Es ist klein, aber auffällig, ihr Denkmal auf dem Náměstí Míru (Friedensplatz) im Stadtteil Vinohrady. Dort, wo sie auch wohnten und wirkten. Und es ist verdient! Denn: Die Brüder Čapek waren die kulturellen Repäsentanten der liberalen Ersten Tschechoslowakischen Republik schlechthin. Deshalb findet man in Prag unzählige Spuren von Karel und Josef – so wie ihre Werke immer noch allgegenwärtig sind im Kulturleben der Stadt und des ganzen Landes.
Karel Čapek ist heutzutage wohl der bekanntere der beiden. Sein Werk war ausgesprochen vielschichtig. Als Regisseur und Dramaturg machte er das Theater von Vinohrady (früherer Beitrag hier) groß. In seinem Theaterstück R.U.R. von 1924 hatte er nebenbei den Begriff „Roboter“ in die Welt gesetzt. 1925 wurde er der erste Vorsitzende des tschechoslowakischen Pen-Clubs. Seine von ihm sehr putzig illustrierte Geschichte Dášeňka, gilt als der Weltklassiker der Hundeliteratur schlechthin. Seine bissige Dystopie Válka s mloky (Der Krieg mit den Molchen) aus dem Jahr 1936 – möglicherweise sein größtes Werk – spiegelt die Stimmung vor der Katastrophe von Krieg und Totalitarismus wieder. Überhaupt waren er und sein Bruder überzeugte Demokraten und äußerten sich dazu auch schriftstellerisch in zahlreichen Essays. Karel war ein Unterstützer von Präsident Masaryk, den er als Garanten einer liberalen Demokratie sah. Das tat er nicht nur als Journalist. Aus langen Gesprächen mit Masaryk destillierte er ein 1928-35 erschienenes dreibändiges Buch unter dem Titel Hovory s T. G. Masarykem (Gespräche mit T.G. Masaryk), eine Art „Autobiographie“ und Lebensphilosophie des intellektuellen Präsidenten – eine beeindruckend packende Art der Darstellung, bei der man manchmal nicht weiß, ob hier nun Masaryk oder Čapek spricht.
Josef Čapek, sein älterer Bruder, gehörte als Maler zu den bedeutendsten Vertretern des Kubismus. Als solcher arbeitete er an den Inszenierungen der Theaterstücke seines Bruders mit und lieferte auch viele Illustrationen zu seinen Büchern. Darüber hinaus schrieb er selbst auch Theaterstücke, Romane und und Kinderbücher. Auch er war ein großer Verfechter der demokratischen Wertte der Ersten Republik und hielt damit auch nicht hinter dem Berg. Das wurde ihm zum Verhängnis. Sein Bruder Karel war 1938 gestorben und musste daher die Besetzung des Landes durch die Nazis im Frühjahr nicht mehr miterleben. Josef wurde als einer der ersten tschechischen Intellektuellen überhaupt von der Gestapo verhaftet. Es begann eine grausame Odyssee durch verschiedene Konzentrationslager bis er Anfang 1945 in Bergen-Belsen starb. Posthum erschien im Jahre 1946 seine unter gefährlichsten Bedingungen geschriebene Gedichtsammlung Básně z koncentračního tabora (Gedichte aus dem Konzentrationslager), in der er die entwürdigenden Grausamkeiten des KZ-Alltags festhielt.
In kommunistischen Zeiten waren die Werke der Brüder Čapek keine verbannten Werke, aber ihren freiheitlichen republikanischen Geist stellte man nicht allzu sehr heraus. Auch mit Denkmälern hielt man sich zurück. So beschloss die Stadt Prag erst nach dem kommunistischen Spuk im Jahre 1990, den beiden großen Künstlern ein Denkmal genau vor einer ihrer Hauptwirkungsorte aufzustellen, dem Vinohrady Theater. Beauftragt wurde der Zeichner und Bildhauer Pavel Opočensky, der es 1993 fertigstellte. Aufgestellt wurde es 1995. Er sei besessen von der Geometrie, hat der Künstler einmal gesagt, und entsprechend handelt es sich bei dem Denkmal um einen einen hochkant aufgestellten Granitquader, der grob behauen ist, aber seine klare geometrische Gestalt erkennen lässt. Auf den beiden gegenüberliegenden großen Seitenflächen hat der Künstler jeweils die Namen der beiden Brüdern mit großen Bohrlöchern geschrieben wurden. Einige der Bohrlöcher gehen durch den ganzen Stein, sodass man bei einigen, die dann Bestandteil beider Namen sind, hindurchsehen kann (auf dem großen Bild oben sieht man beide Seiten nebeneinander). Dahinter mag die Idee stecken, dass die beiden Brüder so viel gemeinsam hatten und gemeinsam wirkten, aber auch unterschiedlich waren. Das ist recht geschickt gemacht. Auf einer der Kantenseiten sind die Lebensdaten der beiden Brüder in kleiner Schrift – ebenfalls mit kleinen Bohrlöchern – angebracht. Der Platz mit der schönen Aussicht auf das Theater hätte ihnen gefallen. (DD)
Siehe auch: Auf den Spuren der Brüder Čapek II: Die Villa
Und: Auf den Spuren der Brüder Čapek III: Wo Dášeňka Gassi ging