En kölsch Mädche op däm Wäch vun Prag zor Mongolei

Kölsche Mädche sin jefährlich, diese Weisheit des karnevalistischen Liedguts wird mittlerweile auch in Prag zumindest unter Przewalski-Pferden kaum mehr in Frage gestellt. Denn der Prager Zoo (unser Bericht hier) mag eines der wichtigsten Zuchtprogramme für die wilden Pferde betreiben, die Chefin der Herde, die im April 2021 im neu eröffneten großen Freigehege ausgewildert wurde, ist jedoch unumstritten Lana aus Köln.

Die Infotafel am Zaun des neuen Riesengeländes informiert darüber, dass sie eine „občas náladová klisna“ (zu Deutsch: eine gelegentlich launische Stute) sei und am 21. August 2016 im Kölner Zoo geboren wurde. Aber wer sind diese Pferde, deren rheinisch-kapriziöse Anführerin sie ist? Nun, die Przewalski-Pferde gelten als die „letzten echten Wildpferde“. Die Pferderasse wurde 1881 erstmals in der Mongolei entdeckt und in der Folge immer mehr durch den Menschen dezimiert. Um 1967 starb das letzte freilebende Pferd dieser Art. Aber es gab immerhin noch einige Exemplare in europäischen Zoos. Doch auch hier gab es Probleme, da die Tiere sich in Gefangenschaft nur schlecht vermehrten. 1956 gab es nur noch 41 Pferde in menschlicher Obhut. Es sah gar nicht gut für die Przewalski-Pferde aus. Etliche Zuchtlinien endeten. nach dem zweiten Weltkrieg gab es nur noch in den Zoos von München und Prag größere Bestände. Bei Zuchtlinien kamen aber in den 1960er Jahren – der Zeit des Kalten Krieges – kaum zusammen. Inzucht in den einzelnen Herden war die Folge.

Aber zu diesem Zeitpunkt hatte der Prager Zoo bereits Initiativen ergriffen, um die Przewalski-Pferde zu retten. Hier hatte man schon in den 1930er Jahren mit der Zucht begonnen (als es noch wildlebende Pferde gab). 1959 lud der Zoo erstmals zu einem Internationalen Symposion zur Rettung der wackeren Equiden ein. Dort wurde beschlossen, dass der Prager Zoo das Weltzuchtbuch führen und damit Koordination der Zuchtmaßnahmen übernehmen solle. Was man auch brav tat. Und so erreichte die Weltpopulation in Zoos 1983 erstmals die Marke 500 und im Jahre 1990 waren es bereits 1000. Schön und gut, aber es war egal, wieviele es waren, solange das Leben der Tiere nur hinter Zoogittern verlief. Ein Wildpferd muss wild und frei leben dürfen! Auch internationale Initiative wurde darob das 1975 gegründete Große Gobi-B-Schutzgebiet in der Heimat der Przewalskis 1992 zu einem Auswilderungsgebiet unter strengem Schutz erklärt. Schon 1988 hatte man bereits Pferde von Prag in dieses Gebiet organisiert. Seither hat sich das Zusammenspiel von internationalen Naturschutzorganisation und der Tschechischen Luftwaffe (die die Transportmaschinen stellt) hervorragend entwickelt.

Zwischen 2011 und 2019 wurden alleine 34 Pferde aus dem Prager Zoo in die Mongolei geflogen. Das führte nach einiger Zeit zu einer markanten Vermehrung wildlebender Przewalskis in Gobi-B. 2020 waren es erstmals über 300 Exemplare. In dieser Zeit gab es bereits andere Schutzparks in der Monoglei mit ebenfalls hunderten Pferden. Im Nationalpark Chustain Nuruu waren es 2020 sogar 380. . Aber an das Auswildern muss man sich als Pferd auch gewöhnen. Erst lebt man in einem Zoo unter liebevoller Fürsorge und wird im Trog gefüttert und von den Wärtern gestriegelt und dann befindet man sich nach langem Flug auf einmal in einer semi-ariden Landschaft, wo man sich sein Fressen selbst zu suchen hat. Darauf sollte man vorbereitet werden. Das tat man so gut es die Fazilitäten des Zoos erlaubten. Das war, so sah man irgendwann ein, nicht genug.

