
Ladův kraj – pohádkový region (auf Deutsch: Lada-Land – die Märchenregion) nennt man die romantisch bewaldete Gegend um die Ortschaften Hrusice, Mnichovice Velké Popovice und 21 anderen Gemeinden, die sich freiwillig zusammengeschlossen haben, um ihn zu feiern: Josef Lada. In Deutschland ist er primär als der grandiose Original-Illustrator von Jaroslav Hašeks Roman vom guten Soldaten Švejk bekannt. In Tschechien liebt ihn Jung und Alt auch, weil er sie um eine wahre Märchenwelt bereichert hat. In diese Welt kann man direkt vor den Toren Prags – etwa 20 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt – bei schönen Wanderungen eintauchen.

Geboren wurde er 1887 im Dorf Hrusice, wo man ihm 1951 ein von dem Bildhauer Zdeněk Šejnost entworfenes Denkmal setzte. Mit 14 zog es den Schusterjungen nach Prag, wo er sich als Autodidakt zum Maler, Illustrator, politischen Karikutaristen, Schriftsteller, Biographen, Theater-Szenographen, Dichter und Saufkumpan von Hašek, mit dem er sich eine zeitlang aus Geldmangel eine kleine Wohnung teilte (und später darüber humorig lesenswerte Erinnerungen schrieb), weiterentwickelte. 121 Bücher für Kinder 197 Bücher für Erwachsene verfasste er. Ein Weihnachten ohne Karten oder Kalender nach seinen Motiven ist in Tschechien undenkbar. Aber seine große Liebe schien dem Genre des Märchens zu gehören, wie er nicht nur in seinen Pohádky naruby (Verdrehte Märchen) von 1938 zeigte. Ob Nachempfindungen tradtioneller Märchen, selbst erfundene oder parodierte Märchen – hier lief er zu Hochform auf. Ein Grund dafür, dass das in Deutschland nicht so bekannt ist, ist die Tatsache, dass viele seiner Märchen nur in indirekter Form hierhin kamen. Denn eigentlich kennt in Deutschland fast jedermann einige von Ladas Kreationen. So zum Beispiel den berühmten Vodník von 1939, eine alte Legende, die man in Deutschland durch Otfried Preußler als Der kleine Wassermann kennt.

Und wer kennt ihn nicht, den Kocour Mikeš, den Lada im Jahre 1936 veröffentlichte? In Deutschland heißt er Kater Mikesch und wurde dort ebenfalls zunächst nur durch die gelungene Nachempfindung Otfried Preußlers (1962) berühmt – und dann noch viel berühmter durch die putzige Fernsehadaption der Augsburger Puppenkiste (1964; in Farbe 1976), durch die ich ihn zum Beispiel kennen lernte. Durch diese – zugegebenermaßen recht genialen – Adaptionen geriet Lada in Deutschland als Originalautor ein wenig ins unverdiente Abseits. Aber nicht in Tschechien, wo man vor allem die lokale Gebundenheit der Ladaschen Geschichten viel deutlicher vor Augen hat. Das sieht man hier im oben erwähnten Lada-Land in der Umgebung seines Geburtsortes Hrusice. Dort wurde vor einigen Jahren zwischen Hrusice und Mnichovice ein Kater-Mikesch-Wanderweg (Cesta kocoura Mikeše) angelegt. Denn in Ladas Buch lebt der sprechende Kater tatsächlich in Hrusice. Nachdem er aus Versehen den Rahmtopf der Großmutter kaputtgemacht hat, zieht er aus Angst vor Bestrafung in die Welt hinaus. Der rechts abgebildeten Tafel auf dem Wanderweg entnimmt man, dass er genau an dieser Stelle, der Lederhöhe (Kožený vrch), noch einmal sehnsüchtig hinunter auf das Dorf schaute, bevor er weiter ging. Man sieht, das Lada den Kater in eine reale Welt eingebettet hat.

Und davon findet man überall Spuren im Lada-Land. Und der Wanderweg bzw. Lehrpfad ist nur ein Beispiel, wie die lokale Tourismusbehörde die Berühmtheit Ladas für ihr Marketing nutzt. Aber nicht nur die Behörde. Der Name Lada wirkt hier so inspirierend für jedermann, dass die Privatinitiative blüht. Kaum aus Mnichovice in den Wald gekommen, kommt man zum Beipiel an der links abgebildeten Gartenfront eines Hauses vorbei, dessen Besitzer wohl ein wahrer Lada-Enthusiast ist, und handgemachte überlebensgroße Figuren aus Ladas Märchenwelt. Man ist beeindruckt, ob der Kreativität und des Einsatzes!

