Štulcs Spuren auf dem Vyšehrad

Der Nationalfriedhof auf dem Vyšehrad, über den wir in unserem letzten Beitrag berichteten, gehört zu den großen Sehenswürdigkeiten Prag. Seine Entstehung im Jahre 1869 verdankt er vor allem einem Mann, dem Domprobst Václav Štulc. Dessen Spuren kann man auf dem Gelände des alten Burgbergs des Vyšehrad, wo der Legende nach die Stadt Prag ihren Anfang nahm, auch außerhalb des Friedhofs kaum übersehen.

Das fängt schon einmal mit dem großen Denkmal an, das hier im Jahre 1910 auf Wunsch eines seiner Nachfolger als Probst vor der Probstei errichtet wurde. Das Werk des Bildhauers Štěpán Zálešák zeigt den streitbaren und tatkräftigen geistlichen als Halbfigur auf einem großen geformten Sandsteinsockel mit prismischen Pylonen, versehen mit einer Inschrift, die Štulc als den großen Erwecker des „verblaßten Vyšehrad“ feiert.

Von seinem Sockel aus, kann er gleich ein anderes seiner Werke überblicken. Den der kleine Park an der Nordseite des Areal, in dem er steht (und von wo aus man eine herrliche Aussicht auf Prag genießen kann), wurde von ihm angelegt. Wie alles, was Štulc anpackte, ging es auch bei der Anlage dieses Parks um die Stärkung tschechischen National- und Geschichtsbewusstseins. Heute heißt der Park Štulc-Park (Štulcovy sady), aber Štulc selbst hatte ihn als Garten des Heiligen Wenzel eingerichtet. In der Mitte stellte er die originale Barockstatue des Nationalheiligen auf, die gerade 1879 vom Wenzelplatz entfernt worden war und 1912 von der großen Reiterstatue ersetzt wurde, die heute dort steht (siehe früheren Beitrag hier).

Heilige mit böhmisch-patriotischem Hintergrund wie Wenzel spielten auch in Štulcs literarischen Schaffen eine Rolle – etwa bei seinen Biograpien der Heiligen Kyrill und Method (Žiwot swatých Cyrilla a Methodia, apostolů slowanských, 1857). Daneben gab es Bücher mit programmatischen Titeln wie Vlasť a cirkev, čili, Může-li vlastencem býti katolík (Vaterland und Kirche; oder: Der Patriot kann katholisch sein, 1870). Mit dem Habsburgerregime geriet er ob seiner in Wort und Schrift hervorgebrachten Plädoyers für mehr nationale Selbstbestimmung der Böhmen im Reich regelmäßig in Konflikt. Im April und Mai 1863 saß er wegen aufrührerischer Reden sogar im Gefängnis.

Und noch etwas hinterließ er der Nachwelt auf dem Vyšehrad: Das schöne Neue Probsteihaus (Nové proboštství) in der Štulcova 89/4 direkt neben Park und Denkmal.

Das dreigeschossige Gebäude ist ein Meisterwerk der Neogotik und wurde in den Jahren 1872-74 auf Štulcs betreiben von dem auf Historismus spezialisierten Architekten Josef Niklas erbaut. Das sehr zierliche Gebäude fällt durch seinen Erker über dem Eingang auf und die hübschen bunten Glasfenster, die dazu gehören.

Angeblich, so meinte Štulc, habe an der Stelle des Hauses dereinst die in alten Chroniken erwähnte frühmittelalterliche Kirche des Heiligen Clemens befunden, von der sich aber keinerlei Spuren mehr finden. Deshalb wurde die Kapelle, die sich in der Probstei befindet, ebenfalls dem Heiligen Clemens geweiht. Die Fassaden lehnen sich mit ihrem feinen Maßwerk an den englischen Stil der Tudorgotik an.

Das raffinierte und fast unversehrt erhaltene neugotische Palastgebäude mit reichhaltigen Innendetails entspricht seiner Lösung in seiner Umgebung und war bis 1948 Sitz der Vyšehrad-Priester. Ab dann diente es den Bedürfnissen der Stadtverwaltung von Prag 2 und als Festsaal. In den Jahren 1993-94 wurde es überholt, kürzlich wurde eine neue Dachbedeckung auf das gesamte Gebäude gelegt. (DD)

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