Es musste ein größeres Stück Land her, in dem sich die Pferde so naturnah und frei, wie es in Prag nur möglich ist, ausleben können. 2011 begann man mit ersten Planungen und 2019 fing man an, im Südwesten Prags bei Dívčí hrady (Prag 5), rund acht Kilometer Luftlinie südlich des Zoos und hoch über dem Naturschutzgebiet des Prokoptals (Prokopské údolí) und neben dem denkmalgeschützten Areal der altslawischen Wallburg von Děvín (hrad Děvín) – über die wir bereits hier berichteten – ein großes Freigehege einzurichten. Das hat etwas über 500×500 Meter Ausmaße. Im Bild rechts sieht man den durch Zaun separierten Stall, der aber nur genutzt wird, wenn Fohlen geboren werden oder es einen Notfall gibt. Ansonsten hat man sich als Pferd draußen auszutoben. Das ist ja der Zweck der Sache.

Das ganze Areal umgibt ein riesiger, hoher und unüberwindbarer (für Mensch und Tier) Zaun. Einige Meter hinter dem Zaun ist n ein kleiner Drahtzaun, der dafür sorgt, dass der Abstand von Mensch und Pferd genügend weit ist, und dass niemand auch nur auf die Idee kommen kann, die Pferde zu füttern – was auch streng verboten ist. Das Areal ist so groß, dass man schon manchmal ein Stück drumherum spazieren kann, ohne auch nur ein einziges Pferd zu sehen. Ein wenig helfen einem die drei hölzernen Beobachtungsplattformen, von denen man im Bild links eine in der Ferne sieht, zusammen mit ebenfalls weit entfernten Przewalskis. Seit der Eröffnung des Großgeheges im April strömen die Besucher aus der Stadt nur so hierhin, um die Tiere zu bestaunen.

Zunächst waren es nur eine handvoll Stuten, die hier freigelassen wurden. Nach und nach sollen auch Hengste kommen, sodass hier nicht nur ausgewildert, sondern auch gezüchtet wird. Die Fohlen werden dann unter naturnäheren und realistischeren Bedingungen geboren und aufwachsen als es im Zoo selbst der Fall gewesen wäre.

Und in nicht allzu langer Zeit wird es für viele der Pferde hier oben heißen, Abschied vom schönen Prag zu nehmen. Dann geht es in die Mongolei, wo schon viele andere Przewalski-Pferde warten. Lana, die Chefin der Herde, wird dann in der Ferne führungsstark den rheinischen Frohsinn unter den Equiden verbreiten. Am kölschen Wesen kann die Welt ja nur genesen! (DD)

PS: Für Nicht-Kölner: Der Titel dieses Beitrags lautet auf Hochdeutsch „Ein kölnisches Mädchen auf dem Weg von Prag zur Mongolei“.

Senatoren im Pferdestall

Immer wieder wurde in der Vergangenheit diskutiert, ob Tschechien nun wirklich zwei Parlamentskammern brauche. Wozu einen Senat als Erste Kammer, wenn doch das Abgeordnetenhaus genügt, um mit einfacher Mehrheit Gesetze zu verabschieben? Inzwischen weiß man allerdings den Senat als Wächter der Verfassung und der Rechte der Bürger zu schätzen.

Die (im Gegensatz zur proportional gewählten zweiten Kammer) direkt in Wahlkreisen im Rotationsverfahren gewählten Senatoren bestimmen die Verfassungsrichter, die dadurch gegenüber der Legislative und Exekutive unabhängiger werden. Sie können rechtswidrige Gesetze der zweiten Kammer ablehnen und zur Wiedervorlage bringen. Wahlrecht und Verfassung kann man ohne Zustimmung des Senats nicht ändern. Das hat die Tschechische Republik bereits vor machen Übermut der Regierenden bewahrt und insgesamt geholfen, die liberale Demokratie im Lande zu schützen.

Und noch etwas gefällt am Senat, nämlich das einzigartige Gebäude, in dem er residiert. Der ursprüngliche Besitzer war möglicherweise nicht gerade ein überzeugter Verfassungsliberaler, aber er hinterließ der Nachwelt einen großartigen Palast. Und gleich im Eingangsbereich begrüßt er die Besucher in Stein gemeißelt: Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, durch Friedrich Schiller gemeinhin als Wallenstein bekannt, der große Heerführer der kaiserlichen Truppen im Dreissigjährigen Krieg. Die Statue, die inzwischen restauriert wurde, ist ein Werk des Bildhauers Ludvík Šimek aus dem Jahre 1873.

