Trinkspruch, oder was?

Über dem Eingang steht in Stuck geformt der Gruß: „Dej Bůh štěstí“, was soviel bedeutet wie „Gott gebe Segen“. Die Tschechen verbindet man diesen Ausspruch vor allem als Trinkspruch mit dem Genuß eines guten Bieres in der Hospoda um die Ecke.

Das Brauen von Bier wurde erst im frühen 19, Jahrhundert eine genaue Wissenschaft. Im Jahre 1801 verfasste Franz Andreas Paupie (Tschechisch: František Ondřej Poupě) 1801 das erst wissenschaftliche Buch über die Zubereitung von Bier (worüber wir hier berichteten), und erst nach und nach gab es die ersten professionellen Brauereien, die mit genauen Rezepturen und genauen Messverfahren die Gerstensaft in gleichbleibender hoher Qualität produzierten. Vorher folgte man eher der mündlichen Überlieferung, die von den bereits Erfahreren zu den Anfängern weitergereicht wurden. Nun ja, der Brauer musste jede Charge (Kapazität eines Sudhauses), die ja jedesmal ein wenig anders aussah, segnen und die Helfer beteten für das Gelingen: „Dej Bůh štěstí“. So lautet jedenfalls die Legende.

Man sieht diesen Schriftzug in der Lumírova 446/7 im Stadteil Nusle direkt unter dem Aufstieg zum Vyšehrad. Doch was hat dieses Gebäude mit dem berühmten Trinkspruch und Brauergebet zu tun? Dieses Haus wurde 1905-06 nach den Plänen des Architekten Emil Moravec im Neobarockstil erbaut. Weil sich der Modegeschmack änderte, wurde noch während der Bauarbeiten von Jaroslav Benedikt die Fassade in Richtung Jugendstil-Neorenaissance verändert. Ob im Untergeschoß eine kleine Wirtschaft geplant war, zu der der Spruch passend gewesen wäre, entzieht sich meiner Kenntnis. An sich war es als reines Mietshaus geplant.

Nun ja, der Spruch „Gott gebe Segen“ ist ja an sich an ohne jeden Bierbezug. Neben der überragenden Bedeutung als Trinkspruch kennt man es auch als ein berühmtes Weihnachtslied, das durch eine von dem Archivar, Historiker und Sammler von Volksmärchen und -liedern Karel Jaromír Erben herausgegebene bekannte Liedersammlung von 1864 veröffentlicht und popularisiert wurde (hier ein Hörbeispiel). Aber dieser saisonale Bezug dürfte angesichts der Permanenz der Stuckarbeit hier wohl eher unwahrscheinlich sein. Kurz: Wir wissen es nicht. Für Hinweise bin ich natürlich dankbar. Als Eingang für eine Hospoda böte sich der Schriftzug natürlich an. Aber vielleicht waren weder der Trinkspruch. noch das Weihnachtslied gemeint. Möglicherweise wollte der Besitzer den durch die Tür schreitenden Besuchern und Bewohnern nur Gottes Segen angedeihen lassen. (DD)

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