Drei Türken, grimmig

Auf jeden Fall schauen sie grimmig und furchterregend drein, die drei Türken. Und das, so kann man lesen, ist auch der Name des Hauses, auf dem sie sich befinden, das Dům u tří Turků (Haus zu den drei Türken). Warum das Haus in der Valentinská 92/3 in der Altstadt so heißt, konnte ich noch nicht herausfinden, aber es dürfte sicher etwas mit dem spätmittelalterlichen Gebäude zu tun haben, das sich hier befand, bevor der heutige Wohn- und Büroblock hier erbaut wurde. Es war um die Jahrhundertwende durchaus häufig der Fall, dass an der Stelle von alten Gebäuden historisierende Neubauten geschaffen wurden, deren Gestaltung auf das „Original“ anspielte. Bei diesem Gebäude handelt es sich eindeutig sich um einen historischen Jugendstilbau, der im Jahre 1902 von dem Architekten Alois Dlabač erbaut wurde, dem wir unter anderem das schöne alte Wasserkraftwerk an der Moldau verdanken (siehe früheren Beitrag hier). Über die Geschichte des Vorgängerbaus konnte ich nicht viel herausfinden, aber das spätmittelterliche oder im Renaissancestil gehaltene Haus könnte einem Parteigänger der protestantischen Sache gehört haben, der nach der verlorenen Schlacht am Weißen Berg von 1620 enteignet wurde (siehe hier tschechischen Text S. 478). Jedenfalls wurde es im Zuge der gesamten städteplanerischen Veränderung, die in diesem Teil der Altstadt um die Jahrhundertwende stattfand, abgerissen und durch Dlabačs Gebäude (siehe hier S.107) ersetzt.

Das klärt aber alles noch nicht die Frage nach dem Namen und dem Grund, warum unter dem Erker die Reliefs der drei grimmigen Türken angebracht wurden. Aber Böhmen war in den Jahrhunderte langen Kämpfen gegen die Türken, die Österreich und Ungarn ausfochten, immer wieder beteiligt. In der tschechisch nationalen Geschichtsschreibung erfreut sich König Jiří z Poděbrad (Georg von Podiebrad) bekanntlich eines Nationalheldenstatus, und er plante 1462 ein Fürstenbündnis, um das 1453 gefallene Konstantinopel von den Türken zu befreien – ein Plan, der an der Zwietracht im christlichen Lager scheiterte, war doch Jiří ein Hussit und die anderen Fürsten katholisch. Ehe man sich auf so etwas einließ, überließ man die Stadt lieber den Muslimen! Auch am Ersten Österreichischen Türkenkrieg  beteiligten sich viele Soldaten aus Böhmen und halfen, so dass die Invasoren 1532 entscheidend geschlagen wurden. Vielleicht hatte ein Veteran dieser Kämpfe hier gewohnt? Die historischen Trachten auf den oberen Reliefs, die der Mode des 16. Jahrhunderts entsprechen, sprechen jedenfalls dafür. Auf jeden Fall gibt es in der böhmischen Geschichte genügend Anknüpfungspunkte an den Topos des Kampfes zwischen christlichem Europa und muslimischem Osmanenreich, um den Namen des Hauses zu erklären. Und eben so nahe liegt es, dass sich das Leben eines der früheren Bewohner irgendwie in diese Geschichte einfügen lässt.

Die Bildersprache der Stuckreliefs an der Fassade des Dlabačschen Hauses ist jedenfalls voll des wuchtigen Pathos, den der  national angetönte Historismus der damaligen Zeit liebte. Über den unter dem Erker in dessen Schatten finster aussehenden Türken, befinden sich oberhalb des Fenstern Reliefmedaillons, die die Geschichte eines jungen Mannes darstellen. Besonders das hier gezeigte Bild, wo er von seinen Eltern unter dem Kreuz gesegnet wird, bringt diesen Pathos zum höchsten Ausdruck. Wie dem auch sei, hinter diesem Haus und seinem Namen verbirgt sich eine Geschichte, die noch erzählt werden sollte. (DD)

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