Über den öffentlich zugänglichen Teil des von 1623 bis 1630 erbauten Barockpalastes (Valdštejnský palác bzw. Waldstein Palast) und seinem Garten hatten wir bereits hier berichtet.

Die Senatoren führen ihre Sitzungen in einem Plenum durch, das unter Wallenstein noch der Pferdestall war. Fast muss man an den römischen Kaiser Caligula denken, der einst sein Pferd zum Senator machte. Aber an derartiges hat man wohl nicht gedacht, als man den Senat hier etablierte. Im Gegenteil: Dass der einem der Ex-Stall heute für den Zweck sehr angemessen vorkommt, sagt bereits vieles über den Pomp und die Pracht des Gebäudes aus, das man übrigens einmal im Jahr an einem Tag der offenen Tür (meist am 28. Oktober) öffentlich besichtigen kann. Kein Senator muss sich schämen, im Pferdestall zu tagen. Seit 1945 befindet sich das Gebäude in Staatsbesitz und wurde nach der Samtenen Revolution von 1989 zum Sitz des Senates, der erst Umabumaßnahmen treffen musste, bevor er 1996 hier einzog. Die Kommunisten benötigten bis dahin nur ein Einkammersystem, da sie sowieso nicht an Verfassungsschranken für ihre Macht glaubten. Gut, dass das vorbei ist.

Das Prunkstück des Senats ist allerdings die Große Halle, die als Festsaal für Zeremonien und kulturelle Veranstaltungen dient. Hier hat sich Wallenstein sein großes Denkmal gesetzt. Den 10,5 Meter hohen Saal schmückt ein riesiges Deckenfresko, das 1628 von dem italienischen Domenico Pugliani nach früheren Entwürfen von Baccio del Bianco aus dem Jahr 1623 gemalt wurde. Vordergründig zeigt es eine klassisch antike Allegorie auf Krieg und Sieg, aber die Gesichtszüge des Kriegsgottes Mars auf dem Streitwagen sollen den Gesichtszügen Wallensteins sehr ähneln.

Es wurde also eine Art Vergöttlichung des Eigentümers betrieben. Umrahmt ist das große Fresko von reichen und üppigen Stuckarbeiten der ebenfalls italienischen Stuckateure Domenico Canevalle und Santino Galli. Sie zeigen – wie es so üblich war bei Feldherrenverehrungen in der Barockzeit – viele Fahnen, Waffen und Trophäen, aber vor allem auch geflügelt antike Siegesgötinnen, die auf den Kapitellen der Säulen stehen. Wallenstein hatte nicht viel von diesen Lobhudeleien. Die meiste Zeit befand er sich sowieso nicht in Prag, sondern auf einem seiner Feeldzüge. Und 1634 ließ der Kaiser den allzu mächtig Gewordenen ermorden.

Während der Festsaal behutsam an die neuen Bedürfnisse des Senats angepasst wurden, wurden andere Räume und Säle bereits im 19. Jahrhundert gründlicher im Sinne des Zeitgeschmacks umgestaltet, wie etwa der im kleinen Bild rechts abgebildete Sitzungssaal im ersten Stock.

Zu erwähnen seien noch die soliden frühbarocken Treppenhäuser, die die Stockwerke verbinden, bei denen es sich hauptsächlich um Wendeltreppen handelt. Sie sind gerade deshalb, weil sie ohne die Ornamentik und Stuck der Säle auskommen, besonders beeindruckend. Sie wirken eigentlich passender zum militärischen Geist, der den Mythos Wallensteins umgibt, als es die Barockensäle oben im Gebäude tun. Eine gewisse Ehrfurcht überkommt einem, wenn man hinausgeht und nachdenkt, dass hier dereinst Geschichte geschrieben wurde, die das Schicksal Böhmens, Deutschlands und Europas bestimmte.

Noch bevor man den geschlossenen Teil des Senats betritt, findet man links am Eingangsbereich noch die kleine Wenzelskapelle (kaple sv. Václava). Sie wurde um 1624 erbaut. Der barocke Hochaltar, den der Bildhauer Ernst Johann Heidelberger da zuschuf, ist einer der frühesten seiner Art in diesem Stil in Prag überhaupt. Sie ist meiste geschlossen, aber durch das Eingangsgitter kann jeder Besucher (ohne Genehmigung) sich dieses Kulturdenkmal anschauen.