Lada-Garten (Ladova zahrádka) hat der Besitzer das Ganze getauft, was mittlerweile zur lokalen Sensation geworden ist. Und so trifft man hier alte Bekannte aus verschiedenen Märchen. Neben den Charakteren aus dem Kater Mikesch etwa auch den kleinen Wassermann (Vodnik), den man hier seine Pfeife rauchend beim Angeln zusehen kann. Das Gesamtkunstwerk steht nicht in den Reiseführern, gehört aber zu den großartigsten Sehenswürdigkeiten der Gegend, weshalb es hier ausführlich erwähnt werden muss.

Weiter geht es nach Hrusice selbst. Da steht das Geburtshaus Ladas (/Bild links), das ein wenig so aussieht, als ob es seit Ladas Zeiten mehrfach renoviert, ausgebaut und stark verändert wurde. Aber man kann trotzdem erahnen, dass Lada nicht aus sehr reichem Elternhaus kam. Hier ein von Lada gemaltes Bild des Hauses im Ursprungszustand. Als arrivierter Künstler, der dann etwas wohlhabender war, kaufte er sich ein Sommerhaus im Orte, in dem sich heute ein kleines Museum befindet. Gestorben ist er allerdings 1957 in Prag, wo er seine Karriere begonnen hatte und berühmt wurde. Aber weder Geburtshaus noch Museum sind für die meisten Ausflügler, die sich meist zum Wochenende hier einfinden, die Hausptattraktion des Ortes.

Das ist ohne Zweifel die Hrusická Hospoda (Hrusicer Gasthaus). Die ist – wie das meiste an Gebäuden im Orte – zunächst einmal architektonisch recht unscheinbar. Es ist ein einstöckiges Gebäude schlichter Bauart, dass er möglicherweise hier 1943 zeichnerisch verewigte. Lada ist hier zu Lebzeiten oft eingekehrt und kannte den Wirt und die Gäste, die ihn vielleicht zu seinen Zeichnungen inspirierten.

Nicht nur das verbindet das Gebäude mit dem großen Künstler, sondern vor allem die üppige Bermalung mit Lada-Themen im Lada-Stil. Außen sind das vor allem Motive aus den Ladaschen Märchen – allen voran der Mikeš als die populärste Figur, die hier gerade einzukehren scheint. Nach ein paar Schluck Bier wird er weiter in die Welt ziehen, und – wie uns die Geschichte lehrt – Geld als sprechender Kater beim Zirkus verdienen, um nach der Rückkehr den Rahmtopf der Oma zu ersetzen. Happy End.

Und natürlich sind auf die tierischen Freunde des Katers dabei, denen er auch das Sprechen beigebracht hat, wie die Geiß Bobeš (bei Preußler: Bobesch) und der junge Kater Nácíček (dt.: Maunzerle), der die Menschensprache noch nicht ganz so gut beherrscht wie Mikeš. Die wichtigste Figur ist jedoch Mikeš‘ bester Freund Pašík (Paschik), ein Schwein, das nicht nur sprechen, sondern auch auf der Ziehharmonika lustig musizieren kann. Möglicherweise ist er sogar der beliebteste Charakter der Ladaschen Märchenerzählung. Entsprechend findet man das Schwein an prominenter Stelle auf die Außenwand der Hrusická Hospoda gemalt.

Im Inneren der Gaststätte half bei der Ausgestaltung die Tatsache, dass Lada neben Märchenmotiven auch liebend gerne raue Kneipen- und Gaststättenszenen festhielt. Aus einer davon entstammt im großen Bild oben sichtbare herrlich in die Holzeinrichtung eingepasste Blaskapelle, die in einer Gaststätte zum Tanz aufspielt. Es handelt sich um die vergrößerte Kopie eines Ausschnitts aus dem 1929 von Lada gemalten Bild Tancovačka (Tanzvergnügen). Die ganze Gaststätte ist drinnen mit überlebensgroßen Kopien dieser Kneipenbilder Ladas bedeckt. Verantwortlich zeichnete sich der Miloslav Milostný, der sie im Jahre 2008 (mit späteren Ergänzungen) liebevoll anfertigte. Milostný war kein Berufsmaler, sondern eigentlich Wirtschaftsingenieur. Aber die Hobbymalereien sind einfach kongenial!

