Bedeutende Gebäude können in Sachen Sichtbarkeit vom Unglück verfolgt werden. Die Adamova Lékárna (Adam Apotheke), ein Werk des berühmten Architekten Emil Králíček aus den Jahren 1911-13, bleibt den meisten vorbeigehenden Touristen verborgen, obwohl die Lage am Wenzelsplatz (Václavské náměstí 775/8) günstiger nicht sein könnte. Ein großer Baum, eine Laterne und vor allem ein eher unschöner Lifteingang für die Metro direkt vor dem Gebäude verdammen es ein wenig zu einem visuellen Aschenputtelschicksal.
Schon historisch gesehen ist das Gebäude bedeutsam, denn die bis heute existierende Adam Apotheke war eine der ersten Apotheken in Prag überhaupt. 1520 wurde sie als innovative Antwort auf die in jenen Zeiten zunehmenden Seuchen im Lande gegründet und im Keller gibt es wohl noch Reste der spätgotischen Kellergewölbe.
Über ihnen steht heute nun ein Bauwerk, das ein wenig dazu beitrug, die architektonische Moderne in Prag einzuläuten. Králíček hatte den Entwurf zusammen mit dem Architekten und Bauunternehmer Matěj Blecha entworfen, für den er arbeitete. Er gilt heute als einer der großen Wegbereiter des Kubismus (siehe früherer Beitrag hier), aber beim Entwurf der Apotheke stand Králíček noch am Anfang seiner künstlerischen Entwicklung, und so findet man hier
erste kubistische Formelemente noch in einem Gebäude des Spätjugendstils eingebettet. Das erst 1937 aufgesetzte Dachgeschoss aus Metall und Glas sorgte noch einmal für mehr Stilvielfalt.
Die Fassade des sehr klargliedrigen Hauses ist zweigeteilt, wobei die schmalere Hälfte ein wenig wie ein Turm wirken soll. Hier kommt auch das eigentlich Auffällige zum Tragen: die bronzenen Skulpturen. Sie sind das Werk des Bildhauers Antonín Waigant. Über dem Eingang sieht man zwei Atlanten – eine weibliche und eine männliche Figur, die je von einer Schlange umwunden werden. Was sie symbolisieren sollen, bleibt ein wenig im Verborgenen. Adam und Eva? Der Name „Adamova Lékárna“ könnte deratiges angeregt haben. Oder spielt es auch den antiken Gott der Apotheker an, Äskulap, dessen Kennzeichen die Schlange ist?
Vielleicht ist das Ganze auch nur surreal gedacht. Der Eindruck bestärkt sich, wenn man nach oben schaut und die aus kubistisch-geometrischen Formen zusammengesetzte Darstellung eines Adlers unter dem Dachgeschoss sieht, der weibliche Brüste trägt. Der erste Gedanke ist, dass es eine Harpyie sein könnte, aber die haben einen menschlichen Kopf. Es bleibt rätselhaft. Auf jeden Fall fand man das Haus schon 1958 so bemerkenswert, dass man es unter Denkmalschutz stellte. (DD)