In der Nähe befindet sich auch das Informationszentrum des Senats, wo man sich tagsüber informieren kann, was es sowohl mit diesem historisch bedeutsamen Gebäude als auch mit der Rolle des Senats in der Politik des Landes auf sich hat. (DD)

Pferd und Madonna

Das Pferd wurde in der frühen Neuzeit gerne als Motiv für Hauszeichen verwendet, wie wir unter anderem bereits hier zeigten. Solche Hauszeichen hatten gleichermaßen die Funktion, für das Gewerbe, das in den Haus betrieben wurde, zu werben, und in einer Zeit, da es noch keine offiziellen Hausnummern gab, eine Adresse auffindbar zu machen.

Dieses hübsche Pferd mit den etwas kurz geratenen Vorderbeinen gab daher auch dem Haus den Namen: dům U Černého koníčka (Haus zum Schwarzen Pferdchen). Es befindet sich in der Prokopská 297/10 auf der Kleinseite. Das Gebäude steht auf gotischen Fundamenten und wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts im Renaissancestil umgebaut. Später folgten Überarbeitungen im Barockstil und im Klassizismus.

Das Pferd diente oft als Hauszeichen für Gaststätten. Und tatsächlich befindet sich hier auch heute noch ein Restaurant, das von den vielen Touristen in diesem Areal gerne besucht wird. Nun gab es das Pferd als Hauszeichen in Prag öfters und es existieren sogar mehrere Häuser „zum Schwarzen Pferd“, etwa dieses hier. Vielleicht (oder vielleicht auch nicht) war das der Grund, weshalb man zwecks Erreichung individueller Erkennbarkeit oberhalb des Pferdes noch ein zweites Hauszeichen anbrachte, das die Heilige Jungfrau Maria mit dem Kind zeigt. Vielleicht (oder vielleicht auch nicht) war es aber auch nur als Segenswunsch für das Haus gedacht.

Beide in große Kartuschen gefasste Stuckwerke stammen aus der barocken Ausbauphase, also aus dem späten 17. oder frühen 18. Jahrhundert. (DD)

Städtischer Pferdehof

Noch bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts beherrschte das Pferd und nicht das Auto die Straßen Prags. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Effektivität der Stadtverwaltungen im Stadtgebiet erhöht und die öffentlichen Dienstleistungen verbessert. Auch hier war das Pferd unverzichtbar, ob es um den Bau von Infrastruktur oder vor allem die Feuerwehr ging. Wenig erinnert noch an den öffentlichen Pferdebetrieb, wenn man durch das heutige Prag geht. Der etwas heruntergekommene alte Pferdehof in der Varšavská 200/12 in Vinohrady (Prag 2) ist eines der wenigen erkennbaren Beispiele.

Vinohrady wurde erst 1922 Teil Prags und unterhielt daher zuvor selbst umfangreiche öffentliche Dienstbetriebe. Der Gemeindehof (obecní dvůr) in der Varšavská wurde 1883 erbaut und 1898 noch ein wenig vergrößert. Es handelt sich um ein Gebäude im Neo-Renaissancestil. Die Gebäudestruktur (mit alten Läden, Werkstätten und Ställen) ist u-förmig und in der Mitte der Struktur steht ein separates zweistöckiges Haus, das den Hof in zwei Teile aufteilt, die durch Tore zu betreten sind.

Auf den beiden Toren findet man in Stuck jeweils das alte Wappen von Vinohrady und je einen Pferdekopf (großes Bild oben). Einem der Pferdeköpfe war übrigens der erste Beitrag dieses Blogs überhaupt gewidmet. Damals wusste ich allerdings noch nicht so recht, worum es sich bei dem dazugehörigen Gebäude handelte.

Im wesentlichen scheint der Gebäudekomplex der damaligen Feuerwehr von Vinohrady als Stall, Lager und wohl auch als Unterkunft von Bediensteten gedient zu haben. Die Ställe wirken recht eng und dunkel. Ob die den heutigen Tierschutzbestimmungen entsprachen? Wahrscheinlich nicht. Heute sieht man in Prag Pferde auf den Straßen nur noch in Form von einigen Droschken für Touristen im Bereich der Altstadt (Bild links). Die Pferde dort sehen im Vergleich zu denen in anderen Hauptstädten aber recht gepflegt und gesund aus (die Tschechen sind halt Tierfreunde), so dass man hoffen kann, dass sie in schöneren Ställen nächtigen.

