
Sie wirken rätselhaft, diese aus Eisen geschmiedeten Poller am Malostranské náměstí 258/13 vor dem Palais Liechtenstein (Lichtenštejnský palác). Jeder von ihnen trägt ein kunstvoll geschmiedetes Gesicht mit ernstem Ausdruck. Und alle unterscheiden sich ein wenig voneinander; sie sind also Individuen. Und tatsächlich: Die eisernen Gestalten sollen historische Gestalten darstellen. Es handelt sich bei dem Kunstwerk um eine etwas verspätete, aber doch recht treffende politische „Racheaktion“.

Jeder der 27 Poller steht für einen der Hingerichteten des 21. Juni 1621. Auf dem Altstädter Ring wurden damals auf grausamste Weise die zum Teil hochadligen Anführer des Ständeaufstandes von 1618 öffentlich zu Tode gebracht. Sie hatten versucht, die absolutistischen Tendenzen der Habsburgerherrschaft zu bremsen und das hohe Maß an religiöser Toleranz, das damals in Böhmen galt, zu bewahren – und dabei (aus Versehen) den Dreissigjährigen Krieg ausgelöst. Für die Tschechen waren die 27 Hingerichteten stets die Märtyrer der böhmischen Freiheit.

Seit 1993 stehen sie nun hier und sie sind das Werk des akademischen Malers, Graphikers und Bildhauers Karel Nepraš.
Der Künstler gilt als einer der wichtigsten Vertreter der „tschechischen Groteske“ – eine Kunstrichtung, die (schon in Zeiten des Kommunismus) oft mit typisch tschechischem verborgenem Hintersinn existentielle und auch politische Botschaften vermittelte, was gerade Karel Nepraš mit seinen Schmiedearbeiten auch stets gut gelingt (siehe auch diesen früheren Beitrag über Nepraš‘ Denkmal für den Švejk-Erfinder Jaroslav Hašek hier). Alleine die Idee, Poller zu Denkmälern zu machen, ist zweifellos originell.

Aber warum halten die Poller denn hier, am Malostranské náměstí (Kleinseitner Ring) die parkenden Autos davon ab, den Bürgersteig zu versperren, und nicht am Altstädter Ring, wo die Hinrichtungen stattfanden? Die Antwort ist einfach: Sie stehen vor dem Liechtenstein Palais. Damals war es Karl I. von Liechtenstein gewesen, der im Auftrag des Kaisers die Aufständischen eingekerkert hielt und dann die blutige Hinrichtung en detail organisierte. Ja, der Palast mit seiner Fassade von 1791 sieht nicht mehr ganz so aus wie zu den Zeiten Karls, aber er ist immer noch Sinnbild des Reichtums der Familie Liechtenstein, der mit den Hinrichtungen gewaltig wuchs. Denn Karl bediente sich kräftig an dem konfiszierten Eigentum der Hingerichteten. Und genau deshalb kehren ihm die 27 Poller/Aufständischen nun zornig grollend den Rücken zu. Wirklich vergeben scheinen sie ihm nicht zu können. (DD)