
Etwas grau und verfallen sieht das Gebäude schon aus. Es könnte den einen oder anderen Eimer Farbe gebrauchen. Aber so passt immerhin der Name recht gut: Dům U Starých Šedivých, zu Deutsch: Das alte graue Haus. Schade, denn auch hier fand Geschichte statt.

Das langgezogene einstöckige Gebäude liegt in der Na Perštýně 309/13, Ecke Průchodní/Ecke Bartolomějská am Rande der Altstadt. Seine alte Barockpracht ist noch erahnbar. Ursprünglich handelte es sich aber nicht um einen Barockbau, denn ursprünglich standen hier vier gotische Häuser aus dem frühen 14. Jahrhundert, die anscheinend zugleich Teil der Stadtbefestigung waren, denn hier endete Prag bevor 1348 mit dem Bau der benachbarten Neustadt als Erweiterung begonnen wurde.

Die gotischen Häuser vielen 1678 einem Feuer zum Opfer. Die mittelalterliche Umgebung kann man an der Westeite, der typisch engen und verwinkelten ul. Průchodní, noch erahnen. Spätestens bis 1726 ist der barocke Wiederaufbau – diesmal nur ein einziges Gebäude – nachweisbar. 1842 erwog man ganz kurz einmal den Abriss, aber schließlich führte man dann doch nur eine gründliche Renovierung mit einigen kaum merklichen klassizistischen Umbauten durch, was im Jahr darauf abgeschlossen wurde. 1863 erfolgte eine weitere Renovierung, die wenig optische Spuren hinterließ.

Erhalten hat sich die schöne barocke Kartusche mit einem Bild der Anbetung der Könige – auch dies leider inzwischen ein wenig verwaschen. Die hübschen Dachgauben – drei an der Zahl – und das Portal der Hofeinfahrt runde ndas Bild eines eigentlich recht stattlichen Hauses ab, das weitaus mehr hermachen würde, wenn man ein wenig Geld in die Renovierung steckte. Unten befindet sich heute ein Souvenirladen, eine Wechselstube und eine Kneipe, die aber wenig zur äußerlichen Attraktivität des eben immer noch recht verfallen aussehenden Gebäudes beitragen.

Denn immerhin wurde das Haus dereinst für würdig befunden, die erste Bürgermeister-Residenz dder Großmetropole Prag zu sein. Eine Plakette über dem Eingang erinnert nämlich an Jan Podlipný, ein führendes Mitglied des nationalen Turnerbunds Sokol (Falke), der als Bürgermeister des Ortes Libeň begann, aber für dessen Eingemeindung zu Prag im Jahre 1901 sorgte und durch weitere Eingemeindungen das heutige Prag schuf. Zur Belohnung bekam er später nicht nur ein Denkmal in Libeň, über das wir bereits berichteten. Nein, er wurde auch 1896 der erste Bürgermeister des neuen Prags. Und als solcher zog er hier in dieses Haus ein, denn die heutige offizielle Residenz des Bürgermeisters (Rezidence primátora) gibt es ja erst seit 1928 (früherer Beitrag hier).

Deshalb findet sich über dem Portal eine Gedenktafel zu seinen Ehren. Sie wurde zu zu Podlipnýs 10. Todestag im Jahre 1924 angebracht und wurde von dem Architekten Alois Dryák gestaltet, der das genau gegenüberliegende kubistische Haus der Berufsgenossenschaft (Odborový dům) entworfen hatte. Der Text der dem umgebenden Barockstil feinfühlig angepassten Tafel lautet: „Hier lebte und starb am 19. März 1914 Dr. jur. Jan Podlipný, erster Vorsteher des Sokol und Bürgermeister von Prag. Gestiftet von der tschechoslowakischen Sokol-Gemeinschaft, 19. III. 1924“. (DD)