Heute scheinen einige Kleinfirmen, von denen manche nicht mehr recht aktiv wirken, hier ihren Sitz zu haben. Das Ganze sieht etwas abgenutzt und desolat aus. Kürzlich hing eine Notiz in einem Fenster, dass hier bald eine Renovierung erfolgen könnte. Das wäre auch in hohem Maße wünschenswert, denn eigentlich ist dieses Gebäude eines der hübschesten und architektonisch interessantesten in der Varšavská. Und eben einer der Erinnerungsorte daran, wie alltäglich und wie wichtig Pferde dereinst für unser öffentliches Leben in unseren Städten waren. (DD)

Nachtrag Dezember 2021: Seit einigen Monaten haben Umbau- und Renovierungsmaßnahmen begonnen. Während innen das Gebäude entkernt wurde und noch neu gestaltet wird, ist die Fassade schon in neuem Glanz erstrahlt. Man freut sich über den Anblick…

Saal mit Pferderampe

Wer eine ungewöhnliche Ausprägung des gotischen Stils in Böhmen kennenlernen will, der gehe in den Alten Königspalast in der Burg und sehe sich den Vladislav-Saal an. Schon die Ausmaße sind beeindruckend. Mit 62 Meter x 16 Meter x 13 Meter handelte es sich seinerzeit um die größte säkulare Gewölbestruktur Böhmens (möglicherweise sogar der Welt), d.h. sie kam ohne Stützpfeiler in der Mitte aus.

Aber die Größe ist nur das eine, das andere ist der Stil. Ursprünglich stand hier ein romanisches Gebäude aus der Regierungszeit von Soběslav II. im 11. Jahrhundert, wovon es im Untergeschoss noch Reste zu sehen gibt. Der Saal in seiner heutigen Form wurde jedoch unter Vladislav II. Jagiello, einem Sproß des polnischen Königsgeschlechts, in den Jahren 1493 bis 1500 gebaut.

Den Stil, der während seiner Regierung für kurze Zeit en vogue wurde, nennt man unter Kunsthistorikern sogar nach ihm Vladislav- oder
Jagiellonen-Gotik (Jagellonská gotika). Deren Blütezeit endete sehr schnell aus Gründen, die man dem Bau sofort ansieht. Es handelte sich nämlich um einen typischen Übergangsstil, in diesem Fall um ein letztes „Aufbäumen“ der Gotik und das erste Erscheinen der Renaissance, die dann die Gotik ablöste. In mancher Hinsicht erinnert dies an den Perpendicular Style im England der gleichen Zeit.

Wie man am Deckengewölbe des Vladislav-Saals sehen kann, markieren die Rippen des nicht mehr nur die architektonische Stützstruktur, sondern lösen sich spielerisch zu neuen Mustern auf. Das unterscheidet das Ganze zum Beispiel von der wesentlich strengeren Hochgotik zur Zeit Karls IV..

Erbaut wurde der Saal von dem Baumeister Benedikt Ried von Piesting, der sich anscheinend der Zeitenwende in der Architektur sehr bewusst war. Denn die verspielten gotischen Gewölbe werden bereits durch klassische Renaissanceportale und Fenster (die man von Außen schön erkennen kann) ergänzt, die an antike Vorbilder angelehnt sind.

Seit Anfang des 18. Jahrhunderts fanden in dem Saal Krönungsfeiern statt und auch heute wird er für wichtige Staatsfeste und -akte genutzt, etwa für die Vereidigung des Präsidenten. Vorher tagte hier auch der ständische Landtag, weshalb auch von einem Nebenraum aus im Mai 1618 im Zuge des Ständeaufstands der Zweite Prager Fenstersturz (unser Bericht hier) stattfand . Aber auch ohne politischen Ärger ging es hier eher etwas rauer zu. In den Zeiten König Vladislavs wurde im Saal vor allem gefeiert. Das konnte wüst werden, etwa wenn drinnen regelrechte Turniere mit Rittern auf Pferden veranstaltet wurden. Das erklärt auch, warum der sehr breite Treppenaufgang vom Hof eher eine abschüssige Rampe mit nur wenigen sehr niedrigen Stufen ist. Normal gebaute Treppen wären für Pferde ungeeignet gewesen. (DD)

