
Man kann es nicht anders ausdrücken: Mit ihrer Botschaft in Prag hat die Bundesrepublik etwas zum Vorzeigen. Und das, obwohl die Botschaft ihr eigentlich gar nicht wirklich gehört. Aber das ist nur ein spannendes Detail der überaus interessanten Historie dieses überaus interessanten Gebäudes.

Man kann das Palais Lobkowicz an der Vlašská 347/1 auf der Kleinseite von jeder Perspektive aus betrachten, es ist immer noch beeindruckend. Wenn man zum Beispiel zu einem Meeting in einem der Freskenräume im Erdgeschoss eingeladen ist und den Blick zur Decke abschweifen lässt, dann sieht man, was man oben im großen Bild sieht: Barock vom Feinsten. Oder man schaut oben von der Burg hinunter. Dann kann man den klassischen Tympanon des Giebels erkennen mit dem Wappenemblem der Familie Lobkowicz (Bild links).

Oder man kann sich auch unten davor hinstellen und die enorme Größe des Gebäudes mit seinem wuchtigen, von korinthischen Säulen eingerahmten Eingangsportal bewundern (Bild rechts). Selbst wenn man bis dahin noch nicht viel darüber weiß, ahnt man dann bereits, dass dies ein geschichtsträchtiger Ort sein muss.

Der Palast geht auf den Grafen Franz Karl Přehořovský, dem Münzmeister des Königreiches Böhmen, zurück, der ihn in den Jahren 1702 bis 1704 von dem Architekten Giovanni Battista Alliprandi erbauen ließ. Der Palast war auch ursprünglich nach ihm benannt. Schon 1753 verkaufte die Familie des Grafen ihn wieder und zwar an das Adelsgeschlecht Lobkowicz. Die Lobkowiczs waren sowohl mächtig als auch reich. Als ein Brand 1768 Schäden am Gebäude anrichtete, reparierten sie es nicht nur, sondern vergrößerten es durch den Architekten Johann Ignaz Palliardi, unter anderem durch ein zusätzliches Stockwerk.

Während die Fassade von vorne recht streng und gradlinig wirkt, strahlt das Gebäude an der Rückseite eine geradezu schwungvolle Dynamik aus. Von einem turmförmigen runden Mittelteil weisen die beiden geschwungenen Flügel des Gebäudes diagonal in den Raum des Parks. An Tagen der offenen Tür und ähnlichen Gelegenheiten bieten sie den Besuchern eine überwältigende Kulisse.

Der Garten selbst wurde in dieser Form übrigens im Jahre 1790 als englischer Garten (d.h. nicht formal gestaltet, sondern als Landschaftsgarten) angelegt.
Unter der Familie Lobkowicz wurde der Palast ein wahrer Musentempel. Besonders Franz Joseph Maximilian von Lobkowicz förderte große Musiktalente wie Ludwig van Beethoven und Carl Maria von Weber, die dann regelmäßig auch Konzerte im Palais aufführten.

Das geschah normalerweise in dem schönen und berühmten Kuppelsaal im Zentrum des Gebäudes. Den erreicht man durch eine beeindruckendes Treppenhaus. Im Raum finden tatsächlich öfters Konzerte statt – bisweilen sogar gefördert durch die früheren Eigner des Palastes, die Familie Lobkowicz. 13,5 Meter ist der imposante Raum hoch. Über den vier Türen befinden sich jeweils kleine Medaillons, die Szenen aus dem Leben des Herkules darstellen. Dehalb hier der Saal früher auch Herkules-Saal.

In jedem der Räume auf diesem – dem ersten – Stockwerk finden sich wahre Perlen von Kunst und Innenarchitektur. Man bekommt auch sie leider nur bei Tagen der Offenen Tür oder bei geschlossenen Empfängen oder Veranstaltungen zu sehen. Meist dominiert in den Sälen und Räumen als Stil der Hochbarock, aber es gibt auch einige schöne Ausnahmen, etwa die später eingebauten großen weißen Keramiköfen (Bild links) im sogenannten Zopfstil des späten 18. Jahrhunderts, einem Stil, der kunsthistorisch zwischen Rokoko und Klassizismus angesiedelt ist .

Im Jahre 1927 verkaufte die Familie den Palais an die Tschechoslowakische Republik. Immerhin hatte sie ja noch einen anderen Palais Lobkowitz in der Prager Burg, den sie (mit der Unterbrechung in den Zeiten des Kommunismus) heute noch bewohnen und in dem sie ihre große Kunstsammlung museal ausstellt (früherer Beitrag hier). Im Haus residierten nun Behröden oder ähnliche öffentliche Einrichtungen, wie z.B. das Denkmalschutzamt und ein Archäologisches Institut. 1949 machten die Kommunisten es dann zur Botschaft Chinas, das gerade ebenfalls in die Hände der Kommunisten gefallen war.

1973 wurde die diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und ein Jahr später zog hier die (west-) deutsche Botschaft ein. Die erlebte ihre große historische Stunde 1989, als tausende Flüchtlinge aus der „DDR“ hier Zuflucht suchten, um von hier irgendeinen Weg in den freien Westen zu finden. Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher verkündete am 30. September 1989 den 4000-5000 Flüchtlingen, die auf dem Geländer Botschaft eng zusammengefercht leben mussten, dass sie nun in die Bundesrepublik ausreisen dürften. Es war der Anfang vom Ende des Kommunismus in Europa und eine Sternstunde der Freiheit – worüber wir ja hier bereits berichteten. Stolz zeigt man Besuchergruppen stets den Balkon, von dem aus Genscher seine Rede hielt.

Womit wir wieder am Anfang dieses Beitrags sind. Botschaften gehören normalerweise dem Land, das sie stolz repräsentieren. Aus diesem Grunde wollte die Bundesrepublik 2009 den Palais samt Garten kaufen. Die Verhandlungen zogen sich zäh dahin. 2014 wurden sie für gescheitert erklärt, denn die tschechische Regierung fürchtete, dass sie an Popularität verlieren werde, wenn sie ein solch wichtiges historisches Gebäude an die Deutschen verkaufen würde. Folglich lebt die Botschaft (und der Botschafter, der hier auch seine Residenz hat) immer noch in Miete im Palast. (DD)