Straße der politischen Gefangenen

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Politických vězňů, also „Politische Gefangene“, heißt diese Straße in der Neustadt (Nové Město) nahe des Wenzelsplatzes. Ein ungewöhnlicher Name, der aber schon ahnen lässt, welches Grauen sich dahinter verbirgt.

Das liegt an dem Gebäude mit der Hausnummer 931/20, das auch als Petschek Palais (Petschkův palác) bekannt ist. Begonnen hatte es harmlos. In den Jahren 1923 bis 1929 hatte der Bankier Julius Petschek das Haus vom Architekten Max Spielmann als IMG_2997Bankgebäude im neoklassizistischen Stil bauen lassen. Die (jüdische) Familie konnte gerade noch fliehen als 1939 die Nazis einmarschierten. Die Gestapo nahm das Gebäude sofort als Standgericht in Beschlag. Hierhin wurden fortan Widerständler und Oppositionelle verschleppt, in enge Kellerzellen eingepfercht, brutal verhört und gefoltert. Dann entschied sich, ob sie gleich hingerichtet oder ins Konzentrationslager verschleppt wurden. Unvorstellbare Schrecken fanden in den Mauern dieses Gebäudes statt.

IMG_2998Seit 1948 gehört das Gebäude dem Handelsministerium. Die Bürde der Geschichte kann und soll es aber nicht abschütteln. Draußen ist eine Gedenktafel mit Skulptur der Bildhauer Jiří Prádler und Zdeněk Vodička angebracht. Und drinnen befindet sich ein kleines Museum, das Besuchergruppen nach Voranmeldung besichtigen können.

Auch der Entscheid, die Straße „Politische Gefangene“ zu nennen, soll die Erinnerung an die Nazigräuel wachhalten. Eine ironische Fußnote der Geschichte ist, dass sich heute in IMG_2999derselben Straße (aber in einem anderen Haus, nämlich der Nr. 1531/9) seit jeher das Hauptquartier der immer noch recht dogmatisch leninistischen tschechischen Kommunistischen Partei (KSČM) befindet, die ihre eigene Vergangenheit bisher kaum aufgearbeitet hat. Manche Tschechen meinen, dass die Benennung der Straße aus diesem Grunde auch ein Seitenhieb gegen die Verbrechensherrschaft der Kommunisten gewesen sein könnte, die zwar nicht am selben Ort, aber prizipiell dennoch ähnliche Verbrechen an politischen Gefangenen begangen haben. Da die Straße aber schon seit 1946 – also auch während der ganzen kommunistischen Ära – so hieß, dürfte dies wohl nicht den ursprünglichen  Absichten entsprechen. (DD)

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