Barockes Pferd

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Darstellungen von Pferden waren im Zeitalter des Barock wegen ihrer Eleganz als ornamentale Verzierung von Häusern gerne gesehen. Dieses besonders hübsche Pferd in einer mit Girlanden verzierten Kartusche mit Goldhintergrund befindet sich über einem der Fenster des ersten Stocks eines Hauses in der Myslíkova 282/26 (Neustadt, Nähe Karlsplatz). Die Geschichte dieses zweistöckigen Hauses lässt sich bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgen, doch die gegenwärtige barocke Gestalt bekam es erst Anfang des 18. Jahrhunderts – samt Pferd. Im Hause befindet sich ein kleines Hotel unter dem passenden Namen U Černého Koníčka (Zum Schwarzen Pferdchen). (DD)

Tschechiens großes Kino

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Auch ohne das umwerfende Kino wäre das ganz in der Nähe des Wenzelsplatzes gelegene Luzerna Palais (Palác Lucerna) schon für sich genommen eine kleine historische Sensation. 1906 begann der Großvater des späteren Präsidenten Václav Havel mit dem Bau eines Multifunktionshauses, das die erste großstädtische Einkaufspassage des Landes IMG_1815beinhalten sollte. Die neuartige Eisen-Beton-Konstruktion galt als geradezu revolutionär. Die Moderne zog glitzernd und glänzend in Prag ein. Aber das am 3. Dezember 1909 fertiggestellte Kino war es, was dann den Ort wirklich berühmt machen sollte – zurecht!

Im Grunde sind es zwei Kinosäle mit verschiedenen Eingängen. Tritt man von der Stěpanská aus in die ästhetisch irgendwo zwischen Jugendstil und Art Déco angesiedelte Passage mit den Design des Bildhauers Václav Prokop im Eingangsbereich, dann findet man gleich links den Eingang zur legendären Großen Halle des Palais, die für Konzerte bis zu 4000 Zuschauern Platz bietet, aber auch als Ballsaal dient.

Vorbei an schicken Läden und Restaurants und einer Kunstgallerie (im ersten Stock) kommt man weiter innen zum großen zentralen IMG_1819Kuppelsaal der Passage. Dessen Konstruktion aus Stahl und speziell verstärktem Glas wäre schon für sich genommen äußerst sehenswert. Das Treppenhaus (Bild links), das zu der im ersten Stock gelegenen, seltsamerweise Café (Kavárna) genannten Kinobar ist das, was man heute einen Hingucker nennt. Bei Filmpremieren ist das zugleich der Ehrenaufgang für die großen Stars, die sich hier die Ehre geben und durch Gedränge und Kamerablitze bewegen müssen.

Die Bar, IMG_1818die allerdings ein etwas übersichtliches Getränkeangebot bietet und auch keine Speisen dazu (außer Kleinsnacks wie Erdnüsse), befindet sich im ersten Stock des Kuppelsaals und hat eine breite Fensterfront, die – über ein Glas Bier oder Wein hinweg – einen Blick über die Passage in ihrer ganzen Pracht erlaubt. Wegen des Ausblicks lohnt sich ein Besuch, wenn man sich für einen Drink einen Fensterplatz ergattern kann. Die Pracht der Passage fällt den Besuchern auf den ersten Blick gar nicht so auf, denn: Heute wird der ganze Kuppelsaal noch einmal durch die recht schräge parodistische IMG_0276Version des Wenzelsdenkmals des zum anarchischen Humor tendierenden David Černý aus dem Jahr 1999 aufgewertet, die seither der zentrale Blickfang des ganzen Palais ist  – Wenzel auf einem an allen Vieren aufgehängtem toten Pferd (siehe früheren Beitrag hier). Der lenkt von den anderen Attraktionen ein wenig ab. Daneben ist nun endlich der Eingang zu den beiden Kinosälen. Die Treppe, die zu ihnen hinaufführt, ist pompös und erlaubt aus den Fenstern noch einmal den Blick auf den Kuppelsaal und den Wenzel mit seinem toten Pferd aus einer ungewohnten Perspektive von seitlich oben.

IMG_0280Ganz oben befindet sich der Maly Sál (Kleiner Saal). Der Saal selbst ist, wie der Name sagt, klein und auch keine architektonische Besonderheit. Das mag damit zusammenhängen, dass er erst 2013 eingerichtet wurde als die Zeit des großen Kinopomps schon lange vorbei war. Aber die Bezüge der insgesamt nur 51 Sitze mit den Portraits berühmter internationaler und tschechischer Stars des Kinos sorgen dafür, dass auch hier eine gewisse Originalität eingezogen ist.

