zwar über eine Breite von 87 Metern. Die Höhe der verstellbaren Stahlwandelemente beträgt mindestens 3.30 Meter. An der rechten Uferseite von Modřany führen zwei Schleusenkammern vorbei, die 90 bzw. 85 Meter lang, 12 Meter breit und 7 Meter hoch sind, durch die 2007 insgesamt 2633 passierten. Alles ist modern und zusätzlich installierte man am linken Ufer ein kleines Kraftwerk (bild links im Vordergrund), das sich heute im Besitz der 1994 gegründeten Energiefirma Energo-Pro befindet. Drei Kaplan-Turbinen erbingen eine eine Gesamtleistung von 1,62 Megawatt. Durch den Bau des Stauwehrs wurde nun endlich das letzte Kapitel in der Geschichte der Bändigung des Oberlaufs der Moldau geschrieben.

Die Idee, den Fluss zu zähmen, war nämlich nicht neu. Die Moldau südlich von Prag war dereinst voller Untiefen, Stromschnellen und vor allem zu wenig tief für einen Schiffsverkehr mit einigermaßen großen Booten. Den Flussverkehr bestimmten die Flößer (wir berichteten u.a. hier und hier). Deren Arbeit war lebensgefährlich und insgesamt schränkte dies die wirtschaftliche Nutzung des Flusses beträchtlich ein. Schon im späten 17. Jahrhundert versuchte man immer wieder, einige Felsklippen -und -untiefen zu entfernen. 1725 berief die königliche Regierung eine Kommission zur Flussregulierungen ein, die von dem Maler, Architekten und Ingenieur Johann Ferdinand Schor geleitet wurde, und die den Bau von Stauwerken mit Schleusen vorschlug, um den Fluss gleichzeit zu beriuhigen und zu vertiefen. In Modřany, wo die Strömung besonders reißend war, fing man 1729 an. Durch die Stauung sollte der Betrieb von durch Pferde gezogene Treidelboote möglich werden. Leider zerstörte schon das ungewöhnlich heftige Frühjahrseis des Jahres 1730 die Anlage. Nichts, aber auch rein gar nichts blieb von ihr der Nachwelt erhalten.

Mitte des 19. Jahrhunderts ging man nochmals systematischer ran. In den Jahren 1850 bis 1862 wurden unter der Federführung des Industriellen und Eisenbahnmagnaten Karl Adalbert, Freiherr von Lanna (über dessen Stadtpalast in Prag wir bereits hier berichteten) zwischen Prag und Štěchovice Vertiefungs- und Begradigungsmaßnahmen durchgeführt, die die Lage deutlich verbesserten. Aber gerade bei Modřany kam es Ende des Jahrhunderts immer noch ab und an zu Schiffshavarien wegen der (teilweise saisonalen) Stromschnellen dort. Erst in der Zeit der Ersten Republik nach 1918 und danach gab es weitere Verbesserungen. Flussaufwärts wurde außerhalb Prags große Staudämme mit Großkraftwerken gebaut – zuerst in Vrané nad Vltavou (1930-35), dann bei Štěchovice (1937-45) und bei Slapy (1949-55), denen weiter südlich noch weitere sechs folgten. Die dienten nicht nur der Wasser- und Stromversorgung, sondern auch der Flussbereinigung. Der saisonale Wasserstrom konnte einigermaßen gebändigt werden. Ein Grundproblem blieb aber bestehen, nämlich dass bei Modřany das Wasser zu flach war und ein gewisses Risiko blieb.

Und das war der Grund, warum die vielen kleinen Stauwehre, die sich seit Beginn des 20. Jahrhundert (oder, wie im Fall des Wehr bei der Karlsbrücke, schon wesentlich länger) innerhalb von Prag befanden, ab 1979 durch das Wehr in Modřany ergänzt wurde. Die manchmal nur 70 Zentimeter betragende Navigationstiefe südliche des Wehrs auf rund 3,5 Meter erhöht werden. Für größeren Frachtverkehr wird das Ganze nicht mehr wirklich genutzt. Der Bau von Eisenbahnlinien und Straßen machte dies schon um 1900 weitgehend unrentabel. Aber für kleinere Touristenboote und Ausflügler in Paddelbooten oder kleinen Yachten ist der Wasserweg immer noch ungeheuer attraktiv. Die Prager Dampfschiffgesellschaft (Pražská paroplavební společnost) bietet in der Sommersaison Panoramafahrten an, die von der Altstadt Prags durch die Schleuse Modřany bis hin zum Großstaudamm Slapy (ca. 25 Kilometer südlich) führen, wo es keine Möglichkeit für Schiffe gibt, den riesigen Damm zu passieren. Ach ja: Und nur rund 300 Meter oberhalb der Schleuse von Modřany operiert seit 2009 eine kleine Fähre (Nr. P6), die beide Ufer verbindet.

Es gibt natürlich Sicherheitsbestimmungen, ab welcher Fließgeschwindigkeit noch Boote noch die Schleuse passieren dürfen. Das ist wichtig und richtig, denn die Moldau kann die Menschen ab und zu an ihre Vergangeheit als recht wilder Fluss erinnern. Beim großen Hochwasser von 2002 wurde der unter Teil von Modřany dramatisch überschwemmt und musste evakuiert werden. Das Stauwehr maß am 14. August die höchste je gemessene Fließmenge an Wasser, nämlich ganze 5160 Kubikmeter pro Sekunde. Die Schäden am Wehr hielten sich allerdings in Grenzen und waren in einigen Monaten reparariert. Präventive Maßnahmen, die seither eingeleitet wurden, mussten sich weniger um die Schleusentechnik drehen, sondern eher um die Uferbebauung der Umgebung. Bei Modřany ließen sich insbesondere ehemalige Industrieanlagen gut rückbauen, so dass hier ein Netz von Wander- und Radwegen im Grünen entstand, sodass ein Spaziergang, der einem am Stauwehr von Modřany vorbei führt, durchaus angenehm ist. (DD)