
Prag und Umgebung sind ein Paradies für Archäologen. Die Siedlungsgeschichte reicht weit zurück und immer wieder finden sich kaum mehr sichtbare Spuren dieser langen Vergangenheit im Landschaftsbild. So auch bei der Burg Děvín (hrad Děvín) im Naturschutzgebiet in der Nähe des Stadtteils Hlubočepy (Prag 5).

Schon in der Steinzeit siedelten hier Menschen, was nicht überrascht, wenn man die Lage des Ortes kennt: Hoch über der Moldau an einer Talverengung und geeignet zur Überwachung der Wasserwege. An solchen Orten bauten später gerne die Kelten Festungsanlagen (Wallburgen), die dann im 6. und 7. Jahrhundert oft wieder von den einwandernden Slawen genutzt wurden. Hier auf Děvín gab es wohl keine keltische Besiedlung und die Wälle, die man heute noch erkennen kann, sind daher erst von den Slawen gebaut worden.

Legenden verbinden den Ort mit der Sage vom Mägdekrieg. Demnach wurde die Burg von der Seherin Libuše erbaut. Die war sauer, weil sie aufgrund ihrer Talente Stammesfürstin hätte werden können, aber von den chauvinistischen Männern abgelehnt wurde, weil sie ja „nur“ Frau war. Stattdessen wurde der Mann, den sie erwählte, Herrscher der Böhmen. Und der hieß Přemysl und wurde somit der Begründer des späteren böhmischen Königsgeschlechts der Přemysliden.
Der Unmut der Frauen brach sich später dann Bahn in dem Mägdekrieg, bei dem die Frauen, die nun in den alten Chroniken mit den antiken Amazonen verglichen wurden versuchten, die Macht der Männer zu brechen. Das gelang nach anfänglichen Kriegserfolgen nicht und die Eroberung der Burg Děvín, die das Hauptzentrum des Aufstands gewesen sein soll, setzte dem Aufbegehren der Frauen ein Ende.

Möglicherweise erfolgte die Zuschreibung der alten Burganlage zu der überlieferten Sage, in der eine Burg dieses Namens erwähnt wird, erst in der frühen Neuzeit. Jedenfalls zeigen die Orts- und Flurnamen der Umgebung immer noch davon. Der schönste Aussichtspunkt vom Norden der Berghöhe hinunter in Flusstal und zur Stadt heißt nach einem der (männlichen) Helden der Sage, Ctirad (siehe früheren Beitrag hier). Etwas darunter liegt auf dem Hügel daneben (kleines Bild links) die Ortschaft Dívčí hrady, zu Deutsch: Mädchenburg – ganz klar auch eine Anspielung auf die Sage.

Aber das sind alles Legenden. Historisch wichtig und greifbar wird das Areal erst mit dem Bau einer richtigen steinernen Burg im Jahre 1338 durch Stefan von Tetin (Štěpán z Tetína), der unter König Johann aus dem Hause Luxemburg zahlreiche hohe Ämter innehatte. Dessen Nachfahren gerieten irgendwann in finanzielle Schwierigkeit und verkauften die Anlage an das nahegelegene Kartäuserkloster von Smíchov. Die Kartäuser waren wiederum während der Hussitenkriege den Hussiten ein Dorn im Auge, die dann 1419 die Burg überrannten. Als Kaiser Sigismund im nächsten Jahr die Burg zurückeroberte, blieb nichts brauchbares mehr übrig.

Die Stätte war fortan unbesiedelt. Nominell gehörte sie nun zur Ortschaft Zlíchov, die direkt unter der Burg liegt. Im Jahre 1513 kam man auf die Idee, die letzten Reste der Burg als Zieltestgebiet für neu angeschaffte Kanonen und Mörser zu nutzen. Das war’s dann…
Und so kommt es, dass man heute keine sichtbaren Reste des Mauerwerks der mittelalterlichen Burg mehr sieht. Im Erdreich sieht man jedoch Spuren von Wallaufschüttungen, die meist auf die slawische „Urburg“ hinweisen, die eine größere Fläche abdeckte als die Burg des 14. Jahrhunderts. Man kann auch erkennen, wie geschickt die natürlichen Felsabhänge in die Festung einbezogen wurden. (DD)