
Dieser Wissenschaftstempel in der Národní 1009/3 in der Altstadt lässt den Betrachter darüber schwärmen, wie viel den Bürgern Böhmens damals die Erforschung der Welt wert war. Aber damit liegt er nicht ganz richtig. Denn das heutige Gebäude der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik (Akademie věd České republiky) war ursprünglich eher ein Tempel des Geldes.
Für die 1823 gegründete Česká spořitelna (Böhmische Sparkasse, heute Tschechische Sparkasse) entwarf der bekannte Architekt Vojtěch Ignác Ullmann (siehe u.a. diesen und diesen früheren Beitrag) ursprünglich dieses Riesengebäude im Stil der Renaissance. Der schon recht groß dimensionierte Bau wurde 1895 durch den Wiener Architekten Friedrich Schachner erweitert. Wie Ullmann war auch Schachner ein Anhänger des Historismus, so dass die Geschlossenheit des Baukonzepts gewahrt blieb.

In dem schönen Treppenhaus im Eingangsbereich (man sieht es im großen Bild oben) hängt immer noch eine riesige Marmortafel, die an die feierliche Einweihung des Bauwerks durch die Sparkasse erinnert und einen Wegweiser zu den einzelnen (heute dort gar nicht mehr residierenden) Abteilungen derselben bietet. Einen Wegweiser brauchte der Bankkunde damals wohl. Man muss es nur von außen ansehen, um zu bemerken, dass das Gebäude an der Frontseite alleine 25 Fensterachsen hat, und um damit zu erkennen, wie groß und weitläufig das Ganze wohl sein muss. Es war das Zeitalter der Industriellen Revolution und das Bankwesen boomte im reichen Böhmen.

Das ging auch so weiter bis die Kommunisten 1953 das Sparkassenwesen im Lande zu umorganisierten, dass das Gebäude seine Funktion verlor. Aber man hatte auch gleichzeitig eine neue Nutzung im Sinn. Von 1954 bis 1956 wurde das Gebäude innen umgebaut, um die 1952 gegründete Tschechoslowakische Akademie der Wissenschaften zu beherbergen. Die war aus der Fusion der schon 1769 gegründeten Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften Böhmens (die bis dato im Buquoy Palast nahe der Karlsuniversität residiert hatte) und der 1888 initiierten Tschechischen Akademie der Wissenschaften und Künste (Česká akademie věd a umění) entstanden.


Und so kommt es, dass die Akademie der Wissenschaft heute in einem Gebäude residiert, dessen künstlerische Ausschmückung immer noch auf den ursprünglichen Zweck als Sparkassenzentrale hinweist. Auf dem Dach befinden sich je über den beiden Risaliten Skulpturengruppen der akademischen Bildhauer Antonín Wildt und Otto Mentzel, die allesamt Allegorien zu Fleiß, Arbeit und Sparsamkeit darstellen.


Das gilt auch für das Treppenhaus am Haupteingang, das wir oben sehen. Die prachtvollen Löwen sind ebenso ein Werk des Bildhauers Josef Václav Myslbek (dem wir die Wenzelsstatue auf dem Wenzelsplatz verdanken) wie die an den Wänden befindlichen weiblichen Allegorien auf den Sieg der Sparsamkeit (beides 1895 gestaltet). Aber mal ehrlich: Gerade die Wissenschaft wird nicht immer so mit Geld gesegnet, wie sie es gerne hätte, und daher ist die Vermittlung des Ideals der Sparsamkeit an dieser Stelle vielleicht gar nicht so fehlplatziert.

Weiter drinnen kommen die Änderungen durch Schachner mehr zum Tragen, die sich durch eine besondere Opulenz auszeichnen – ganz im Gegensatz zu der eigentlich sehr nüchternen Außenfassade, die Ullmann gestaltete. Das beste Beispiel ist der zu einem Atrium umgestaltete ehemalige Innenhof. Er dient nun als Lesesaal der Akademie. Durch die geschmackvoll gestaltete Glasdecke kommt natürliches Licht. Vor allem die beiden unter einem Balkon angebrachten Karyatiden, die man rechts sieht, machen zweifellos etwas her! Dass das mal eine Bankhalle war, vergisst man da glatt. In solch einem Raum lässt sich auch wissenschaftliche Kontemplation genießen! Da die Akademie öfters auf Ausstellungen präsentiert, bietet sich auch die Gelegenheit, das Ganze mal innen zu inspizieren.

Von hier aus fördert die von der Vorsitzenden Eva Zažímalová geleitete Akademie, die hier und in ihren rund 50 Nebenstellen rund 6400 Mitarbeiter beschäftigt, Grundlagenforschung – wobei primär die Naturwissenschaften im Mittelpunkt stehen. Das überaus repräsentative Gebäude, das der historisch versierte Ullmann derein der Nationalbibliothek von St. Markus (Biblioteca Nazionale Marciana) des Frührenaissance-Architekten Jacopo Sansovino in Venedig nachempfunden hatte, hat sich in seiner neuen Funktion so bewährt, dass wohl niemand mehr etwas daran ändern möchte. (DD)