Aber nun zum Prunkstück, dem Velky Sál (Großer Saal). Seit 1909 läuft hier Kino. Es ist das älteste noch funktionierende Kino des ganzen Landes. 1929 wurde hier  der erste Tonfilm im Lande aufgeführt. Bis heute finden fast alle wichtigen tschechischen IMG_1808Filmpremieren hier statt. Dann tummeln sich die Stars im Palais. Kurz: Dieser Saal, der rund 450 Zuschauer fasst,  ist das tschechische Kino schlechthin.

Dazu trägt natürlich auch die Ästhetik der Saaldekoration bei, die man bei moderneren Kinobauten meist vermisst. Es handelt sich dabei um eine etwas wilde Mischung von Art Déco und Neobarock. Die moderne Architektur gibt mit ihren Stahlstreben die Raumstruktur vor, während IMG_1810sozusagen die Zwischenräume mit Barockengeln und Rocaillen ausgefüllt wurden. Der Mix macht den Raum zu etwas besonderem.

In kommunistischen Zeiten war der ganze Lucerna-Komplex, also auch das Kino, verstaatlicht. Nach der Samtenen Revolution wurde er aber wieder an die Familie Havel zurückgegeben.

Heute lohnt es sich, erst einmal ein wenig durch die Passage zu schlendern, um dann ins Kino zu gehen. Es werden dort im Programm nicht nur tschechische, sondern auch viele englischsprachige Filme (mit tschechischen Untertiteln) angeboten. Irgendwie ist das Kino aber auch als solches so schön, dass man auch einmal reingehen kann, ohne den Film so richtig zu verstehen.

Geht man nach dem Kino – ganz gleich, ob im kleinen oder großen Saal – diesmal auf der anderen Seite der Passage, an der Vodičkova, heraus, dann passiert man weitere Läden und die Hospoda Lucerna, ein Keller-Restaurant, (mit gottlob nicht hörbarer Disco im Nebenraum), das ein wenig den Flair der 20er Jahre widerzugeben versucht, jene Zeit als die große Kinowelt des Luzerna Palais zu glänzen begann. (DD)

Schubert und das schwarze Pferdchen

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Vielleicht hat man es später umgefärbt. Warum das Haus mit dem hübschen blauen Pferd denn nun U černého koníčka – zu Deutsch: Zum Schwarzen Pferdchen – heißt, konnte ich nicht klären. Ich finde, das Pferd ist ganz klar blau. Aber um ansehnliches und historisch bedeutendes Gebäude handelt es sich allemal. Franz Schubert soll hier im Malé náměstí 456/14 inmitten der Altstadt einen kleinen Teil seiner frühen Kindheit verbracht haben.

IMG_1629Ursprünglich stand hier ein romanisches Haus aus der Frühzeit der Altstadt. Die Kellergewölbe sollen noch aus dieser Zeit stammen. Ende des 16. Jahrhundert wurde der obere Teil jedoch im Renaissancestil neugestaltet und auch das kleine Pferdchen an der Wand über dem Erdgeschoss stammt aus dieser Zeit. Die Fassade wurde jedoch um 1820 noch einmal umgestaltet, sodass das Haus heute definitiv nach Biedermeier-Klassizismus aussieht.

1801 kaufte Franz Schuberts Vater das Haus. Der kleine Franz dürfte also hier eingezogen sein als er vier Jahre alt war, nur um schon zwei Jahre später nach Wien zum Musikunterricht geschickt zu werden. Ist dieser Umzug der Grund, warum heute der EC-Zug von Prag nach Wien Franz Schubert heißt? Auf jeden Fall dürfte Prag kein allzu prägender Faktor im Leben des Komponisten gewesen sein. Zum Nachruhm des Hauses zum Schwarzen Pferd hat die Episode jedoch beigetragen. (DD)

Das Landleben im Elbtal

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Es ist eines der ältesten Freilichtmuseen Europas – das Museum für Volksarchitektur (Polabské národopisné muzeum) in Přerov nad Labem – nicht weit östlich von Prag gelegen. Im Jahre 1895 kaufte der örtliche Schlossherr, Ludwig Salvator von Österreich-Toskana, zwei neben seinem Schloss (früherer Beitrag hier) liegende kleine Bauernhäuser IMG_1527und begann, eine Sammlung für die örtliche Volks- und Bauernkultur des umliegenden niederen Elbtals anzulegen. Sie blieb bis zur Nazibesetzungszeit der Öffentlichkeit zugänglich, wurde dann aber geschlossen. Erst  1967 wurde das Museum nicht nur wiedereröffnet, sondern seither auch systematisch erweitert. Insgesamt 32 Häuser/Bauwerke stehen in einem in der Ortsmitte gelegenen Areal, dem man zunächst seine Größe nicht ansieht. Sie wurden meist andernorts abgebaut und hier wieder errichtet. Fast alle stammen aus dem 18. oder 19. Jahrhundert. Infotafeln informieren bisweilen in Einzelaspekten (z.B. Weinbau) auch über die Zeit davor.

