Jan Hus (1369-1415) war für die Tschechen immer mehr als nur der prä-lutheranische Vordenker der Reformation. Er war nicht zuletzt auch ein Märtyrer der Nation. Sein Tod auf dem Scheiterhaufen beim Konzil von Konstanz, wo er seine theologischen Thesen verteidigen wollte, und der damit verbundene Verrat Kaiser Sigismunds, der ihm freies Geleit versprochen hatte, war für die Böhmen, die Hus in Scharen folgten, ein Fanal. Als Papst Martin V. den Kreuzzug gegen die Hussiten ausrief, leisteten sie energisch und erfolgreich Widerstand – einen Widerstand, der ihnen große Opfer abverlangte. Am Ende konnten sie mit dem Kaiser (genauer: mit Kaiser Sigismund in seiner Eigenschaft als böhmischer König) einen recht toleranten Religionsfrieden aushandeln.
Als 1620 die katholischen Habsburger nach der Schlacht am Weißen Berg (siehe unseren Beitrag hier) die böhmische Unabhängigkeit und die Glaubensfreiheit zerstörten, waren für sie die Hussiten ein besonderer Stein des Anstoßes. Fast alle sichtbaren Manifestationen ihres Glaubens wurden systematisch zerstört und ihre Kirche unterdrückt.
Mit dem Erwachen ihres Nationalbewusstseins im späten 19. Jahrhundert nahm daher verständlicherweise unter den Tschechen auch das Interesse an Hus als Symbol ihrer Eigenständigkeit enorm zu.
Zum 500. Geburtstag des Reformators planten daher patriotische tschechische Bürger ein Denkmal für Hus – mitten auf dem zentralen Altstädter Ring, wo es sich großartig macht. 1891 begann die Ausschreibung, 1903 wurde der Grundstein gelegt und 1915 erfolgte pünktlich zum Jahrestag die Einweihung. Die österreichischen Herrschenden blieben dieser Einweihung ostentativ fern. Sie sahen das Ganze mit Missfallen und als Angriff auf die Habsburger Monarchie. Unrecht hatten sie damit wohl nicht. Verbieten konnten sie es zu diesem Zeitpunkt aber auch nicht mehr.
Der Künstler, der das Denkmal entwarf, war kein geringerer als der symbolistische Bildhauer Ladislav Šaloun (über den wir schon hier und hier berichteten). Den Mittelpunkt des Denkmals, das den Platz schon fast dominiert, bildet die stehende Figur Jan Hus‘ selbst. Um ihn herum sieht man die tapferen Soldaten, die das Hussitentum nach seinem Tod so heldenhaft verteidigten, und die Protestanten, die 200 Jahre später unter der Verfolgung litten. Die Gestalt einer jungen Mutter symbolisiert die Wiederauferstehung der Nation. Dazu sieht man auf allen Seiten Zitate von Hus, darunter das berühmte “Pravda Vitězí” – “Die Wahrheit siegt”. Dieser Spruch ist seit 1918 auf Anregung von Tomáš Garrigue Masaryk auch das Motto der Republik. (DD)