Gotische Fresken und ein Gang durch die Kunstgeschichte

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Steht man davor, sieht man ein modernes, ja avantgardistisches Gebäude. Und es stimmt auch: Die schwungvolle Betonkonstruktion der Türme der Kirche des Emmaus-Klosters in der Nähe des Karlsplatzes wurde erst 1967 erbaut. Entworfen wurde sie vom Architekten František M. Černý.

IMG_6427Dahinter verbirgt sich die Tragödie des Zweiten Weltkriegs. Die Klosterkirche war eines der wenigen Gebäude Prags, das durch einen alliierten Luftangriff im Februar 1945 schwer beschädigt worden war. Man verzichtete darauf, den vorherigen Zustand wiederherzustellen, denn der entsprach auch nicht dem Originalzustand. In den 1880er Jahren hatte man die Türme im neogotischen Stil völlig neugestaltet. Zuvor befanden sich hier zwei barocke Türme aus dem späten 17. Jahrhundert, die ihrerseits den ursprünglichen mittelalterlichen Bau ersetzt hatten. Deshalb beschloss IMG_6429man gleich, etwas Neues zu probieren. So mutet die Gesamtanlage des Klosters heute wie ein Gang durch die Kunstgeschichte vom Mittelalter bis zur Moderne.

Ursprünglich war der Bau eine Stiftung Kaiser Karls IV. an die Benediktiner aus dem Jahre 1347. Es war das erste Benediktinerkloster in Böhmen überhaupt. Trotz des Bombenangriffs und der modernen Turmaufbauten ist denn auch der mittelalterliche Gesamteindruck weitgehend erhalten geblieben.

Das zeigt sich nicht nur am Inneren der Kirche, dem imposant gotischen Schiff (kleines Bild oben links), das aber leider durch den Bombenbrand und die darauf folgenden Löscharbeiten etwas karg IMG_6433ausgestattet wirkt, sondern vor allem auch am Kreuzgang des Klosters. Er macht die Kirche zu einem wahren Juwel.

Das Spitzbogengewölbe ist perfekt erhalten und zeichnet sich durch seine frische Ornamentik aus. Das einmalige „Highlight“ sind jedoch die größtenteils vollständig, aber teilweise auch nur fragmentarisch erhaltenen Fresken an den Wänden mit paarweise angeordneten Szenen aus der Bibel. Sie gehören zu den schönsten Wandmalereien dieser Art überhaupt in Böhmen. Das große Bild unten zeigt zum Beispiel Mariä Verkündung (Lukas 1,26–38) .

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Oder hier (d.h. rechts) sieht man die Vertreibung aus dem Paradies (Genesis 3.19). Da ist es am Ende keine Frage, dass man sich dann doch IMG_6432etwas Zeit nehmen sollte, um die auch auf Schautafeln äußerst kompetent in tschechisch und englisch erläuterten biblischen Geschichten ausführlich zu würdigen.

Wie überhaupt die didaktische Aufbereitung des zur Besichtigung freigegebenen Teils des Klosters recht vorbildlich ist!

Ein kleiner Ausstellungssaal für passende Wechselausstellungen, das barock gestaltete Refektorium und die hübsche gotische Kaiserkapelle, bei der die verbrannten  originalen Bilder nach dem Bombenfeuer thematisch nachempfunden wurden, schließen einen sich lohnenden Besuch ab. (DD)

 

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