IMG_1526Die Gebäude wurden blitzblank restauriert und beherbergen zum Teil kleine Ausstellungen zu Aspekten des ländlichen Lebens in der Region. Wie üblich in solchen Museen kommen dabei die verschiedenen Handwerke nicht zu kurz, die zum Landleben gehören – Schmiedekunst, Imkerei, Butterherstellung, Schreinerei, Weinkellerei und so weiter. Wissenlücken bleiben da kaum noch übrig.

Aber auch andere Aspekte des Soziallebens werden durch die reiche Sammlung anschaulich präsentiert, etwa die Dorfschule oder vor allem die Festtage auf dem Land. Dazu werden die Ausstellungen ab und an ausgewechselt. In der Wintersaison, so vermuten wir, steht Weihnachten im Mittelpunkt. Bei unserem letzten Besuch im April IMG_1530waren es die gerade vergangenen Tage von Ostern und Masopust – wie man den Karneval hierzulande nennt (früherer Beitrag hier). Als Rheinländer finden wir letzteren natürlich besonders interessant und wir mussten zugeben, dass die traditionellen ländlichen Kostüme (insbesondere das Pferdeoutfit!) recht lustig sind und auch in Köln gut ankämen. Vielleicht findet sich ja mal die Gelegenheit zum Mitfeiern.

IMG_1534Nicht nur das Leben, sondern auch der Tod gehören zur Volkskultur. So gibt es sogar einen kleinen Dorffriedhof (vermutlich nur die Grabsteine!). Dazu passen gibt es die kleine Dorfkapelle aus der Zeit Maria Theresias im 18. Jahrhundert (großes Bild).

Leider ist das Museum nur von März bis Oktober geöffnet (hier auf die Homepage zur Info schauen!). Bei der Kasse dieses ungeheuer lehrreichen und unterhaltsamen Freilichtmuseums gibt es einen kleinen Souvenirladen. Ein Café gibt es leider (noch?) nicht, aber es stehen Bänke und Tische da, die von den Besuchern gerne für ein geradezu bäuerliches Picknick genutzt werden. Und da Přerov auch sonst für seine Größe viel zu bieten hat – etwa das Schloss (hier) und die keltliche Burganlage (hier), sollte man sich die kurze Autobahnfahrt von Prag aus nicht vorenthalten. (DD)

Großes Pferd

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9,6 Meter hoch ist das Pferd alleine – und damit das größte der Welt, wenngleich auch nur als Statue. Das Gesamtdenkmal ist samt Sockel ganze 22 Meter hoch und wiegt 16,5 Tonnen! Geschaffen wurde es samt Reiter von dem Bildhauer Bohumil Kafka.

Auf dem Pferd sitzt Jan Žižka, der berúhmteste und erfolgreichste General der Hussiten, die sich im frúhen 14. Jahrhundert gegen Kreuzfahrer zu wehren hatten, die ihnen mit Vernichtung drohten.

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Als die Tschechoslowakei nach 1918 unabhängig wurde, begann man mit den Plänen für ein monumentales Denkmal für den Nationalhelden. Der 1942 verstorbene Kafka, der 1931 seinen ersten Entwurf geliefert hatte, erlebte die Fertigstellung nicht mehr. Die Beendigung der tschechoslowakischen Eigenstaatlichkeit durch die Besatzung durch die Nazis 1939 führten zur Unterbrechung des Baus. Der wurde erst 1950 von den Kommunisten vollendet, die das Erbe der Hussiten, das eigentlich im Kontext seiner Zeit in vieler Hinsicht sehr demokratischen Idealen entsprach, gerne und oft geschichtspolitisch missbrauchten. Den einäugigen Nationalhelden oben auf dem Pferd stört das nicht. Er thront weithin sichtbar auf dem Veitsberg (wo er 1420 seinen größten militärischen Sieg errang) über dem Stadtteil Žižkov, der nach ihm benannt ist. (DD)