Kapelle mit Klangerlebnis

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Als sie noch als Kirche genutzt wurde, soll Mozart in ihr aufgespielt haben. Sein etwas seltsam anmutendes Portrait, (das weder den überlieferten zeitgenössischen IMG_9707Bildern noch dem heute wesentlich maßgeblicheren Aussehen von Tom Hulce entspricht), befindet sich deshalb auch als Büste im Eingangsbereich. Es gibt auch Leute, die meinen, die Büste des Bildhauers Emanuel Max von Wachstein aus dem Jahr 1837 sei das authentischste Portrait des Komponisten überhaupt. Wie dem auch sei: Die Spiegelkapelle eignet sich für Musikdarbeitungen wie kaum ein anderer Raum in Prag. Mozart wusste schon, was gut ist. In frühen 1930er Jahren wurde die Kapelle daher folgerichtig dekonsekriert und fungiert seither fast ausschließlich als Konzertsaal.

Ursprünglich war sie jedoch Teil des Klementinums, dem ehemaligen großen Jesuitenkolleg in der Altstadt. Erbaut wurde sie in feinstem Barock von František Maxmilián Kaňka in den Jahren 1724 bis 1730. Gleich zwei (!) prachtvolle Orgeln IMG_9688folgten um 1750. Über eine solche musikalische Grundausrüstung verfügen nur wenige Kirchen in der Welt (großes Bild oben, kleines Bild rechts).

Sitzt man erstmals  in einem Konzert (wir haben uns vor Heiligabend Jakub Jan Rybas Weihnachtsmesse zu Gemüte geführt), weiß man sofort, dass einen ein tiefer Eindruck für alle Sinne erwarten wird. Der nicht sehr große Raum (ca. 150 Sitze) mit seiner für Barockkunst eher zurückhaltenden Ästhetik und seiner dunklen Stimmung korrespondiert in seiner Pracht mit der außergewöhnlich guten und klangreinen (ohne verfälschende Halleffekte!) Akkustik, die ihresgleichen sucht.

IMG_9698Und dann gibt es da natürlich noch die einzigartige Besonderheit, die der Kapelle ihren Namen verliehen hat: Die Spiegel. An den beiden Seitwänden sind jeweils zwei größe ovale Spiegel mit Silberrahmen (Bild links) gegenüberliegend angebracht. In ihnen spiegeln sich die Formelemente der Kapelle, was die eigentümlich geschwungene Barockstruktur noch einmal verstärkt. Jedenfalls erlebt man immer wieder kleine optische Überraschungen und Sichtperspektiven, die man in dem eigentlich klar rechteckig gebauten Raum nicht erwarten würde.

Auf den ersten Blick fallen die kleineren Spiegel in den Querstreben des Tunnelgewölbes an der Decke zunächst einmal nicht auf. Erst wenn IMG_9695man länger den Blick schweifen lässt, während man den Musikklängen lauscht, bemerkt man sie. Je nachdem, wo man sitzt, reflektieren sich in ihnen die Skulpturen, die man vor allem bei den Orgeln findet. Die Spiegelbilder sind in ihrer Ausschnitthaftigkeit (meist sieht man verschlungene Gewandfalten) kleine Kunstwerke eigener Art (Bild rechts).

Liebhaber barocker Kunst und schöner Musik sollten auf jeden Fall bei ihrem nächsten Prag-Aufenthalt sehen, dass sie für diese Kapelle eine Konzertkarte erwerben können! (DD)

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