
Man muss durch den engen Grünstreifen neben der viel befahrenen vierspurigen Straße Na Petřinách, die nach Westen aus der Stadt führt, einem kleinen Trampelpfad folgen, um dieses Naturdenkmal richtig würdigen zu können. Die Rede ist von den ausgesprochen pittoresken Střešovické skály (Streschowitzer Felsen). Prag bietet halt an den ungewöhnlichsten Orten Natursehenswürdigkeiten.

Wir befinden uns am steilen Nordhang des Hügels, auf dem der Ortsteil Střešovice in Prag 6 liegt. Während der Südhang schon ab dem Jahr 1143, als das Areal in den Besitz des Klosters Strahov fiel, wegen der damit verbundenen Besiedlung und Kultivierung (Weinberge) nicht mehr wirklich wie eine richtige Felsenlandschaft wirkt, beeindruckt diese Nordseite mit ihren äußerst klüftigen Gesteinswänden. Das ist allerdings kein Ausdruck von Naturbelassenheit. Auch diese Landschaft ist zutiefst durch das Wirken der Menschen geprägt – was das ganze aber nicht weniger ansehnlich macht.

Fast 1000 Jahre wurden nämlich die Felsen als Steinbruch genutzt. Vor allem der östliche Teil ist daher eigentlich eine Kunstlandschaft. Im 19. Jahrhundert bildete sich unterhalb der rund 20 Meter hohen Felsen sogar eine kleine Arbeitersiedlung neben den Steinbrüchen. Die wurde nach dem Zweiten Weltkrieg Stück für Stück abgerissen – das letzte Backsteinhaus wurde erst nach 1968 entfernt, als rund 1,5 Hektar des Areals zum Naturschutzgebiet unter der Obhut der Stadt Prag erklärt wurde. Oberhalb der Felsen kann man immer noch Häuser bewundern, die direkt am „Abgrund“ stehen – gewiss eine aufregend schöne Wohnlage.

Geologisch ist das Areal hoch interessant. Prag liegt in einer Art geologischen Übergangszone zwischen den Ausläufern des großen Sandsteingebiets, das von Norden aus der Sächsischen Schweiz hereinragt und dem südlich gelegenen Böhmischen Karst (den erwähnten wir bereits hier und hier). Die Felsen von Střešovice gehören zur Sandsteinformation, die sich hier sehr vielschichtig äußert (Kreidesandstein, Meersandstein, Süßwassersandstein). Hier konnte man über Jahrhunderte günstig Baustoffe und Material für Bildhauerei gewinnen. Auch einige Sandgruben gab es. In den oberen Schichten wurde anscheinend früher auch das eisenhaltige Mineral Limonit abgebaut, was sich aber bald nicht mehr recht lohnte. Paläontologen erfreuen sich natürlich daran, dass die Tonteile der Meeressandstein-Schichten reich an (fischartigen) Fossilien ist. Aber da es sich bei den Felsennunmehr um ein Naturdenkmal handelt, wird hier an dieser Stelle von jedeweder Suchexpedition mit Hammer und Meißel dringlichst abgeraten.

In den Sandsteinfelsen finden sich Unmengen von Rissen und richtigen Höhlen. Insbeondere die Eingänge der kleineren von ihnen wurden sorgfältig mit Steinen verstopft (siehe Bild links oberhalb), was aus zweierlei Gründen sinnvoll erscheint, denn (1) es dient dem Naturschutz und (2) für die Jugendlichen, die zu Abenteuer- und Kletterpartien animiert werden könnten, stellt das eher mürbe Gestein eine große Gefahrenquelle dar. Eine größere Höhle ist zugänglich (Bild rechts). Als wir da waren, fanden sich hier noch recht neue Reste eines Lagers, das ein Obdachloser wohl aufgeschlagen hatte. Auch im reichen Prag gibt es Armut.
Unterhalb des Areal gibt es auch Wasserquellen, die lange Zeit als Trinkwasser und zur Pflanzenbewässerung genutzt wurden, aber die Nutzung wurde weitgehend eingestellt. Die sich aus dem Felsen speisenden Quellen befinden sich auf der anderen Seite der Straße Na Petřinách an einem unzugänglichen und überwachsenen Steilhang. (DD)