Im Mittelpunkt der Milostnýschen Malereien gemäß Lada steht wohl dessen bekannteste Wirtshausszene, die Rvačka v hospodě (Schlägerei in der Kneipe) aus dem Jahr 1943. Das war für die Tschechen eine traurige Zeit und nichts in der Szenerie, in der die Obrigkeit in Form eines Nachtwächters mit Hellebarde erscheint, an die Nazibesetzung. Es ist die gute alte Habsburgerzeit, die man hier fast schon putzig verklärt sieht (und für die Lada wohl früher nicht viel übrig hatte). Hier sieht man die lustigste Szene, in der ein Hund sein Herrchen verteidigt, während der Nachtwächter dabei ist, jemandem möglicherweise mit der Hellebarde die Hose herunterzuziehen.

Schlägereien waren in früheren Zeit, die Lada noch mit erlebt hat, in Wirtshäusern auf dem Lande anscheinend noch sehr verbreitet. Das kann man jedenfalls mutmaßen, wenn man sich vor Augen führt, wie oft der Künstler das Thema (mit sichtbar verschiedenen Lokalitäten) in seinen Bildern verarbeitet hat. Auch in den Geschichten seines Freundes Hašek wird ja häufig darauf rekurriert. Die Wirte schienen das ob der hohen Reparaturrechnungen, die dabei anfielen, nicht so recht goutiert habe.Deshalb gehört zu meinen Lieblingsszenen hier der in den Gastraum eintretende und wutentbrannte Wirt, der mit aufgekrämpelten Armen und einem Knüppel in der Hand jetzt für Ruhe sorgen will.

Der Fairness halb sollten an dieser Stelle nicht nur die genialen Lada-Bilder von Milostný, sondern auch das Wirtshaus Hrusická Hospoda an sich gewürdigt werden, dass seit langem erfolgreich von Wirt Pavel Mach geführt wird. Es ist, wie gesagt, kongenial im Lada-Stil für alle Lada-Fans, die das Lada-Land erwandern, eingerichtet. Man könnte vom eigentlichen Herz des Lada-Landes reden. Es scheint gleichermaßen die Dorfkneipe der einheimischen und der Anlaufort für Ausflügler zu sein, die aber meist aus der Umgebung Prags kommen (Ausländer verirren sich hier eher selten hin). Es gibt gutes Markenbier und klassisch deftiges tschechisches Wirtshausessen (manchmal sogar heute rare Traditionsgerichte wie die Prdelačka, eine Schweineblutsuppe). Alles in allem: Man wird reell und preisgünstig bewirtet und das Essen passt wie maßgeschneidert zu Lada-Land und Lada-Ambiente.

Aber die Hospoda mag in Hrusice ein Höhepunkt-Erlebnis für alle Lada-Fans sein, aber keineswegs die einzige Attraktion, die der Geburtsort bietet. Jeder macht hier mit beim Lada-Kult. Läden und Bauernhöfe mit Verkauf werben überall mit Mikeš und Co.. Und es gibt überall an den Wanderwegen innerhalb des Ortes kleine Statuen mit den Lada-Märchenhelden wie Vodnik, Pašik oder eben Mikeš. Im Bild links sieht man einen seltenen Schnappschuss, wie die bronzene Figur des kleinen örtlichen Mikeš-Denkmals auf eine echte Katze zu schauen scheint – vielleicht ein Nachfahre von Nácíček/Maunzele?

Kurz: Es gibt noch viel zu sehen im Lada-Land, und das, worüber an dieser Stelle berichtet wurde, ist nur die Spitze des Eisbergs. In der ganzen Umgebung wird auf Lehrpfade und auch andernorts (in Velké Popvice ist sogar eine Schule nach Lada benannt) wimmelt es nur so von Lada -Memorabilia und -Attraktionen, die auch noch in eine so schöne Landchaft eingebettet ist, dass sich gleich mehrere Ausflüge hierhin lohnen.

Die traumhafte bewaldete Landschaft mit ihren sanften Hügeln, erklärt vielleicht auch, warum bei der örtlichen Präsentation des Lada-Landes die Märchengeschichte so sehr das Bild bestimmen. Und nicht der in Deutscland bekanntere Soldat Švejk. Aber ganz unter den Tisch fällt er dennoch nicht. In der Hrusická findet er sich als Gipsrelief im Lada-Stil (von unbekannter Hand geschaffen) versteckt in einer Ecke neben dem Gang zur Toilette. Immerhin: Besser als nichts. Und Josef Lada selbst, der volkstümlichste aller tschechischen Künstler hätte diese Art volkstümlichen Humors sicher auch zu schätzen gewusst. (DD)